Ein Polizist bahnte sich einen Weg durch den Menschenauflauf, der sich um die beiden angesammelt hatte.
«He!«, sagte er streng.»Was ist denn hier los?« Smith tupfte sich mit dem Zeigefinger auf die Stirn.
«Nicht weiter wichtig, Officer«, sagte er.»Dieser Herr scheint der Ansicht zu sein, dass ich eine schlechte Rolle in diesem Fall spielte. Hier ist meine Karte. Der Untersuchungsrichter kennt mich. Der Herr hier griff mich an. Es wird gut sein, wenn Sie ihn im Auge behalten.« «Das stimmt«, sagte einer der Umstehenden.
«Dieser Mann versuchte mich zu ermorden«, erklärte Pender.
Der Polizist nickte.
«Lassen Sie es gut sein, Sir«, riet er.»Sie werden es sich noch anders überlegen. Die Hitze dort drinnen hat Sie vermutlich durcheinander gebracht. Ist schon gut, ist schon gut.« «Aber ich bestehe darauf, dass er verhaftet wird«, beharrte Pender.
«Das würde ich an Ihrer Stelle bleiben lassen«, meinte der Polizeibeamte gutmütig.
«Aber wenn ich Ihnen sage, dass dieser Mann versucht hat, mich zu vergiften! Er ist ein Mörder. Er hat eine ganze Anzahl von Menschen vergiftet!« Der Beamte zwinkerte Smith zu.
«Das Beste ist, Sie fahren jetzt, Sir«, sagte er.»Ich werde das schon in Ordnung bringen. Nun, mein Freund« — er hielt Pender mit hartem Griff am Arm fest —»jetzt beruhigen Sie sich erst mal. Dieser Herr heißt nicht Smith.
Sie haben das irgendwie verwechselt.« «Gut. Aber wie heißt er denn?«, verlangte Pender zu wissen.
«Das tut nichts zur Sache«, antwortete der Polizist.»Sie lassen ihn besser in Ruhe, oder Sie werden sich eine Menge Schwierigkeiten machen.« Das Taxi war inzwischen weggefahren. Pender blickte verwirrt in die amüsierten Gesichter der Umstehenden.
«Also gut, Officer«, sagte er schließlich.»Ich habe nicht die geringste Absicht, Ihnen Schwierigkeiten zu machen.
Ich will mit Ihnen zur Polizeistation gehen und dort die Sache erklären.« «Was halten Sie von dem?«, fragte der Inspektor den Sergeanten, nachdem Pender aus der Polizeistation hinausgestolpert war.
«Der hat nicht alle Tassen im Schrank, wenn Sie mich nach meiner Meinung fragen«, antwortete sein Untergebener.»Muss so was wie ’ne fixe Idee haben, oder wie man das nennt.« «Hm«, machte der Inspektor.»Wir haben jedenfalls seinen Namen und die Adresse notiert. Kann sein, dass er noch mal irgendwo auftaucht. Leute vergiften, so dass sie sterben, wenn sie ein heißes Bad nehmen! Was für eine Idee, wie? Das ist kein schlechter Witz. Man muss sich nur wundern, was sich diese Halbverrückten alles ausdenken!« Der Frühling zeigte sich dieses Jahr kalt und neblig. Es war im März, als Pender zu einer gerichtlichen Untersuchung nach Deptford fuhr. Eine so undurchdringliche Nebeldecke lag über dem Fluss, dass man hätte glauben können, es wäre November. Die Kälte fraß sich einem bis auf die Knochen durch. Der schäbige kleine Gerichtssaal war in ein gelbes Zwielicht getaucht.
Pender konnte kaum die Zeugen erkennen, als sie vor den Richtertisch traten. Jedermann schien erkältet zu sein.
Auch Pender hustete. Seine Knochen schmerzten ihn, und er hatte ein Gefühl, als ob er demnächst Grippe bekommen würde.
Er strengte seine Augen an, da er glaubte, auf der anderen Seite des Raumes ein Gesicht erkannt zu haben.
Aber der schmierige Nebel, der durch jede Spalte eindrang, reizte und blendete seine Augen. Er steckte tastend seine Hand in die Manteltasche. Sie schloss sich beruhigt um etwas Dickes und Schweres. Seit jenem denkwürdigen Tag in Lincoln hatte er beschlossen, sich zu seinem eigenen Schutz zu bewaffnen. Ein Revolver kam nicht in Frage — er verstand nicht mit Feuerwaffen umzugehen. Ein Schlagring eignete sich viel besser zu diesem Zweck. Er hatte ihn von einem alten Mann gekauft, der mit einem Handkarren herumzog.
Wieder einmal hatte es mit dem unvermeidlichen Wahrspruch der Jury geendet. Die Besucher drängten aus dem Raum hinaus. Pender musste sich beeilen, wenn er seinen Mann nicht aus den Augen verlieren wollte. An der Tür war er ihm fast so nahe gekommen, dass er ihn hätte berühren können, aber eine dicke Frau schob sich dazwischen. Er drängte sie vorwärts, und sie gab einen leisen Laut der Entrüstung von sich. Der Mann vor ihm wandte den Kopf. Das Licht über der Tür reflektierte in seinen Kneifergläsern.
Pender zog hastig seinen Hut tiefer in die Stirn und folgte ihm. Seine Schuhe hatten Gummisohlen und machten keinerlei Geräusch auf dem Pflaster des Bürgersteigs. Der Mann ging, ohne sich ein einziges Mal umzusehen, die Straße hinauf und bog nach einiger Zeit in eine andere ein. Der Nebel war so undurchdringlich, dass Pender gezwungen war, ihm in nur wenigen Schritten Abstand zu folgen. Wohin mochte er gehen? Würde er in eine beleuchtete Straße einbiegen? Oder wollte er mit dem Bus oder der Straßenbahn heimfahren? Nein. Jetzt bog er rechts in eine schmale Gasse ein.
Der Nebel war hier womöglich noch dichter. Pender konnte sein Wild nicht mehr sehen, aber er konnte die Schritte vor sich hören, wie sie im gleichmäßigen Rhythmus ihren Weg verfolgten. Das seltsame Gefühl ergriff ihn, als ob nur er und dieser Mann allein auf der Welt wären — Jäger und Gejagter, Rächer und Schuldiger.
Die Straße begann sich sanft zu neigen.
Ganz plötzlich wichen die schattenhaften Umrisse der Häuser an beiden Seiten zurück. Ein offener Platz, mit einer undeutlich sichtbaren Lampe in der Mitte, tauchte durch den Nebel auf. Die Schritte verstummten. Pender, sich in lautloser Eile nähernd, sah, wie der Mann dicht an der Lampe stand. Offensichtlich suchte er etwas in seinem Notizbuch.
Vier Schritte — und Pender stand dicht hinter ihm. Er zog den Schlagring aus der Manteltasche.
Der Mann hob den Kopf.
«Diesmal habe ich dich«, sagte Pender und schlug mit ganzer Kraft zu.
Pender hatte sich nicht getäuscht, er bekam wirklich Grippe. Es verging eine ganze Woche, bis er wieder ausgehen konnte. Das Wetter hatte sich geändert, und die Luft war von einer süßen Frische. Anstatt sich nach der Krankheit schwach zu fühlen, war ihm, als ob man ein schweres Gewicht von seinen Schultern genommen hätte.
Er schlenderte zu seinem bevorzugten Buchladen am Strand und erwarb eine Erstausgabe von D. H. Lawrence zu einem Preis, den man einen guten Handel nennen konnte. Durch den günstigen Einkauf in gute Laune versetzt, betrat er ein billiges kleines Restaurant, das in der Hauptsache von Journalisten aufgesucht wurde, und bestellte sich ein Kotelett vom Grill und einen halben Krug Bier.
Am Tisch nebenan saßen zwei Journalisten.
«Gehst du zur Beerdigung vom armen alten Buckley?«, fragte der eine.
«Ja«, entgegnete der andere.»Armer Teufel! Eine Gemeinheit, auf diese Weise niedergeschlagen zu werden.
Er muss auf dem Weg zu dem Interview mit der Witwe von dem Burschen gewesen sein, der in der Badewanne starb. Das ist ein übles Viertel. Vermutlich war es einer von der Jimmy-Card-Bande. Er war ein großartiger Kriminalreporter — so einen bekommen sie nicht gleich wieder.« «Und außerdem einer von den anständigen. Ein verlässlicher Bursche. Keiner von denen, die einen hereinlegen, wo sie nur können. Erinnerst du dich an seine sensationelle Story über Sulfate des Thanatol?« Pender erstarrte. Das war der Name, den er seit vielen Monaten suchte. Ein merkwürdiges Schwindelgefühl ergriff ihn. Er nahm einen Schluck von dem Bier, um sich zu beruhigen.
«… schaute dich durchdringend wie ein Richter an«, redete der Journalist weiter.»Er pflegte diesen Trick auf seinen Reisen auszuprobieren, wenn er mit so einem armen Burschen allein im Abteil war. Wollte sehen, wie sie es aufnehmen. Du wirst es kaum glauben, aber einer hat ihm doch tatsächlich angeboten …« «He!«, unterbrach ihn sein Freund.»Der Kerl da drüben ist ohnmächtig geworden. Fiel mir vorher schon auf, wie blass er war.«