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Plötzlich trat Mrs. Hale einen Schritt auf die andere Frau zu.

«Mrs. Peters!« «Ja, Mrs. Hale?« «Glauben Sie, sie — hat es getan?« Ein ängstlicher Ausdruck verschleierte alles andere in Mrs. Peters’ Augen.

«Ach, ich weiß nicht«, sagte sie mit einer Stimme, als wollte sie dem Thema ausweichen.

«Also, ich glaub nicht, dass sie’s war«, behauptete Mrs. Hale fest.»Wo sie doch nach einer Schürze verlangt, nach ihrem kleinen Umschlagtuch. Und sich um ihr Obst Sorgen macht.« «Mr. Peters sagt — «Im oberen Zimmer waren Schritte zu hören. Sie hielt inne, sah nach oben und fuhr dann mit gesenkter Stimme fort:»Mr. Peters sagt — es sieht schlecht für sie aus. Mr. Henderson drückt sich immer furchtbar sarkastisch aus, er wird sich darüber lustig machen, dass sie behauptet, nicht — aufgewacht zu sein.« Eine Zeit lang wusste Mrs. Hale nicht, was sie darauf sagen sollte. Dann meinte sie:»Na, ich nehm an, dass John Wright auch nicht aufgewacht ist — als man ihm den Strick unterm Hals durchgeschoben hat«, murmelte sie.

«Nein, ist doch merkwürdig«, hauchte Mrs. Peters.»So eine — komische Art, jemanden umzubringen, sagen sie.« Sie fing an zu lachen und hielt beim Geräusch des Gelächters abrupt inne.

«Genau das hat Mr. Hale auch gesagt«, sagte Mrs. Hale mit entschlossen natürlicher Stimme.»Sie hatten doch ein Gewehr im Haus. Er sagt, das kapiert er einfach nicht.« «Mr. Henderson hat auf dem Herweg gesagt, was in dem Fall fehlt, ist das Tatmotiv. Etwas, was auf Wut hindeutet — oder einen plötzlichen Gefühlsausbruch.« «Na, ich seh jedenfalls keinerlei Anzeichen für einen Wutausbruch hier«, sagte Mrs. Hale.»Ich kann keine — « Sie hielt inne. Es war, als ob ihre Gedanken über etwas gestolpert wären. Ihr Blick fiel auf ein Geschirrtuch mitten auf dem Küchentisch. Langsam ging sie auf den Tisch zu.

Die eine Hälfte war sauber gewischt, die andere schmutzig. Ihr Blick wanderte langsam, fast widerstrebend zu dem Zuckereimerchen und der halb leeren Tüte daneben. Etwas angefangen — und nicht zu Ende geführt.

Nach einer Weile trat sie zurück und sagte, wie um sich innerlich zu lösen:»Was die dort oben wohl entdecken?

Ich hoffe, sie hatte es oben ein bisschen ordentlicher.

Wissen Sie«— sie machte eine Pause, um sich zu sammeln «es kommt einem doch wie Schnüffeln vor, sie erst in der Stadt einzusperren und dann hier rauszukommen, um ihr eigenes Heim gegen sie zu verwenden!« «Aber, Mrs. Hale«, sagte die Frau des Sheriffs,»Gesetz ist Gesetz.« «Das schon«, entgegnete Mrs. Hale knapp.

Sie wandte sich zum Herd und sagte etwas über das Feuer, mit dem es nicht weit her sei. Sie machte sich eine Weile daran zu schaffen, und als sie sich wieder aufrichtete, meinte sie herausfordernd:»Gesetz ist Gesetz — und ein schlechter Herd ist ein schlechter Herd. Hätten Sie denn Lust, auf dem Ding zu kochen?«Dabei deutete sie mit dem Schürhaken auf die kaputte Umrandung. Sie öffnete die Backofentür und begann, sich über den Ofen auszulassen, verfiel dann jedoch in Gedanken, überlegte, was es wohl bedeutete, sich jahraus, jahrein mit diesem Herd abkämpfen zu müssen. Dachte daran, wie Minnie Foster in diesem Ofen zu backen versuchte — und daran, dass sie nie herübergekommen war, um Minnie Foster einen Besuch abzustatten …

Sie schreckte hoch, als sie Mrs. Peters sagen hörte:

«Davon kann man sich schon entmutigen lassen — bis man nicht mehr will.« Die Frau des Sheriffs hatte vom Herd zum Spülbecken gesehen — zu dem Eimer Wasser, der von draußen hereingetragen worden war. Schweigend standen die beiden Frauen da, über ihnen die Schritte der Männer, die nach Beweismaterial gegen die Frau suchten, die in dieser Küche gearbeitet hatte. Dieser gewisse Blick, der in die Dinge hineinsah, der durch ein Ding hindurch auf ein anderes sah, lag nun in den Augen der Frau des Sheriffs.

Als Mrs. Hale wieder etwas zu ihr sagte, klang es sanft.

«Machen Sie sich’s doch ein bisschen bequemer in den Sachen, Mrs. Peters. Dann ist uns nachher wärmer, wenn wir wieder rausgehen.« Mrs. Peters ging in den hinteren Teil des Raumes, um den Pelzumhang aufzuhängen, den sie anhatte. Gleich darauf rief sie aus:»Ach, sehen Sie mal, sie hat einen Quilt zusammengesetzt. «Dabei hielt sie einen großen Nähkorb hoch, in dem sich die Quiltflicken häuften.

Mrs. Hale breitete ein paar fertig genähte Quadrate auf dem Tisch aus.

«Es ist das Blockhaus-Muster«, sagte sie und legte einige zusammen.»Hübsch, nicht?« Sie waren so mit dem Quilt beschäftigt, dass sie die Schritte auf der Treppe nicht hörten. Als die Tür aufging, sagte Mrs. Hale gerade:»Meinen Sie, sie wollte die Lagen zusammennähen oder bloß verknoten?« Der Sheriff konnte es nicht fassen.

«Die fragen sich, ob sie die Lagen zusammennähen oder bloß verknoten wollte!« Es wurde über den typischen Weiberkram gelacht, dann wurden die Hände über dem Herd gewärmt und dann sagte der Bezirksstaatsanwalt energisch:»So, und jetzt gehen wir hinaus in die Scheune und klären das.« «Ich weiß nicht, was daran komisch sein soll«, sagte Mrs. Hale verdrießlich, nachdem die Außentür hinter den drei Männern zugegangen war —»dass wir uns die Zeit mit Kleinigkeiten vertreiben, solange wir warten, bis die ihr Beweismaterial haben. Da gibt’s doch nichts zu lachen.« «Die haben natürlich schrecklich wichtige Sachen im Kopf«, erwiderte die Frau des Sheriffs entschuldigend.

Sie machten sich wieder an die Begutachtung der Quiltblöcke. Mrs. Hale betrachtete die feine, ebenmäßige Näharbeit und machte sich Gedanken über die Frau, die diese Näharbeit angefertigt hatte, als sie die Frau des Sheriffs plötzlich in merkwürdigem Tonfall sagen hörte:

«Ach, schauen Sie sich mal das an.« Mrs. Hale betrachtete den Quiltblock, der ihr hingehalten wurde.

«Wie der genäht ist«, sagte Mrs. Peters beunruhigt.

«Alle anderen waren so schön gleichmäßig — bis auf — den hier. Oje, sieht aus, als hätte sie nicht recht gewusst, was sie tat!« Ihre Blicke trafen sich, plötzlich entstand etwas, ging zwischen ihnen hin und her; und dann schienen sie sich fast gewaltsam voneinander loszureißen. Einen Augenblick lang saß Mrs. Hale da, die Hände über der Näharbeit gefaltet, die so ganz anders war als der Rest.

Und schon hatte sie einen Knoten gelöst und die Fäden herausgezogen.

«Aber was machen Sie denn da, Mrs. Hale?«, fragte die Frau des Sheriffs erschrocken.

«Bloß ein paar Stiche auftrennen, die nicht sehr gut gelungen sind«, sagte Mrs. Hale sanft.

«Ich finde, wir sollten nichts anfassen«, sagte Mrs. Peters ein wenig hilflos.

«Ich mach bloß diese Ecke fertig«, antwortete Mrs. Hale immer noch in diesem sanften, nüchternen Tonfall.

Sie fädelte eine Nadel ein und begann die schlecht genähte Stelle auszubessern. Eine Zeit lang nähte sie schweigend. Dann hörte sie die dünne, furchtsame Stimme sagen:»Mrs. Hale!« «Ja, Mrs. Peters?« «Warum, glauben Sie, war sie denn so — nervös?« «Ach, das weiß ich doch nicht«, sagte Mrs.

Hale wegwerfend, als hielte sie es für Zeitverschwendung, sich darüber Gedanken zu machen.»Ich weiß nicht, ob sie – nervös war. Ich nähe selber manchmal ganz komisch, wenn ich einfach bloß müde bin.« Sie schnitt einen Faden ab und sah aus dem Augenwinkel zu Mrs. Peters hoch. Das kleine, schmale Gesicht der Frau des Sheriffs wirkte plötzlich verkniffen.

In ihren Augen lag wieder dieser Blick, als spähte sie in etwas hinein. Gleich darauf rührte sie sich aber und sagte auf ihre zaghafte, unschlüssige Art:»Ich muss noch die Kleider einpacken. Die sind womöglich schneller fertig, als wir denken. Wo ich wohl ein Stück Papier — und Bindfaden finde.« «In dem Wandschrank da vielleicht«, schlug Mrs. Hale vor, nachdem sie sich umgesehen hatte.