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…« Das Telefon klingelte.

«Lassen Sie mich doch mal drangehen«, regte Mike an und tat es.

«Hallo?«, sagte er mit gewinnender Stimme. Er hörte zu, lächelte seine Gastgeberin dabei an.»Ich fürchte — «, begann er.»He, Moment mal — ja, aber — «Sein Gesicht wurde ausdruckslos und selbstzufrieden.»Sir«, sagte er gleich darauf,»darf ich Ihre Bestellung wiederholen?

Immer auf Nummer Sicher, ja? Harrow Gardens Nummer 11, Sloane Square, einen Koffer zur sofortigen Ablieferung im Jupiter-Theater an Mr. Anthony Gill. In Ordnung, Sir. Danke, Sir. Wird bei Lieferung bezahlt.

Selbstverständlich.« Er legte den Hörer auf und strahlte die Alleyns an.

«Was zum Teufel hecken Sie denn da aus?«, fragte Alleyn.

«Er wollte einfach nicht vernünftig zuhören. Ich habe versucht, es ihm zu erklären.« «Aber vielleicht ist es dringend«, stieß Mrs. Alleyn hervor.

«Es könnte gar nicht dringender sein. Es handelt sich um einen Koffer für Tony Gill im Jupiter-Theater.« «Na, dann — « «Ich war mit dem Kerl zusammen in Eton«, erinnerte sich Mike.

«Er ist vier Jahre älter als ich, war also natürlich furchtbar wichtig, während ich bloß der letzte Dreck war.

Dem werd ich’s zeigen.« «Am besten geben Sie die Bestellung ganz schnell durch«, sagte Alleyn entschieden.

«Eigentlich dachte ich eher daran, sie selbst auszuführen, Sir. Es wäre doch ein total raffinierter Weg, sich in die Vorstellung zu schmuggeln, oder? Ich habe versucht, eine Karte zu besorgen, aber es war schon komplett ausverkauft.« «Wenn Sie den Koffer abliefern wollen, müssen Sie sich jetzt aber beeilen.« «Es ist auf jeden Fall ein Anlass, sich zu verkleiden, meinen Sie nicht? Übrigens«, wagte sich Mike zaghaft vor,»fänden Sie es schrecklich unverschämt, wenn ich – nun, ich verspreche auch, alles zurückzubringen. Ich meine nur — « «Wollen Sie damit etwa andeuten, meine Sachen sehen eher wie die eines Boten aus als Ihre?« «Ich dachte mir, Sie hätten vielleicht Sachen …« «Meine Güte, Rory«, sagte Mrs. Alleyn,»jetzt verkleide ihn und lass ihn gehen. Das Wichtigste ist doch, dass der arme Kerl seinen Koffer bekommt.« «Ich weiß«, sagte Mike ernst.»Das ist furchtbar nett von Ihnen. Ehrlich.« Alleyn nahm ihn mit und verpasste ihm einen schmutzigen alten Regenmantel, eine Arbeitermütze und einen dicken Schal.»Damit könnten Sie allerdings nicht mal einen Dorftrottel bei totaler Sonnenfinsternis hinters Licht führen«, sagte er.»Und jetzt raus mit Ihnen.« Er sah dem davonfahrenden Mike hinterher und kehrte zu seiner Frau zurück.

«Was wohl passiert?«, fragte sie.

«So, wie ich Mike kenne, kriegt er einen Platz vorn im Parkett und geht danach mit der Hauptdarstellerin essen.

Das ist übrigens Coralie Bourne. Da sie überaus liebreizend ist und zwanzig Jahre älter als er, wird er sich höchstwahrscheinlich in sie verlieben. «Alleyn griff nach seiner Tabakdose und hielt inne.»Ich frage mich, was aus ihrem Ehemann geworden ist«, sagte er.

«Wer war das?« «Ein ganz außergewöhnlicher Kerl. Benjamin Wlasnoff.

Ziemlich gewalttätig veranlagt. Sah aus wie ein Bandit.

Hat zwei sehr gute Stücke geschrieben und wurde dreimal wegen tätlicher Angriffe eingebuchtet. Sie wollte sich von ihm scheiden lassen, doch daraus wurde nichts. Danach ist er, glaube ich, nach Russland abgehauen. «Alleyn gähnte.

«Für sie war es die Hölle mit ihm, glaube ich.« «Nacht-Lieferdienst«, sagte Mike mit heiserer Stimme, die Hand an der Mütze.»Koffer. Ein Stück.« «Da sind Sie ja«, sagte die Frau, die ihm aufgemacht hatte.

«Aber vorsichtig tragen, er ist nämlich nicht abgeschlossen. Sonst springt der Verschluss auf.« «Danke schön«, sagte Mike.»Sehr verbunden. Ganz schön kalt, was?« Er brachte den Koffer zum Wagen hinaus.

Es war ein frischer Frühlingsabend. Sloane Square war nebelverhangen, und sämtliche Straßenlaternen hatten einen Heiligenschein. Es war die Art von Abend, wo sich aus dem Stimmengewirr Londons einzelne Laute lösen: Sirenen heulten hohl und gebieterisch den Fluss hinunter, und in den Chelsea Barracks erklang ein Signalhorn. Ein Abend, dachte Mike, wie geschaffen für Abenteuer.

Er öffnete den hinteren Wagenschlag und hievte den Koffer hinein. Der Verschluss flog auf, der Deckel klappte zurück, und der gesamte Inhalt fiel heraus.»Verdammt!«, sagte Mike und knipste das innere Wagenlicht an.

Auf dem Wagenboden lag ein falscher Bart.

Er war flammend rot und buschig und auf einem Kinnstück angebracht. Daran angearbeitet war ein versteifter Schnurrbart. Das Ganze ließ sich mit Drahtbügeln hinter den Ohren befestigen. Mike legte das Gebilde behutsam auf den Sitz. Als Nächstes nahm er einen breitkrempigen schwarzen Hut zur Hand, dann einen geräumigen Mantel mit Pelzkragen und schließlich ein Paar schwarze Handschuhe.

Mike pfiff nachdenklich durch die Zähne und schob die Hände in die Taschen von Alleyns Regenmantel. Die Finger seiner Rechten stießen auf eine Visitenkarte. Er zog sie hervor.»Chief Inspector Alleyn«, las er,»Abteilung für Verbrechensbekämpfung. New Scotland Yard.« «Na, so was«, frohlockte Mike,»das ist ja ein Geschenk des Himmels.« Zehn Minuten später wurde ein Wagen so nah wie möglich beim Jupiter-Theater auf dem Bordstein geparkt.

Eine Gestalt mit einem Koffer in der Hand stieg aus, schritt rasch die Hawke Street hinunter und bog in die schmale Gasse zur Bühnenpforte ein. Als sie unter der schmutzigen Straßenlaterne vorbeiging und stehen blieb, wirkte sie in der schummrigen Beleuchtung wie die Illustration zu einer Spionagegeschichte aus der Zeit der Jahrhundertwende. Das Gesicht lag vollkommen im Schatten, eine schwarze Höhle, aus der sich als einziger Farbtupfer das Rechteck eines grellroten Bartes abhob.

Der Pförtner, der mit einem Bühnenarbeiter gerade Luft schnappte, trat vor und starrte den Fremden neugierig an.

«Wolln Sie irgendwas?« «Ich bringe Mr. Gill den Koffer hier.« «Der ist vorn. Sie können ihn bei mir lassen.« «Tut mir wirklich Leid«, versetzte die Stimme hinter dem Bart,»aber ich habe versprochen, ihn selbst in die Garderobe zu bringen.« «Dann müssen Sie ihn hier abgeben. Tut mir Leid, mein Herr, aber ohne Ausweis kommt hinten niemand rein.« «Ausweis? Na gut. Hier ist meine Karte.« Er hielt sie ihm in der schwarz behandschuhten Hand hin. Der Pförtner, widerwillig den Blick von dem Bart lösend, nahm die Karte und begutachtete sie im Lichtschein.»Menschenskind!«, sagte er.»Was ist denn los, Chef?« «Egal. Behalten Sie die Sache für sich.« Die Gestalt winkte und ging durch die Tür.»He!«, sagte der Pförtner aufgeregt zu dem Bühnenarbeiter,»schau dir das mal an. Das ist doch ein Kriminaler in Zivil!« «Das soll Zivil sein?«, versetzte der Bühnenarbeiter.

«Von wegen!« «Der ist verkleidet«, sagte der Pförtner.»Ist doch logisch. Der hat sich verkleidet.« «Hinterm Schnurrbart versteckt hat er sich, wenn du mich fragst.« Draußen auf der Bühne sagte jemand gerade mit klarer, wunderbar deutlicher Stimme:» Ich fand die Aussicht aus diesen Fenstern schon immer abstoßend. Aber wenn einem so was gefällt. Verdammt, mach das Licht aus. Schau mal einer an. « «Aufgepasst jetzt, aufgepasst«, flüsterte eine Stimme so dicht neben Mike, dass dieser zusammenfuhr.»Okay«, sagte eine zweite Stimme irgendwo über seinem Kopf. Die Bühnenscheinwerfer wurden blau.»Weg mit dem Arbeitslicht.«—»Arbeitslicht ist aus.« Auf der Bühne wurden Vorhänge beiseite gezerrt, ein Fenster flog auf. Ein Schauspieler erschien, beugte sich ganz dicht neben Mike heraus, schien ihm ins Gesicht zu sehen und sagte ganz deutlich:»Gott, ist das grässlich!« Mike wich in einen Durchgang zurück, der nur vom Licht aus einer offenen Tür erleuchtet war. Vor der Bühne brach Getöse aus.»Beleuchtung im Zuschauerraum«, sagte die scharfe Stimme. Mike bog in den Durchgang ein. Im gleichen Moment trat jemand aus der Tür, und er sah sich plötzlich Coralie Bourne gegenüber, wunderschön gekleidet und stark geschminkt.