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Pender räusperte sich überflüssigerweise, rückte sich in seiner Ecke zurecht und hob seinen Kriminalroman hoch vor sein Gesicht, auf eine Art, als ob er eine Barriere zwischen sich und seinem Gegenüber errichten wollte.

Das war mehr als sinnlos. Er fühlte deutlich, dass der Mann dieses Manöver durchschaute und dass es ihn obendrein noch amüsierte. Ein unwiderstehliches Verlangen erfüllte ihn, unruhig auf seinem Platz hin und her zu rücken. Er wusste, dass es absurd war, doch in seiner Einbildung hätte das für seinen Quälgeist den Sieg bedeutet. Dieses Bewusstsein zwang ihn in einen so angespannten und verkrampften Zustand, dass es geradezu eine physische Unmöglichkeit für ihn wurde, seine Aufmerksamkeit auf das Buch zu konzentrieren.

Vor Rugby kam keine Station mehr, und es war unwahrscheinlich, dass irgendein Mitreisender vom Gang her das Abteil betreten würde, um diese unerfreuliche Zweisamkeit zu beenden. Aber irgendetwas musste geschehen. Das Schweigen hatte so lange zwischen ihnen gelastet, dass jede noch so triviale Bemerkung wie das Rasseln einer Alarmglocke in die gespannte Atmosphäre hineinplatzen würde. So empfand es jedenfalls Pender.

Man könnte natürlich einfach auf den Gang hinausgehen und nicht wieder zurückkehren, aber das würde ein klares Eingeständnis der Niederlage sein. Pender ließ den» Mord im Pfarrhaus «sinken.

«Genug davon?«, fragte der Mann.

«Nachtreisen sind immer ein bisschen langweilig«, gab Pender halb erleichtert, halb widerwillig zurück.

«Möchten Sie ein Buch?« Er holte» The Paper-Clip Clue «aus seiner Diplomatentasche heraus und hielt es ihm hoffnungsvoll entgegen. Der andere Mann warf einen flüchtigen Blick auf den Titel und schüttelte den Kopf.

«Vielen Dank«, sagte er,»aber ich lese niemals Kriminalromane. Sie sind so — unzulänglich, finden Sie nicht?« «Sicherlich fehlt ihnen manchmal Charakteristik und menschliches Interesse«, entgegnete Pender.»Doch auf einer Eisenbahnfahrt — « «Das ist es nicht, was ich meine«, fiel ihm sein Gegenüber ins Wort.»Ich bin nicht interessiert an der menschlichen Natur. Aber alle diese Mörder sind so unfähig — sie langweilen mich.« «Na, ich weiß nicht …«, widersprach Pender,»auf jeden Fall haben sie meist mehr Phantasie und Scharfsinn als die Mörder im wirklichen Leben.« «Als die Mörder, die im wirklichen Leben entdeckt werden — ja«, gab der Mann zu.

«Sogar einige von denen machten ihre Sache recht geschickt, bevor sie erwischt wurden«, wandte Pender ein.

«Grippen, zum Beispiel. Er wäre nie geschnappt worden, wenn er nicht den Kopf verloren hätte und nach Amerika durchgebrannt wäre. Dann — George Joseph Smith. Er lebte recht erfolgreich, sogar mit zwei Bräuten, bevor ihm das Schicksal und die News of the World ein Bein stellten.« «Das schon«, sagte der andere Mann.»Aber sehen Sie denn nicht die Unbeholfenheit, den ganzen komplizierten Aufbau, die Lügen, das überflüssige Drum und Dran?« «Aber ich bitte Sie!«, widersprach Pender.»Die können schließlich nicht erwarten, einen Mord zu begehen und dann so simpel weiterzuleben, als wäre nichts geschehen!« «Ah! Das ist also Ihre Meinung?«, fragte der Mann.

Pender wartete darauf, wie er diese Bemerkung weiter ausbauen würde, aber es folgte nichts mehr. Der Mann lehnte sich zurück und lächelte in seiner geheimnisvollen Art zur Decke des Abteils hinauf. Er machte den Eindruck, als ob er die Unterhaltung nicht für interessant genug hielte, um sie weiterzuführen. Pender, der wieder sein Buch aufnahm, ertappte sich dabei, wie er aufmerksam die Hände seines Reisegenossen betrachtete.

Sie waren blass und überraschend langfingrig. Fasziniert beobachtete er, wie sie sanft die Knie ihres Besitzers tätschelten. Er wandte resolut eine Seite seines Buches um — dann legte er das Buch wieder weg und sagte:»Gut, wenn es so leicht ist, wie würden dann Sie einen Mord arrangieren?« «Ich?«, wiederholte der Mann. Das Licht, das auf die Gläser seines Kneifers fiel, ließ seine Augen völlig ausdruckslos erscheinen, aber seine Stimme klang leicht amüsiert.»Das ist etwas anderes. Ich müsste nicht zweimal darüber nachdenken.« «Warum nicht?« «Weil ich zufällig weiß, wie man es macht.« «Ah! Tatsächlich?« «Oh, da gehört nicht viel dazu.« «Wie können Sie sich dessen so sicher sein? Ich nehme nicht an, dass Sie es ausprobiert haben?« «Das ist nicht eine Sache des Ausprobierens«, meinte der Mann.

«An meiner Methode ist nichts Aufregendes, das ist gerade das Schöne dabei.« «Das kann man leicht sagen«, winkte Pender spöttisch ab.

«Wollen Sie mir Ihre wundervolle Methode nicht verraten?« «Das können Sie wohl nicht im Ernst von mir erwarten, nicht wahr?«, sagte der Mann und musterte Pender fast neugierig.»Das könnte gefährlich sein. Sie sehen zwar harmlos aus, aber wer könnte noch harmloser als Crippen ausschauen? Niemand ist so beschaffen, dass man ihm die absolute Macht über das Leben anderer Menschen anvertrauen könnte.« «Unsinn!«, ereiferte sich Pender.»Ich würde nie auch nur daran denken, jemanden zu ermorden!« «O doch. Sie würden«, beharrte der Mann.»Wenn Sie wirklich daran glaubten, dass es ungefährlich für Sie wäre!

Sie und jeder andere. Warum denken Sie wohl, dass von Kirche und Staat um den Mord alle diese ungeheuer kunstreichen Barrieren aufgebaut wurden? Genau deshalb, weil es sich um ein Verbrechen handelt, zu dem jedermann fähig ist — das so natürlich ist wie das Atmen.« «Aber das ist doch absurd!«, rief Pender erregt.

«So? Meinen Sie? Genau das würden die meisten Leute sagen. Aber ich würde keinem von ihnen trauen. Nicht, wenn sie im Besitz von Sulfaten des Thanatol sind, das man übrigens für zwei Pence in jeder Drogerie kaufen kann.« «Sulfate von was?«, fragte Pender scharf.

«Oho! Sie bilden sich wohl ein, dass ich etwas verrate?

Nun, es ist eine Mischung von diesem und jenem oder zwei anderen Dingen — alle gleich gebräuchlich und billig.

Für neun Pence könnte man genug davon erwerben, um das gesamte Parlament zu vergiften. Aber das wäre natürlich dumm, die ganze Clique auf einmal zu beseitigen; es könnte ein bisschen komisch aussehen, wenn sie alle auf die gleiche Weise in ihren Badewannen sterben würden.« «Wieso in ihren Badewannen?« «Weil das die Art ist, wie es sie erwischen würde. Es ist die Funktion des heißen Wassers, das die Wirkung von dem Zeug hervorbringt, verstehen Sie? Jederzeit, zwischen ein paar Stunden und einigen Tagen, nachdem die Droge eingenommen wurde. Es ist eine völlig einfache, chemische Reaktion, und es gibt keine Möglichkeit der Entdeckung bei einer Untersuchung. Es würde genau wie ein Herzschlag aussehen.« Pender starrte ihn misstrauisch an. Er konnte dieses Lächeln nicht ausstehen. Es war nicht nur ironisch, es war blasiert, fast schadenfroh — triumphierend! Er konnte keine wirklich passende Bezeichnung dafür finden.

«Wissen Sie«, fuhr der Mann fort, nachdenklich eine Pfeife aus seiner Jackentasche holend. Er begann sie umständlich zu stopfen,»es ist eigentlich komisch, wie oft man liest, dass Leute tot in ihren Badewannen aufgefunden wurden. Es muss ein recht häufiger Unfall sein. Direkt verlockend. Letzten Endes hat ein Mord etwas Faszinierendes an sich. Die Idee wächst in einem — nimmt von dem ganzen Menschen Besitz … Das heißt, ich stelle es mir so vor, verstehen Sie?« «Sehr wahrscheinlich, dass es so ist«, sagte Pender lahm.

«Denken Sie an Palmer. Erinnern Sie sich an Gesina Gottfried. Denken Sie an Armstrong. Nein! Ich würde niemandem in der Welt trauen, der diese chemische Formel kennt. Nicht einmal einem so tugendhaften jungen Mann wie Ihnen.« Die langen weißen Finger klopften den Tabak nachdrücklich in den Pfeifenkopf und zündeten ein Streichholz an.

«Aber wie ist es mit Ihnen?«, fragte Pender verwirrt. Er war verärgert. Niemand legt Wert darauf, als tugendhafter junger Mann bezeichnet zu werden.»Wenn niemand so beschaffen ist, dass man ihm vertrauen kann — « «Dann bin ich es auch nicht, wie?«, beendete der Mann Penders angefangenen Satz.»Well — das ist richtig. Aber das hieße das Thema wiederkäuen, nicht wahr? Ich kenne die Formel, und das kann ich nicht ungeschehen machen.