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Branch war nicht hier, um einen Krieg zu provozieren, sondern um dieses eigenartige Gebilde zu erkunden. Irgendetwas ging hier draußen vor sich. Aber was?

Am Ende der ersten Runde drosselte er abrupt die Geschwindigkeit und entdeckte in einiger Entfernung seine anderen Helikopter als dunkle Verdichtungen mit blinkenden roten Positionslichtern. »Sieht nicht gerade sehr belebt aus«, sagte er. »Hat von euch jemand was gesehen?«

»Nada«, meldete sich Lovey.

»Bei uns auch nix«, meinte McDamels.

Die Meute im Camp teilte Branchs elektronisch ergänzte Aussicht. »Ihre Sicht taugt keinen Schuss Pulver, Elias.« Das war Maria-Christina Chambers höchstpersönlich.

»Doktor Chambers?«, antwortete er. Was tat sie denn im Netz?

»Es ist immer wieder der gleiche Mist, Elias. Man sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht. Wir verlassen uns viel zu sehr auf diesen hoch technisierten optischen Firlefanz. Die Kameras sind auf den Stickstoff getrimmt, also kriegen wir auch nichts anderes als Stickstoff zu sehen. Besteht die Möglichkeit, dass Sie mal kurz reingehen und persönlich ein Auge riskieren?«

So gut Branch sie leiden konnte, und so gern er genau das getan hätte - sich persönlich an Ort und Stelle von den obskuren Vorgängen überzeugen -, so klar war es auch, dass diese Dame in seiner Befehlskette nichts zu suchen hatte.

»Solche Anweisungen müssen vom Colonel kommen.

Over«, sagte er.

»Der Colonel hat uns verlassen. Meiner bescheidenen Meinung nach hat er ihnen völlige Entscheidungsfreiheit eingeräumt.«

Die Tatsache, dass Christie Chambers ihre Anfrage direkt über die Einsatzverbindung laufen ließ, konnte nur bedeuten, dass der Colonel die Kommandozentrale tatsächlich verlassen hatte. Die Botschaft war unmissverständlich: Wenn Branch schon so verdammt unabhängig war, dann sollte er seinen Kram gefälligst auch selbst erledigen.

»Verstanden«, erwiderte Branch, um Zeit zu gewinnen. Was jetzt? Zurückfliegen? Bleiben? Weiter nach dem vergrabenen Schatz suchen? »Mache mich an nähere Einschätzung der Gegebenheiten«, funkte er. »Werde meine Entscheidung durchgeben. Ende.«

Er hielt den Apache knapp außerhalb der dichten, undurchsichtigen Masse in der Luft und schwenkte die in der Nase des Hubschraubers installierte Kamera und die Sensoren hin und her. Es war, als stünde man dem ersten Atompilz Auge in Auge gegenüber. Wenn er nur etwas sehen könnte! Voller Abneigung der modernen Technologie gegenüber stellte er das Infrarot-Nachtsichtgerät einfach ab, stieß das Okular zur Seite und schaltete die Fahrwerkscheinwerfer ein. Sofort war die geisterhafte Erscheinung der purpurfarbenen Riesenwolke verschwunden.

Jetzt sah Branch, dass sich vor ihm ein Wald erstreckte. Scharf geschnittene Schatten flohen vor dem grellen Scheinwerferlicht. Um den Mittelpunkt des Wäldchens waren die Bäume blattlos. Der in den vorangegangenen Nächten ausgetretene Stickstoff hatte sie entlaubt.

»Großer Gott!« Chambers’ Stimme tat ihm in den Ohren weh.

Im Funknetz brach das reinste Inferno los.

»Was zum Teufel war das denn?«, brüllte jemand.

Branch kannte die Stimme nicht, aber dem Hintergrund nach zu schließen, klang es, als sei in Camp Molly das reinste Tohuwabohu losgebrochen. »Bitte um Wiederholung. Over«, sagte er.

Jetzt meldete sich wieder Chambers: »Sagen Sie nicht, Sie hätten das nicht gesehen. Als Sie die Scheinwerfer einschalteten ...«

Die Zentrale summte und zwitscherte wie eine Schar aufgeregter tropischer Vögel. Jemand schrie: »Holt den Colonel! Auf der Stelle!« Und eine andere Stimme brüllte: »Zurückspulen! Ich will das sofort noch einmal sehen!«

»Was zum Henker ist da los?«, meldete sich McDamels aus dem undifferenzierten Geschnatter.

Branch und seine Piloten warteten und lauschten dem Chaos im Lager. Dann meldete sich eine militärische Stimme. Es war Master Sergeant Jefferson. »Echo Tango, hört ihr mich? Over.«

»Hier Echo Tango an Basis«, antwortete Branch. »Empfang laut und deutlich. Ist Gefahr im Verzug? Over.«

»Einspeisung von LandSat meldet massive Bewegung. Irgendetwas geht da drinnen vor sich. Das Infrarot zeigt einfach nur mehrere unidentifizierbare Bewegungen. Ist bei euch wirklich nichts zu sehen? Over.«

Branch blinzelte durch das Blätterdach. Der Regen lag wie flüssiges Plastik auf seiner Plexiglasscheibe und verwischte ihm die Sicht. Er neigte den Apache, um Ramada ungehinderte Sicht zu verschaffen. Aus dieser Entfernung sah das Gelände zwar toxisch, sonst aber friedlich aus. Er zog ein Stück zur Seite, um einen besseren Ausgangspunkt zu haben, und richtete die Scheinwerfer direkt auf das Ziel. Zulu Vier lag nicht weit vor ihnen, zwischen den wie nackte Spieße aufragenden Stämmen des vernichteten Waldes.

»Dort drüben«, sagte Chambers.

Man musste wissen, wonach man zu suchen hatte. Es war eine große Grube, offen und von Regenwasser überflutet. Auf der Oberfläche des Tümpels schwammen Stöcke. Knochen, schoss es Branch durch den Kopf.

»Können wir eine Vergrößerung bekommen?«, fragte Chambers.

Branch blieb auf Position, während die Spezialisten im Lager am Bild herumfummelten. Dort draußen, hinter dem Plexiglas, lag die Apokalypse: Seuchen, Tod, Krieg. Das komplette Programm, bis auf den letzten Reiter, die Hungersnot. Was um alles in der Welt hast du hier verloren, Elias?

»Das reicht nicht«, beschwerte sich Chambers in seinem Kopfhörer. »Wir vergrößern lediglich die Verzerrung.«

Branch wusste, dass sie ihre Frage wiederholen würde. Es war der logische nächste Schritt. Aber sie kam nicht mehr dazu.

»Da! Schon wieder, Sir!«, kam die Stimme des Master Sergeant über den Funk. »Ich zähle drei, Berichtigung, vier Wärmeechos, Gestalten, die sich bewegen. Ganz deutlich. Sehr lebendig. Bei euch immer noch nichts zu sehen? Over.«

»Nichts. Was denn für Gestalten, Basis? Over.«

»Sehen aus wie etwa menschengroß. Sonst keine Einzelheiten. Der LandSat gibt einfach keine bessere Auflösung her. Wiederhole. Wir haben hier mehrere Gestalten auf dem Schirm, direkt auf dem Gelände oder in nächster Umgebung. Darüber hinaus jedoch keine genauere Bestimmung.«

Branch saß da mit dem vibrierenden Steuerknüppel in der Hand. Auf dem Gelände oder in nächster Umgebung? Branch schwenkte nach rechts, suchte sich einen besseren Beobachtungspunkt, glitt seitwärts, dann höher, ohne auch nur einen Zentimeter dichter heranzugehen. Ramada drosselte das Licht und suchte das Terrain ab. Dann stiegen sie bis über die abgestorbenen Bäume. Direkt von oben gesehen, war die Wasseroberfläche sichtlich aufgewühlt. Es war keine wilde Erschütterung, aber es handelte sich auch nicht um das zarte Wellenkräuseln, das beispielsweise von fallenden Blättern hervorgerufen wird. Dazu war das Muster zu arythmisch. Zu lebhaft.

»Wir beobachten dort unten eine gewisse Bewegung«, gab Branch über Funk weiter. »Ist so etwas auch auf euren Kamerabildern festzustellen, Basis? Over.«

»Sehr gemischte Ergebnisse, Major. Nichts Genaues. Ihr seid zu weit weg.«

Branch beobachtete den Tümpel mit finsterer Miene und versuchte, sich eine logische Erklärung dafür zurechtzuschustern. Nichts auf der Erdoberfläche konnte das Phänomen erläutern. Weder Menschen noch Wölfe noch irgendwelche Aasfresser. Abgesehen von der Bewegung, die die Wasseroberfläche aufwühlte, war das Gebiet absolut leblos. Was auch immer diese Unruhe auslöste, musste sich im Wasser selbst befinden. Fische? Nicht ganz abwegig, denn Flüsse und Bäche waren über die Ufer getreten und erstreckten sich bis in den Wald hinein. Welse womöglich, oder Aale? Jedenfalls musste es sich um Gründlinge handeln, groß genug, um von einer Infrarot-Satellitenaufnahme wahrgenommen zu werden.