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»Dass ich dich hierher geschleift habe. Sieh dir unser Flugzeug an. Es war das Einzige, was wir besaßen, und jetzt wird es für immer hier oben bleiben. Ich habe uns wieder einmal ruiniert.«

»Wovon redest du eigentlich?«, entgegnete sie. »Schließlich warst du es, der sein Leben aufs Spiel gesetzt hat, um genug Geld zusammenzukratzen, damit wir die Maschine kaufen und auf diesem Berg landen können.« Sie zeigte auf das Wrack. »Und hier sind wir!«

»Aber in welchem Zustand…«

»Ist doch egal! Natürlich wäre es besser gewesen, wenn wir nicht in diesem blöden Schlammloch stecken geblieben wären, aber immerhin sind wir mit dem Leben davongekommen.«

»Und damit gibst du dich zufrieden?«

»Na klar! Wären wir in voller Fahrt im Morast stecken geblieben, wäre jetzt die Hälfte von uns wahrscheinlich tot und die andere schwer verletzt. So musst du es sehen! Wir haben verdammtes Glück im Unglück gehabt.«

»Du bist wirklich unglaublich«, antwortete der König der Lüfte bewundernd. »Wir sitzen hier auf dem Gipfel eines Tafelberges, von dem wir nicht mehr herunterkommen, und du redest von Glück.«

»Verdammtes Glück sogar«, beharrte sie. »Sag mir, was wäre passiert, wenn wir mit hundert Kilometern in der Stunde im Schlamm stecken geblieben wären?« Als sie keine Antwort darauf erhielt, fügte sie hinzu: »Dann wäre nichts von uns übrig, hab ich Recht?«

»Ja.«

»Was gibt es dann zu bedauern?«

»Nichts, nur dass ich es bisher nicht richtig zu schätzen wusste, was für eine faszinierende Frau du bist. Wenn ich nicht so viele Flausen im Kopf gehabt hätte, könnten wir jetzt ein glückliches Leben führen.«

»Vielleicht aber auch nicht«, erklärte Mary, während sie zum Flugzeug ging und begann, Proviant und Kochgeschirr auszuladen, um ihnen etwas zu essen zu machen.

»Hätten wir ein stinknormales Leben geführt, dann hätten wir das, was wir haben, gar nicht zu schätzen gewusst.«

»Glaubst du?«

»Alles ist möglich.« Mary setzte sich neben ihn und zündete den kleinen Spirituskocher an, den sie mitgebracht hatte. »Ich liebe dich, aber ich glaube, dass dein Mut und deine Hartnäckigkeit eine große Rolle dabei spielen. Ein gewöhnlicher Mann hätte in mir niemals solche Gefühle geweckt.«

»Auch wenn du mich jetzt am Boden siehst wie einen Versager?«

»Wieso Versager?«, wiederholte sie und zeigte auf den Horizont. »Ein paar Kilometer weiter liegt der schönste Wasserfall der Welt, der bis in alle Ewigkeit deinen Namen tragen wird. Salto Angel. Wie viele Versager haben das geschafft?«

»Trotzdem sind wir so pleite wie noch nie.«

»Ich kenne eine Menge Millionäre, die nichts als ihr Geld haben«, entgegnete Mary Angel entschieden. »Wir haben uns, ein intensives Leben und diesen Wasserfall. Das ist mehr als alles Geld auf der Welt.«

»Meinst du das im Ernst oder sagst du es nur, um mich zu trösten?«

»Wenn ich dich in einem Augenblick wie diesem trösten wollte, hätte ich keinen Respekt mehr vor dir«, erklärte Mary. »Zugegeben, wir haben einen kleinen Rückschlag erlitten, aber wir werden ihn überwinden.«

»Einen kleinen Rückschlag?«, wiederholte Jimmie grimmig. »Das nennst du einen kleinen Rückschlag? Wir besitzen nur noch das, was wir am Leib tragen.«

»Wie viele Flugzeuge hast du in deinem Leben zu Schrott geflogen?«, fragte sie. »Acht, zehn, zwölf? Das waren alles Rückschläge und jedes Mal hast du sie überwunden. Das hier ist genau dasselbe, nicht mehr und nicht weniger.«

Wie soll man mit einer Frau diskutieren, die auf alles eine Antwort weiß?

Wie jemanden ermutigen, der selbst der Inbegriff des Mutes ist?

Wie konnte er sie um Verzeihung bitten, dass er sie in diese aussichtslose Lage gebracht hatte, wenn sie so gelassen das Essen zubereitete, als hätten sie ein gemütliches Picknick auf dem Land vor?

Mary aß mit gesundem Appetit und sah keineswegs so aus, als säßen sie auf dem Gipfel des Teufelsfelsen und hätten so gut wie keine Aussichten auf Rettung. Sie verzichtete nicht einmal auf ihren Kaffee, den sie wie üblich in kleinen Schlucken genoss.

Am Ende zündete sie sich eine Zigarette an, was sie nur zu besonderen Anlässen tat, und rauchte genüsslich, während sie die Landschaft betrachtete.

»Herrlich!«, sagte sie schließlich. »Einfach herrlich! Ist es nicht ein seltsames Gefühl zu wissen, dass wir die ersten Menschen auf diesem Berg sind?«

»Das fände ich eher beunruhigend«, antwortete er. »Wenn es so wäre, hieße das nämlich, dass es nicht McCrackens Berg ist.«

»Das ist er auch nicht«, antwortete sie bestimmt. »Du weißt es, seit wir gelandet und aus der Maschine geklettert sind. Und ich weiß es seit dem Augenblick, als ich gesehen habe, was für ein Gesicht du gemacht hast.«

»Manchmal glaube ich, dass du mich viel zu gut kennst.«

»Man muss dich gar nicht besonders gut kennen, um zu sehen, dass der Verlust der Maschine dich nicht halb so sehr schmerzt wie das Eingeständnis, dass sich deine schlimmsten Befürchtungen bewahrheitet haben. Dieser Berg ist nicht derselbe wie der, auf dem du mit McCracken gelandet bist.«

»Nein, stimmt«, gab Jimmie schließlich zu. »Obwohl er es laut McCrackens Angaben sein müsste.«

»Dann siehst du endlich ein, dass er dich reingelegt hat?«

»Nein! Niemals! Irgendwo steckt ein Fehler, aber ich bin sicher, dass das nicht seine Schuld ist. Er hat nicht gelogen. Ich muss mich geirrt haben.«

»Mein Gott! Wenn du mir nur halb so viel vertrauen würdest wie diesem Schotten!«

»Das tue ich doch. Ihr seid die einzigen Menschen auf dieser Welt, für die ich meine Hand ins Feuer legen würde.«

»Apropos Feuer…«, sagte Mary und sah zu der unbarmherzigen tropischen Sonne auf, die zweitausend Meter über dem Meeresspiegel auf ihre Köpfe niederbrannte. »Hast du noch Kraft, um ein Bad in dem Fluss zu nehmen, den wir bei der Landung gesehen haben? Er muss weniger als einen Kilometer von hier entfernt sein.«

Es war nur ein kleiner, rasch dahinfließender Bach mit kristallklarem eisigem Wasser, der sich von der Mitte des Plateaus in Richtung Nordosten schlängelte und wie ein überdimensionaler Pferdeschweif in die Tiefe stürzte.

Sie zogen sich aus und genossen ein erfrischendes Bad. Als sie sich am späten Nachmittag auf einen schwarzen Felsen legten, den das Wasser im Lauf von Millionen Jahren glatt geschliffen hatte, sagte Mary:

»Ich habe Lust auf Liebe.«

»Hier?«, fragte Jimmie überrascht. »Jetzt?«

Sie nickte lächelnd.

»Hier und jetzt«, wiederholte sie. »Ich habe Lust, Liebe zu machen und hier auf dem Heiligen Berg einen Sohn zu zeugen. Halb in dem Wasser liegend, das deinen Wasserfall speist. Gibt es einen schöneren Ort, um schwanger zu werden?«

»Du überraschst mich immer wieder«, sagte Jimmie und liebkoste zärtlich ihre Brüste. »Du bist die erstaunlichste Frau, die ich je kennen gelernt habe, und obendrein hast du immer Recht. Ein Kind, das hier gezeugt wird, muss ein ganz besonderer Mensch werden.«

Sie liebten sich zärtlich und gaben sich ihrer Leidenschaft vollkommen hin. Vielleicht war es das letzte Mal, dass sie einander ihre tiefe Zuneigung zeigen konnten.

Obendrein war es das erste und zugleich letzte Mal, dass sich zwei Menschen auf dem Gipfel des AuyanTepui liebten. Für die einen ein Heiliger Berg, für die anderen der Teufelsfelsen. Für alle jedoch der unzugänglichste und geheimnisvollste Ort der Welt.

Glücklich und zufrieden kehrten sie Hand in Hand zu der Stelle zurück, wo ihr Flugzeug in tiefen Schlaf gefallen war.

Ein Schlaf, aus dem es erst dreiunddreißig Jahre später erwachen sollte, als die venezolanische Luftwaffe mit Hilfe eines starken Hubschraubers das Wrack barg. Als Ausstellungsstück von unschätzbarem Wert wurde die Maschine anschließend vor dem Eingang zum Flughafen von Ciudad Bolívar ausgestellt.