An diesem Morgen war nichts gekommen außer der Werbebroschüre eines New Yorker Kaufhauses und ihrer New Yorker Zeitung, die unregelmäßig einen bis vier Tage später eintraf, als sie eigentlich sollte, so dass die Allisons an manchen Tagen drei Zeitungen hatten und häufig gar keine. Obwohl Mrs. Allison sich ebenso sehr wie ihr Mann darüber ärgerte, keine Post zu bekommen, wo sie beide doch so darauf warteten, schmökerte sie hingebungsvoll in der Kaufhauswerbung und nahm sich vor, sobald sie wieder in New York war, dem Geschäft einen Besuch abzustatten und sich das Sonderangebot an Wolldecken genau anzusehen. Heutzutage war es nicht leicht, hochwertige Decken in hübschen Farben zu finden.
Sie überlegte, ob sie die Broschüre zur Erinnerung aufheben sollte, doch nachdem sie mit dem Gedanken gespielt hatte, aufzustehen und ins Haus zu gehen, um sie irgendwo sicher zu verstauen, ließ sie sie neben ihrem Liegestuhl ins Gras fallen und legte sich zurück, die Augen halb geschlossen.
«Sieht aus, als bekämen wir Regen«, sagte Mr. Allison und blinzelte in den Himmel.
«Gut für die Ernte«, meinte Mrs. Allison lakonisch, und beide lachten.
Der Petroleummann kam am nächsten Morgen, während Mr. Allison gerade die Post holte. Sie hatten kaum noch Petroleum, und Mrs. Allison begrüßte den Mann freudig, der Brennstoff und Blockeis verkaufte und während des Sommers auch den Müll der Sommerleute abfuhr. Einen Müllmann brauchten nur die sorglosen Stadtleute; Landbewohner hatten keinen Abfall.
«Wie schön, Sie zu sehen«, sagte Mrs. Allison zu ihm.
«Wir haben gar nicht mehr viel.« Der Petroleummann, dessen Namen Mrs. Allison nie erfahren hatte, benutzte eine Schlauchvorrichtung zum Füllen des Fünfundsiebzig-Liter-Tanks, der die Allisons mit Licht, Wärme und Kochmöglichkeiten versorgte.
Heute jedoch, statt schwungvoll aus seinem Laster zu steigen und den Schlauch, der sich um das Führerhäuschen wand, vom Haken zu nehmen, starrte der Mann Mrs. Allison bei laufendem Motor bloß verlegen an.
«Ich hab gedacht, ihr Leute fahrt ab«, sagte er.
«Wir bleiben noch einen Monat«, versetzte Mrs. Allison fröhlich.»Das Wetter war so schön, da dachten wir — « «Hat man mir gesagt«, meinte der Mann.»Kann Ihnen aber kein Öl geben.« «Was soll das heißen?«Mrs.
Allison blickte ihn verblüfft an.
«Wir bleiben einfach bei unserer regulären — « «Labor Day ist vorbei«, meinte der Mann.»Nach Labor Day krieg ich selber nicht so viel Öl rein.« Wie so häufig bei Unstimmigkeiten mit ihren Nachbarn, rief Mrs.
Allison sich in Erinnerung, dass man mit Großstadtallüren bei den Leuten auf dem Land nicht weit kam. Man konnte nicht erwarten, einen Angestellten auf dem Lande wie einen städtischen Arbeiter umstimmen zu können, und so sagte sie mit einem gewinnenden Lächeln:
«Können Sie denn aber kein Extraöl bekommen, wenigstens solange wir hier sind?« «Sehen Sie. «Beim Sprechen trommelte der Mann mit dem Finger auf das Lenkrad, was ziemlich enervierend war.»Sehen Sie«, sagte er bedächtig,»ich bestell das Öl.
Ich bestell es aus vielleicht fünfzig, fünfundfünfzig Meilen Entfernung. Ich bestell schon im Juni so viel, wie ich für den Sommer brauch. Und dann bestell ich noch mal … äh, so im November. Jetzt um die Zeit wird’s allmählich knapp. «Als wäre das Thema damit erledigt, hörte er auf, mit dem Finger zu trommeln, und packte das Lenkrad etwas fester, bereit zur Abfahrt.
«Aber können Sie uns nicht wenigstens ein bisschen geben?«, bat Mrs. Allison.»Gibt’s denn sonst niemand?« «Wüsste nicht, wo Sie um diese Zeit sonst Öl herkriegen könnten«, sagte der Mann nachdenklich.»Ich kann Ihnen jedenfalls nichts geben. «Bevor Mrs. Allison etwas sagen konnte, begann sich der Laster in Bewegung zu setzen.
Dann blieb er kurz stehen, und der Mann sah durchs Rückfenster des Führerhäuschens zu ihr hinaus.»Eis?«, rief er.»Eis kann ich Ihnen dalassen.« Mrs. Allison schüttelte den Kopf; an Eis waren sie nicht so knapp, und sie war wütend. Sie lief dem Laster ein paar Schritte nach und rief:»Können Sie versuchen, uns welches zu besorgen? Nächste Woche?« «Kann ich mir nicht vorstellen«, sagte der Mann.»Nach Labor Day ist es schwerer. «Der Laster fuhr davon, und Mrs. Allison, nur von dem Gedanken getröstet, dass sie wahrscheinlich von Mr. Babcock Petroleum bekommen konnte oder schlimmstenfalls von den Halls, sah ihm wütend hinterher.»Nächsten Sommer«, sagte sie bei sich, « der soll es nächsten Sommer bloß noch mal bei uns versuchen!« Wieder war keine Post gekommen, nur die Zeitung, die anscheinend beharrlich pünktlich eintraf, und Mr. Allison war sichtlich sauer, als er zurückkehrte. Als Mrs. Allison ihm von dem Petroleummann erzählte, war er nicht sonderlich beeindruckt.
«Das behalten die wahrscheinlich ein, um es im Winter teuer zu verkaufen«, bemerkte er.»Was glaubst du, was mit Anne und Jerry los ist?« Anne und Jerry waren ihre Tochter und ihr Sohn, beide verheiratet, er lebte in Chicago, sie draußen im Westen.
Ihre allwöchentlich pflichtschuldigst eintreffenden Briefe hatten Verspätung, waren in der Tat derart überfällig, dass Mr. Allison seinem Unmut über die fehlende Post in einer berechtigten Klage Luft machen konnte.»Die müssten doch wissen, wie sehr wir auf ihre Briefe warten«, sagte er.»Gedankenlose, selbstsüchtige Kinder. Das müssten sie eigentlich wissen.« «Ach, mein Lieber«, sagte Mrs.
Allison beschwichtigend. Für sie war der Ärger über Anne und Jerry kein Ventil für ihre Ungehaltenheit über den Petroleummann. Nach einer Weile sagte sie:»Wünschen bringt die Post auch nicht herbei, mein Lieber. Ich rufe jetzt Mr. Babcock an und sage ihm, er soll bei meiner Lieferung Petroleum mitschicken.« «Wenigstens eine Postkarte«, sagte Mr. Allison, als sie hinausging.
Wie die meisten anderen Unannehmlichkeiten ihres Häuschens fiel den Allisons auch das Telefon nicht mehr besonders auf; sie nahmen das exzentrische Gerät mehr oder weniger klaglos hin. Es handelte sich um ein Wandtelefon jener Bauart, die nur noch in wenigen Gemeinden zu sehen war. Um zur Vermittlung durchzukommen, musste Mrs. Allison zuerst die seitliche Kurbel betätigen und es dann einmal klingeln lassen.
Normalerweise waren zwei bis drei Versuche nötig, bis die Vermittlung sich endlich meldete, und Mrs. Allison näherte sich dem Apparat vor jedem Anruf immer mit Ergebenheit und einer gewissen verzweifelten Geduld. An diesem Morgen musste sie dreimal kurbeln, bevor die Vermittlung sich meldete, und dann dauerte es noch einmal, bis Mr. Babcock im Laden in der Ecke hinter der Fleischtheke den Hörer abnahm.»Laden?«, sagte er, wobei er mit der Stimme nach oben ging, um jedem, der versuchte, sich mittels dieses unzuverlässigen Geräts mit ihm in Verbindung zu setzen, seinen Argwohn anzudeuten.
«Hier spricht Mrs. Allison, Mr. Babcock. Ich dachte, ich gebe Ihnen meine Bestellung einen Tag früher durch, weil ich ganz sichergehen wollte und etwas — « «Was sagen Sie, Mrs. Allison?« Mrs. Allison hob die Stimme ein wenig; sie sah, wie sich Mr. Allison draußen auf dem Rasen in seinem Liegestuhl umdrehte und sie mitfühlend ansah.»Ich sagte, Mr. Babcock, ich dachte, ich rufe mit meiner Bestellung früher an, damit Sie mir was schicken können — « «Mrs. Allison?«, sagte Mr. Babcock.»Sie kommen es abholen?« «Abholen?«Vor Überraschung ließ Mrs. Allison ihre Stimme wieder auf den normalen Tonfall absinken, und Mr. Babcock rief:»Was sagen Sie, Mrs. Allison?« «Eigentlich wollte ich es wie üblich herbringen lassen«, sagte Mrs. Allison.
«Ahm, Mrs.
Allison«, sagte Mr.
Babcock, und es entstand eine Pause, während Mrs. Allison wartete und am Telefon vorbei und über den Kopf ihres Mannes hinweg in den Himmel starrte.»Mrs. Allison«, fuhr Mr. Babcock schließlich fort,»wissen Sie, das ist so — der Junge, der für mich gearbeitet hat, der ist seit gestern wieder in der Schule, und jetzt habe ich keinen, der ausliefert. Ich habe bloß im Sommer einen Lieferjungen, wissen Sie.« «Ich dachte, Sie liefern immer«, sagte Mrs. Allison.