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«Nicht — nur so«, erwiderte sie.

«Mit dem Gesetz verheiratet!«, kicherte Mrs. Peters’ Gatte. Er ging auf die Tür zum Vorderzimmer zu und sagte zum Staatsanwalt:»Kommen Sie doch kurz hier rein, George. Wir sollten uns mal diese Fenster ansehen.« «Ach — die Fenster«, sagte der Anwalt spöttisch.

«Wir kommen gleich raus, Mr. Hale«, sagte der Sheriff zu dem Farmer, der immer noch an der Tür wartete.

Hale ging hinaus, um nach den Pferden zu sehen. Der Sheriff folgte dem Staatsanwalt ins andere Zimmer.

Wieder waren die beiden Frauen — für einen kurzen Moment — allein in der Küche.

Martha Hale sprang auf, die Hände fest aneinander gepresst, und sah die andere Frau an, bei der das Geheimnis ruhte. Erst konnte sie ihre Augen nicht sehen, denn die Frau des Sheriffs hatte sich seit der Bemerkung, sie sei mit dem Gesetz verheiratet, nicht wieder umgedreht. Doch nun zwang Mrs. Hale sie dazu, sich umzudrehen. Mit ihrem Blick zwang sie sie dazu.

Langsam, widerstrebend wandte Mrs. Peters den Kopf, bis ihre Augen auf die der anderen trafen. Eine Weile hielten sie einander in einem unverwandten, brennenden Blick fest, bei dem es kein Entrinnen oder Ausweichen gab.

Dann deuteten Martha Hales Augen auf den Korb hinüber, in dem das Ding versteckt war, das mit Sicherheit zur Verurteilung der anderen Frau führen würde — jener Frau, die nicht anwesend und doch während dieser ganzen Stunde bei ihnen gewesen war.

Eine Weile rührte Mrs. Peters sich nicht. Dann schritt sie zur Tat. Sie warf die Stoffteile beiseite, ergriff die Schachtel und versuchte, sie in ihre Handtasche zu stecken. Sie war zu groß. Verzweifelt klappte sie sie auf und wollte den Vogel herausnehmen. Doch dann konnte sie nicht weiter — sie war nicht imstande, den Vogel zu berühren. Hilflos stand sie da, töricht.

Das Geräusch des Türknaufs, der sich an der inneren Tür drehte, war zu hören. Martha Hale entriss der Frau des Sheriffs die Schachtel und stopfte sie in dem Moment in die Tasche ihres Wintermantels, als der Sheriff und der Bezirksstaatsanwalt wieder in die Küche traten.

«Also, Henry«, witzelte der Anwalt,»wenigstens wissen wir jetzt, dass sie es nicht zusammennähen wollte. Sie wollte es — wie nennen Sie das noch mal, meine Damen?« Mrs. Hale hielt die Hand auf die Tasche ihres Mantels gepresst.»Wir nennen es — Knoten knüpfen, Mr. Henderson.«

Der Mann, der wusste wie

von DOROTHY L. SAYERS

Dorothy L(eigh) Sayers (1893–1957) ist eine der bemerkenswertesten und einflussreichsten Persönlichkeiten in der Geschichte der Kriminalliteratur.

Geboren in Oxford, absolvierte sie das Somerville College in Oxford und arbeitete zunächst als Sprachlehrerin, Verlagslektorin und Werbetexterin, bevor sie sich ganz dem Schreiben zuwandte. In Whose Body? (1923; dt. Der Tote in der Badewanne) führte sie einen der berühmtesten» gentleman detectives «der Literaturgeschichte ein — Lord Peter Wimsey, eine Figur im Stil von P. G. Wodehouse, also etwas affektiert in Sprachstil und Gebaren und voll alberner und skurriler Allüren, den sie im Lauf seiner Karriere zu einer viel tiefgründigeren Figur entwickeln sollte. In Strong Poison (1930; dt. Geheimnisvolles Gift) begegnet Wimsey der Romanautorin Harriet Vane, die er erst einmal von einer Anklage wegen Mordes befreit, um ihr (in kühner Missachtung der Regeclass="underline" keine Liebesgeschichten in den Kriminalromanen des Goldenen Zeitalters) durch mehrere Romane hindurch — darunter der Klassiker aus dem Universitätsleben Gaudy Night (1935; dt. Aufruhr in Oxford) — den Hof zu machen und sie in Busman’s Honeymoon (1937, dt. Lord Peters Hochzeitsfahrt), Sayers’ letztem Kriminalroman, schließlich zu ehelichen. Thrones, Dominations (dt. In feiner Gesellschaft. Lord Peters letzter fall), ein Fragment, sollte viele Jahre später von Jill Paton Walsh in bemerkenswerter Werktreue vollendet und 1998 unter gemeinsamer Urheberschaft veröffentlicht werden.

Über Sayers, die in den siebziger Jahren teils aufgrund ihrer persönlichen Unabhängigkeit, teils aufgrund ihrer Schöpfung von Harriet Vane zu einer Ikone des Feminismus wurde, wurden mehr Biografien und kritische Untersuchungen verfasst als über jede andere Kriminalautorin des Goldenen Zeitalters mit Ausnahme von Agatha Christie, und in ihrer Hingabe an die spielerischen Elemente des Kriminalromans fand sie kaum ihresgleichen. Dennoch wandte sie sich später von der Kriminalliteratur ab zugunsten anderer literarischer Bestrebungen, darunter einige hoch gerühmte religiöse Dramen und eine Dante-Übersetzung.

Dorothy L. Sayers schrieb eine Reihe von Kurzgeschichten über Lord Peter Wimsey, doch kommen ihre besten kürzeren Arbeiten ohne einen Seriendetektiv aus. In» Der Mann, der wusste wie «gelingt es Sayers, sich auf geistreiche Weise über ihre spezielle Art des Detektivromans zu äußern und dazu eine Situation zu entwickeln, die leicht den Titel einer anderen ihrer besten Kurzgeschichten hätte tragen können:»Suspicion«(1933; dt. Die Giftmischerin).

«Der Mann, der wusste wie «ist die Art von Kriminalgeschichte, die sich ausgezeichnet für eine Rundfunkfassung eignet, so etwa in der denkwürdigen Adaption für die Hörfunkreihe Suspense mit Charles Laughton als Pender und Hans Conreid in der Titelrolle.

Mindestens zum zwanzigsten Mal, seit der Zug Carlisle verlassen hatte, sah Pender vom» Mord im Pfarrhaus «auf, und jedes Mal begegneten seine Augen denen des Mannes, der ihm gegenübersaß.

Er runzelte ein wenig die Stirn. Es war irritierend, so unablässig beobachtet zu werden; und immer mit diesem leichten, höhnischen Lächeln. Noch irritierender war, dass man sich dadurch derart stören ließ. Pender wandte sich wieder seinem Buch zu, fest entschlossen, sich auf den ermordeten Geistlichen in der Bibliothek zu konzentrieren.

Unglücklicherweise handelte es sich um eine dieser hochgestochenen Geschichten, in denen sich sämtliche aufregenden Ereignisse in dem ersten Kapitel zusammenballen, um sich dann in endlosen Schlussfolgerungen fortzusetzen und schließlich mit einer wissenschaftlichen Lösung zu enden. Der dünne Faden seines Interesses, auf dem Rad von Penders unkonzentriert arbeitendem Gehirn gesponnen, war endgültig abgerissen.

Zweimal hatte er entscheidende Wendungen in der Geschichte einfach überlesen. Schließlich wurde ihm bewusst, dass seine Augen drei Seiten lang Buchstaben für Buchstaben aufgenommen hatten, ohne das Geringste von ihrem Sinn seinem Verstand mitzuteilen. Seine Gedanken beschäftigten sich nicht im Entferntesten mit dem ermordeten Geistlichen — an die Oberfläche seines Bewusstseins trat immer klarer das Gesicht des anderen Mannes. Ein merkwürdiges Gesicht, dachte Pender.

Die Gesichtszüge an sich waren nicht außergewöhnlich; ihr Ausdruck war es, der Pender Furcht einflößte. Dieses Gesicht gehörte zu einem Menschen, der zum Schaden seiner Zeitgenossen eine ganze Menge wusste. Der leicht gekrümmte Mund presste sich in den faltigen Winkeln fest aufeinander, so, als ob er sich Mühe gäbe, ein geheimes Vergnügen zu verbergen. Die Augen hinter dem randlosen Kneifer glitzerten neugierig. Doch dieser Eindruck konnte sehr wohl durch Lichtreflexe auf den Gläsern entstanden sein. Pender versuchte zu erraten, was für einem Beruf der Mann nachgehen mochte. Er war mit einem dunklen Gesellschaftsanzug, einem Regenmantel und mit einem schäbigen, weichen Hut bekleidet.