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»Wenn ihr mir den Burschen nur eine Stunde überlasst, kriegt ihr euren Code. Und dazu die Telefonnummer seiner Süßen.« »Du vergeudest nur deine Zeit. Er weiß, dass er tot ist, wenn er damit rausrückt. Wir müssen nur abwarten, bis er die Kiste aktiviert. Dann ist er Hundefutter.«

»Wann schlagen wir los?«

»Du kannst deine Zahnbürste schon einpacken. Bald.«

»Autsch«, brüllte einer auf. »Dämliche Statuen!«

»Sei froh, dass die Dinger nicht echt sind.«

»He, Jungs, seht doch mal! Münzen!«

»Wow, das ist Gold!«

»Wird auch langsam Zeit. Dort liegt noch mehr!«

»Hier auch. Na los, machen wir ein bisschen Beute.«

Die drei trennten sich und sammelten mit der Eleganz pickender Hühner Münzen vom Boden auf. Einer von ihnen verlegte sich auf einen geduckten Watschelgang, damit er beide Hände frei hatte, um den Schatz einzusammeln. »He, Leute!«, rief er. »Meine Taschen sind schon voll. Hebt mir ein bisschen Platz bei euch auf!«

Eine weitere Minute verging. »He!«, rief er etwas lauter und blieb stehen. »Jungs?« Seine Hände öffneten sich. Die Münzen fielen herab. Langsam tastete er nach seinem Gewehr.

Zu spät. Schon hörte er das feine Klingeln der Jade. Die Chinesen hatten einen besonderen Ausdruck dafür. Sie nannten das musikalische Klingeln des Jadeschmucks lautmalerisch »ling-lung«. Wie die Hadal es zwanzigtausend Jahre zuvor genannt haben mochten, wusste niemand mehr. Doch die Statue neben ihm erwachte mit diesem Geräusch zum Leben.

Der Söldner erhob sich langsam. Die aztekische Keule sauste nieder und spaltete seinen Schädel. Obsidian war tatsächlich schärfer als moderne Skalpelle. Die Statue streifte ihre Jaderüstung ab und wurde zu einem Menschen. Ike schob die Keule wieder in die Terrakottahände zurück und nahm das Sturmgewehr in die Hand. Fairer Tausch, dachte er.

Die Meuterer trugen die Flöße zum Meer und beluden sie mit den verbliebenen Vorräten. Das alles geschah vor den Augen ihres Kommandeurs, den sie in einen Drahtkokon eingewickelt und an eine Wand gehängt hatten.

»Weder der Tod noch das Leben, weder Engel noch dunkle Mächte, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch eine andere Kreatur kann uns scheiden von der Vergeltung Gottes«, verfluchte er sie in wütender Raserei.

Die gefangenen Wissenschaftler konnten ihn brüllen hören. Es ist die Liebe, nicht die Vergeltung, dachte Ali. Der Colonel zitierte die Römerbriefe falsch.

Die Zeit war gekommen. Ike hatte Ali so viel geholfen wie er konnte. Ab jetzt musste sie selbst improvisieren. Sie zog das Messer heraus.

Troy hob den Kopf. Sie hielt es an die Fesseln um ihre Handgelenke. Das Messer war scharf. Das Seil löste sich fast von selbst. Sie rollte sich zur Seite und blickte Troy an.

Spurner hörte sie und schaute herüber. »Was tust du da?«, zischte er. »Bist du übergeschnappt?«

Sie dehnte und streckte Handgelenke und Schultern, dann setzte sie sich auf, um den Draht aufzuwickeln, der sie mit dem Hals an der Mauer anleinte.

»Wenn du sie wütend machst, nehmen sie uns nicht mit«, sagte Spurner.

Ali blickte ihn finster an. »Sie nehmen uns so oder so nicht mit.«

»Aber natürlich werden sie das«, meinte Spurner. Doch sie hatte seine Hoffnung bereits erschüttert. »Du wirst schon sehen.«

»Sie kommen bald zurück«, sagte Ali. »Bis dahin müssen wir hier weg sein.«

Troy übernahm das Messer und ging dann zu Chelsea, Pia und Spurner hinüber.

»Komm mir nicht zu nahe«, fauchte ihn Spurner an.

Pia packte Alis Hände, zog sie dicht an sich und starrte Ali mit wildem Blick an. Ihr Atem roch wie etwas schon lange Begrabenes. Neben ihr raunte Spurner: »Wir dürfen sie nicht reizen, Pia.«

»Dann bleib hier«, erwiderte Ali.

»Was ist mit ihr?« Troy kniete neben dem gefangenen Mädchen. Sein Blick ruhte aufmerksam und unerschütterlich auf ihm.

Das Mädchen würde vielleicht sofort zum Ausgang rennen, zu schreien anfangen oder sogar ihre Befreier anfallen. Andererseits kam es einem Todesurteil gleich, wenn sie zurückblieb. »Nimm sie mit«, sagte Ali, »aber lass ihr vorerst das Klebeband auf dem Mund. Auch ihre Hände bleiben gefesselt.«

Troy hatte die Messerschneide schon unter dem Seil. Er zögerte. Die von Gelbsucht verfärbten, katzenhaften Augen des Mädchens zuckten zu Ali hinüber. »Sie bleibt gefesselt, Troy. Mehr sage ich nicht.«

Spurner weigerte sich, an der Flucht teilzunehmen.

»Ihr Narren«, zischte er.

Pia wollte aus der Tür gehen, kam jedoch zurück.

»Ich kann nicht«, sagte sie zu Ali.

»Du kannst nicht hier bleiben«, erwiderte Ali.

»Soll ich ihn hier lassen?«

Ali packte Pia am Arm und wollte sie wegziehen, ließ jedoch wieder los.

»Tut mir Leid«, sagte Pia. Ali küsste sie auf die Stirn.

Die Flüchtenden stahlen sich aus dem Raum und gingen tiefer in die Festung hinein.

»Ich weiß, wo wir hin können«, verriet ihnen Ali. Sie folgten ihr ohne weitere Fragen. Sie fand die Stufen, die Ike ihr gezeigt hatte.

Chelsea humpelte stark. Ali stützte sie, und Troy kümmerte sich um das wilde Mädchen. Oben angekommen, führte Ali sie durch Ikes Geheimgang in das Zimmer im Leuchtturm.

Bis auf eine winzige Flamme war es stockfinster. Jemand hatte die in den Boden eingelassenen Kammern aufgehebelt und geplündert. Und eine einzige Tonlampe brennen lassen. Ali ließ sich in das Versteck hinab, dann half sie Chelsea. Troy hob die Gefangene hinunter. Ali staunte, wie leicht sie war.

»Das hier war ein Vorratsraum voll mit Fässern«, sagte Ali. »Fässer voller Öl. Ike hat sie irgendwo hingeschafft.«

»Wo ist er jetzt?«

»Bleibt hier«, sagte sie. »Ich finde ihn.«

»Ich gehe mit«, sagte Troy unsicher. Er wollte das Mädchen ungern verlassen. In den letzten Tagen hatte er eine Art Zuneigung zu ihr entwickelt. Ali blickte Chelsea an. Sie war in einer schrecklichen Verfassung. Troy musste bei ihnen bleiben.

»Bleibt in diesem Versteck«, sagte sie. »Verhaltet euch ruhig. Macht keinen Lärm. Wir holen euch heraus, sobald die Luft rein ist.«

»Nimm das Messer mit«, sagte Troy.

»Ich wüsste nicht, was ich damit anfangen sollte«, erwiderte Ali.

»Bis bald.«

Die Flöße schaukelten auf dem Wasser. Irgendetwas weit draußen rief eine leichte Dünung auf dem sonst so spiegelglatten Meer hervor. Lebensmittel und Ausrüstung wurden festgezurrt. Das Maschinengewehr war aufgebaut, die Suchscheinwerfer angeschaltet. Es würde schwierig werden für die elf Mann, doch sie hatten immerhin Verpflegung für mehrere Monate, und je weiter sie vorwärts kamen, umso leichter würde ihr Gepäck werden.

Die Hälfte der Truppe saß wartend auf den Flößen, während die andere Hälfte noch einmal zurückging, um das Lager aufzuräumen. Da keiner die Drecksarbeit freiwillig verrichten wollte, hatten sie Streichhölzer gezogen. Sie fanden es widerwärtig, dass Shoat darum gebeten hatte, zusehen zu dürfen.

Sie wollten keine Zeugen zurücklassen, nicht einmal diese lebenden Toten. Jeder von ihnen konnte noch lange vor dem Hungertod irgendeinen verräterischen Bericht niederschreiben. Man wusste nie, was daraus wurde. Vielleicht vergingen noch zehn Jahre oder mehr, bis diese Festung von Kolonisten entdeckt wurde, aber warum sollte man die Zeugenaussagen von Geistern riskieren?

Sie fingen vor der Festung an und arbeiteten sich nach innen durch, ganz professionell. Jeder ihrer verwundeten Kameraden erhielt einen exakt platzierten Gnadenschuss zwischen die Augen. Walker, der unaufhörlich Bibelstellen vor sich hin brabbelte, ließen sie an der Wand hängen. Scheiß auf ihn. Der ging nirgendwo mehr hin. Jetzt blieben nur noch die Zivilisten im hinteren Raum. Zwei Soldaten gingen hinein.

»Was zum Teufel ist hier los?«, schrie einer.