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Schwer hinkend betrat Branch die Ruinen der Stadt der Verdammten. Er hatte die Hoffnung aufgegeben, Ike lebend zu finden. Das Gift des Hadal-Speers, das Wundfieber und das Delirium peinigten ihn so sehr, dass er sich eigentlich kaum noch an Ike erinnerte. Seine Wanderung führte ihn tiefer und tiefer hinunter, aber nicht auf Grund seiner ursprünglichen Suche, sondern weil der Mittelpunkt der Erde zu einem Mond geworden war, der ihn unterschwellig in eine neue Umlaufbahn gezogen hatte. Die zahllosen Wege und Pfade waren in seinem Geist auf einen einzigen zusammengeschrumpft. Und jetzt war er angekommen.

Alle lagen sie reglos da. Zu Tausenden.

In seinem Fieberwahn fühlte er sich an eine Nacht in Bosnien vor langer Zeit erinnert. Um ihn herum lagen Skelette in der letzten Umarmung des Todes. Viele waren inzwischen vom Fließstein in den plastikartigen Boden absorbiert worden. Die Fäulnis hatte eine ganz eigene Atmosphäre geschaffen. Beißende Windböen schlugen wie Horden respektloser Geister um Gebäudeecken. Mit Ausnahme des unterirdischen Windes gab es nur das Geräusch des Wassers, das sich weiter und weiter in den Bauch der Stadt hineingrub.

Branch ließ sich durch diese Apokalypse treiben.

Mitten in der Stadt kam er zu einem Hügel, auf dem die Ruine eines großen Gebäudes thronte. Misstrauisch beobachtete er alles durch sein Nachtsichtglas. Dort oben stand ein Kreuz. Ein Kreuz, an dem ein Körper hing.

Sein verletztes Bein und die dicht an dicht liegenden Toten erschwerten den Aufstieg. Während er mühsam darüber hinweg kletterte, dachte er an Ike, der immer mit so viel Begeisterung von seinen Touren im Himalaya gesprochen hatte. Er fragte sich, ob Ike womöglich irgendwo in der Nähe war. Vielleicht war er es ja, der an diesem Kreuz hing.

Der Leichnam am Kreuz war deutlich frischer als die anderen. Nicht weit entfernt lag ein zerschlagenes Scharfschützengewehr, daneben ein Laptop. Branch konnte nicht erkennen, ob der Tote Soldat oder Wissenschaftler gewesen war. Eines war jedoch sicher: Der Mann war nicht Ike. Seine Haut war erst vor kurzem mit Tätowierungen verziert worden.

Als er sich umdrehte, erblickte Branch einen toten Hadal in einem Königsgewand aus Jade. Im Gegensatz zu den anderen war dieser vollkommen erhalten, zumindest vom Hals aufwärts. Das Gesicht des Mannes kam ihm bekannt vor. Er beugte sich zu ihm hinab und erkannte den Priester. Was mochte ihn hierher verschlagen haben? Er war es doch gewesen, der ihnen die Information über Ikes Unschuld gegeben hatte, und Branch fragte sich, ob er wohl ebenfalls herabgestiegen war, um Ike zu retten. Was für ein Schock musste die Hölle für einen Jesuiten sein! Er schaute in das Gesicht und versuchte angestrengt, sich den Namen des Mannes ins Gedächtnis zurückzurufen.

»Thomas«, erinnerte er sich plötzlich.

Und Thomas schlug die Augen auf.

NEUGUINEA

Sie standen bewegungslos am Ausgang einer namenlosen Höhle, unter der sich der Dschungel ausbreitete. Fast betäubt vom Licht und vor Erschöpfung zitternd, nahm Ali instinktiv zu etwas Vertrautem Zuflucht und begann mit heiserer Stimme ein Dankgebet zu sprechen.

Auch Ike war geblendet und von Angst erfüllt. Es war nicht die Sonne über dem Blätterbaldachin, auch nicht die Gefahren im Urwald dort unten, vor denen er sich fürchtete. Nicht die Welt jagte ihm Angst ein. Es lag eher daran, dass er nicht wusste, was nun aus ihm werden sollte.

Bei jedem Abstieg aus den eisigen Regionen eines Berges gibt es einen Moment, in dem man die Grenze zurück zum Leben überschreitet. Das kann ein erster Streifen grünen Grases neben dem Pfad sein, eine würzige Brise aus dem viel tiefer gelegenen Wald oder der schmelzende Schnee, der sich zu einem Rinnsal vereinigt. Ike hatte diesen Augenblick immer in jeder Faser seines Körpers gespürt, gleichgültig, wie lange er fort gewesen war oder wie viele Berggipfel hinter ihm lagen. Doch jetzt überwältigte ihn nicht das Gefühl des Abschiedes, sondern der Ankunft. Er verspürte nicht die Euphorie des Überlebenden. Er empfand Gnade.

Da er seiner Stimme nicht traute, umschlang er Ali mit beiden Armen.

DANKSAGUNG

Es ist ein frommes Märchen, dass Schriftsteller menschenscheue Einsiedler sind, die zu Hause im stillen Kämmerlein mit ihren Musen verkehren. Dieser Autor hier hat jedenfalls von einem ganzen Gedankenuniversum und der tatkräftigen Unterstützung anderer Menschen profitiert. Dieses Buch entstand aus einer Idee, die ich einem Bergsteiger, meinem Freund und Manager Bill Groß unterbreitete. Er verbrachte die folgenden fünfzehn Monate damit, mir dabei zu helfen, die Geschichte genauer auszuarbeiten. Jede einzelne Seite verdankt ihr Entstehen seiner Begabung und seiner Ermutigung. Schon sehr früh machte er zwei andere kreative Geister aus der Filmwelt auf das Projekt aufmerksam, Bruce Berman und Kevin McMahon von Village Roadshow Pictures. Ihre Unterstützung ermöglichte meinen Wiedereintritt in die New Yorker Verlagswelt, wo mich der Kletterer und Schriftsteller Jon Waterman der Obhut einer anderen Bergsteigerin anvertraute, der Literaturagentin Susan Golomb. Sie arbeitete hart daran, die Geschichte vorzeigbar, verständlich und in sich schlüssig zu machen. Mit ihrem unbestechlichen Auge und ihrem Orientierungssinn gäbe sie eine hervorragende Scharfschützin ab.

Ich danke auch meinen Lektoren: Karen Rinaldi für ihre literarische Unvoreingenommenheit, Richard Marek für sein beherztes. professionelles Zupacken und Panagiotis Gianopoulos, einem aufsteigenden Stern am Verlagshimmel. Dank gebührt auch meinem namen- und gesichtslosen Redakteur. Obwohl es sich hier bereits um mein siebtes Buch handelt, habe ich erst jetzt erfahren, dass Redakteure aus betriebsbedingten Gründen niemals mit den Autoren bekannt gemacht werden. Sie plagen sich wie Mönche in der Anonymität mit unseren Werken ab. Ich habe mir ausdrücklich den besten Redakteur im Lande ausgebeten, und - wer er oder sie auch sein mag - meinem Wunsch wurde entsprochen. Dankbare Anerkennung gilt ebenso Jim Walsh, auch er einer der unsichtbaren Geister hinter diesem Buch.

Ich bin weder Höhlenforscher noch Epiker. Mit anderen Worten: Ich war auf die Hilfe anderer angewiesen, die mich durch meine imaginäre Hölle führten. Da ist einmal mein Vater, ein Geologe, der mich schon in meiner Kindheit mit der Faszination von Labyrinthen vertraut machte, von Pennsylvania über Mesa Verde bis hin zum Arches National Park in Utah. Abgesehen von den offenkundigen und nach Kräften ausgeschlachteten dichterischen Vorbildern, bin ich mehreren zeitgenössischen Quellen zu tiefem Dank verpflichtet. Alice K. Turners The History of Hell ist hinsichtlich seiner Bandbreite, seiner Gelehrtheit und seines boshaften Humors einfach phänomenal. Dante hatte seinen Vergil, ich hatte meine Turner. Ein weiterer Mentor in Sachen Unterwelt war mir der unverzichtbare Atlas of The Great Caves of The World von Paul Courbon. Lechuguilla Restoration: Techniques Learned in The Southwest Focus von Val Hildreth-Werker und Jim C. Werker vermittelte mir ein Verständnis für den Lebensraum Höhle. Donald Dale Jacksons Underground Worlds brachte mir die Schönheit unterirdischer Orte so nahe, dass sie mich nicht mehr losließ. Schließlich ließ Jacob’s Well, der bemerkenswerte Roman meines Freundes Steve Harrigan über die Höhlentaucher ei, meine Albträume hinsichtlich dunkler, unergründlicher Tunnel und Schächte Gestalt annehmen.

Was Fakten und Sachverstand angeht, verdankt dieses Buch so manches der Arbeit und den Ideen vieler anderer Leute, die eine ganze Bibliographie füllen würden. Erwähnen möchte ich trotzdem Turin Shroud von Lynn Picknett und Clive Prince, wo ich mir fundiertes Hintergrundwissen für mein eigenes Grabtuchkapitel verschaffte. Egil’s Bones von Jesse L. Byook, das mich mit einer Seuche bekannt machte, die gut zu meinen Vorstellungen passte. Unveiled: Nuns Talking von Mary Loudon ermöglichte mir einen Blick hinter den Nonnenschleier. Stephen S. Halls Mapping The Next Millennium weckte mein Verständnis für die Welt der Kartografie. Peter Sloss von der »Marine Geology and Geophysics Computer Graphics at The National Oceanic and Atmospheric Administration« weihte mich großzügigerweise in den neuesten Stand der Kartografie ein. Philip Liebermanns The Biology and Evolution of Language half mir zu den Ursprüngen der Sprache zurück, ebenso wie Dr. Rende, Pathologe mit dem Fachgebiet Sprache und Sprachbildung an der University of Colorado. Das Buch von Michael D. Coes Breaking The Maya Code sowie die Forschungsbeiträge von David Roberts »The Decipherment of Ancient Maya« (Atlantic Monthly, 9/1991), Colin Renfrews »The Origins of The Judo-European Languages« (Scientific American, 10/1989) und insbesondere Robert Wrights »The Quest for The Mother Tongue« (Atlantic Monthly, 4/1991) verhalfen mir zu einem kleinen Einblick in die Entdeckungen der Linguistik. »Unusual Unity« von Stephen Jay Gould (Natural History, 4/1997, und »The Africa Emergence and Early Asian Dispersals of The Genus Homo« von Roy Larick und Russel L. Cicchon (American Scientist, 6/1996) brachten mein Räderwerk erst richtig in Gang und verwiesen mich auf weiterführende Lektüre. Cliff Watts, auch ein Bergsteiger und Freund, wies mich auf einen Internetartikel von Stanley B. Prusiner zum Thema »Prione« hin und stand mir bei medizinischen Themen von Höhenkrankheit bis Sehvermögen mit fachlichem Rat zur Seite. Ein anderer Bergsteigerkollege, Jim Gleason, setzte alles daran, mein wissenschaftliches Halbwissen auf ein erträgliches Maß zu reduzieren, auch wenn er wahrscheinlich immer noch der Meinung ist, es sei ihm nicht besonders gut gelungen. Ich kann nur hoffen, dass meine Beutezüge und meine Faktenhuberei den Weg zu einigen amüsanten Abschweifungen pflastern mögen.