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«Aha, sehr interessant, muss ich sagen«, meinte er wohlwollend. Sein Blick fiel auf den Vogelkäfig.»Ist das Vögelchen weggeflogen?« «Wir glauben, die Katze hat es geholt«, versetzte Mrs. Hale in merkwürdig festem Ton.

Er ging auf und ab, als heckte er irgendetwas aus.

«Gibt’s hier denn eine Katze?«, fragte er zerstreut.

Mrs. Hale warf der Frau des Sheriffs einen raschen Blick zu.

«Na, jetzt nicht mehr«, sagte Mrs. Peters.»Die sind nämlich abergläubisch; die hauen ab.« Sie sank auf ihren Stuhl.

Der Staatsanwalt beachtete sie überhaupt nicht.

«Keinerlei Anzeichen, dass jemand von draußen hereingekommen wäre«, sagte er zu Peters, als wollte er eine unterbrochene Unterhaltung fortsetzen.»Der Strick ist von hier. Jetzt gehen wir noch mal hinauf und gehen alles Stück für Stück durch. Es muss jemand gewesen sein, der ganz genau wusste — « Dann ging die Tür zur Treppe hinter ihnen zu, und ihre Stimmen verloren sich.

Die beiden Frauen saßen reglos da, ohne einander anzusehen, als blickten sie in etwas hinein und hielten sich gleichzeitig davor zurück. Als sie schließlich sprachen, war es, als fürchteten sie sich vor dem, was sie sagten, könnten aber nicht umhin, es auszusprechen.

«Sie hatte den Vogel gern«, sagte Martha Hale leise und bedächtig.»Sie wollte ihn in der hübschen Schachtel begraben.« «Als ich klein war«, sagte Mrs. Peters im Flüsterton, «und mein Kätzchen — das hat ein Junge mit einer Hacke – vor meinen eigenen Augen — bevor ich dazukommen konnte …«Sie schlug die Hände vors Gesicht.»Wenn sie mich nicht zurückgehalten hätten, ich hätte«— sie fasste sich wieder, blickte nach oben, wo Schritte zu hören waren, und schloss matt —»ihm was angetan.« Danach saßen sie da, ohne zu sprechen oder sich zu rühren.

«Ich frage mich, wie es wohl ist«, begann Mrs. Hale schließlich zögernd, als tastete sie sich über unbekanntes Gelände voran,»wenn man nie Kinder um sich gehabt hat?«Ihr Blick schweifte langsam durch die Küche, als könnte sie sehen, was diese Küche all die Jahre bedeutet hatte.»Nein, Wright konnte den Vogel bestimmt nicht leiden«, sagte sie dann,»etwas, das singt. Sie hat früher so gern gesungen. Das hat er auch getötet. «Ihre Stimme versagte.

Mrs. Peters rutschte unbehaglich hin und her.

«Wir wissen natürlich nicht, wer den Vogel getötet hat.« «Ich habe John Wright gekannt«, lautete Mrs. Hales Antwort.

«In jener Nacht ist in diesem Haus etwas Schreckliches getan worden, Mrs. Hale«, sagte die Frau des Sheriffs.

«Einen Mann im Schlaf umbringen — ihm etwas um den Hals schlingen, so dass er erstickt.« Mrs. Hale streckte die Hand nach dem Vogelkäfig aus.

«Seinen Hals. Dass er erstickt.« «Wir wissen nicht, wer ihn umgebracht hat«, flüsterte Mrs. Peters aufgeregt.»Wir wissen es nicht.« Mrs. Hale hatte sich nicht gerührt.»Wenn da jahrelang, jahrelang — nichts war, und dann ein Vogel, der einem was vorsingt, dann war es bestimmt furchtbar — still —, nachdem der Vogel verstummt war.« Es war, als hätte irgendetwas in ihr gesprochen, das nicht sie selbst war, und in Mrs. Peters etwas angerührt, was sie nicht als sich selbst erkannte.

«Ich weiß, was Stille ist«, sagte sie mit seltsamer, monotoner Stimme.»Als wir in Dakota gesiedelt haben und mein erstes Baby gestorben ist — es war zwei Jahre alt — und ich noch kein anderes hatte …« Mrs. Hale regte sich.

«Was glauben Sie, wann die mit ihrer Suche nach Beweismitteln fertig sind?« «Ich weiß, was Stille ist«, wiederholte Mrs. Peters im gleichen Ton. Dann nahm auch sie sich wieder zusammen.

«Ein Verbrechen muss vom Gesetz bestraft werden, Mrs. Hale«, sagte sie in ihrer verkniffenen, leisen Art.

«Sie hätten Minnie Foster sehen sollen«, war die Antwort,»in dem weißen Kleid mit den blauen Bändern, wie sie da oben im Chor stand und sang.« Das Bild von diesem Mädchen und der Gedanke, dass sie zwanzig Jahre lang die Nachbarin dieses Mädchens gewesen war und es aus Mangel an Lebensfreude hatte eingehen lassen, war plötzlich mehr, als sie ertragen konnte.

«Ach, wäre ich doch ab und zu hergekommen!«, rief sie.

« Das war ein Verbrechen! Und wer bestraft das?« «Wir dürfen nicht so ein Theater machen.«Ängstlich sah Mrs. Peters zur Treppe hinüber.

«Ich hätte doch wissen müssen, dass sie Hilfe brauchte!

Wissen Sie, Mrs. Peters, das ist doch einfach seltsam. Da leben wir so nah beisammen und sind doch so weit voneinander entfernt. Wir machen alle dasselbe durch — es ist doch nur eine Spielart von derselben Sache! Wenn’s nicht so wäre — warum verstehen Sie und ich es dann?

Warum wissen wir — was wir in diesem Augenblick wissen?« Sie fuhr sich mit der Hand über die Augen. Dann, als sie das Glas mit dem Obst auf dem Tisch stehen sah, griff sie danach und stieß mühsam hervor:»Ich an Ihrer Stelle würde ihr nicht sagen, dass das Eingemachte verdorben ist! Sagen Sie’s ihr nicht. Sagen Sie, es ist in Ordnung – alles. Hier — nehmen Sie ihr das da als Beweis mit! Sie – sie erfährt ja vielleicht nie, ob es kaputtgegangen ist oder nicht.« Sie wandte sich ab.

Mrs. Peters griff nach dem Glas mit dem Eingemachten, als wäre sie froh, es an sich zu nehmen — als würde es sie von etwas anderem ablenken, wenn sie etwas Vertrautes berührte. Sie stand auf, sah sich nach etwas um, in das sie das Eingemachte einwickeln könnte, nahm von dem Kleiderstapel, den sie aus dem Vorderzimmer hereingebracht hatte, einen Unterrock und fing an, ihn nervös um das Glas zu wickeln.

«Ach je!«, hob sie mit hoher, gekünstelter Stimme an, «wie gut, dass uns die Männer nicht hören konnten! Da regen wir uns so auf über eine Kleinigkeit wie einen – toten Kanarienvogel. «Rasch redete sie weiter.»Als ob das was zu tun haben könnte mit — mit — ach je, die würden uns doch auslachen! « Auf der Treppe waren Schritte zu hören.

«Vielleicht schon«, murmelte Mrs. Hale.»Vielleicht aber auch nicht.« «Nein, Peters«, sagte der Staatsanwalt ungehalten,»es ist alles vollkommen klar, bis auf den Grund für die Tat.

Aber Sie wissen ja, wie Geschworene sind, wenn’s um Frauen geht. Wenn wir was Eindeutiges hätten – irgendetwas zum Vorweisen. Etwas, aus dem sich eine Geschichte bauen ließe. Was sich mit dieser plumpen, ungeschickten Vorgehensweise in Verbindung bringen ließe.« Mrs. Hale warf Mrs. Peters einen verstohlenen Blick zu.

Mrs. Peters sah sie an. Rasch wandten sie den Blick wieder voneinander ab. Die Außentür ging auf, und Mr. Hale trat ein.

«Ich bin jetzt vorgefahren«, sagte er.»Ganz schön kalt da draußen.« «Ich bleibe noch eine Weile allein hier«, verkündete der Anwalt unvermittelt.»Sie können doch Frank herschicken, dass er mich abholt, ja?«, fragte er den Sheriff.»Ich will noch mal alles durchgehen. Ich bin noch nicht überzeugt, dass wir es nicht besser hinkriegen.« Erneut trafen sich die Blicke der beiden Frauen für einen kurzen Augenblick.

Der Sheriff trat an den Tisch.

«Wollten Sie sehen, was Mrs. Peters für sie mitnimmt?« Der Staatsanwalt hob die Schürze hoch. Er lachte.

«Ach, es ist wohl nichts besonders Gefährliches, was die Damen da herausgesucht haben.« Mrs. Hales Hand lag auf dem Nähkorb, in dem die Schachtel versteckt war. Sie hatte das Gefühl, sie sollte die Hand vom Korb nehmen. Doch sie konnte es nicht. Der Bezirksstaatsanwalt nahm einen der Quiltblöcke hoch, die sie zur Tarnung auf die Schachtel gehäuft hatte. Ihre Augen brannten wie Feuer. Sie hatte das Gefühl, wenn er jetzt den Korb hochhob, würde sie ihn ihm entreißen.

Doch er hob ihn nicht hoch. Leise lachend wandte er sich ab und sagte:»Nein, Mrs. Peters muss nicht überwacht werden. Die Frau eines Sheriffs ist schließlich mit dem Gesetz verheiratet. Haben Sie das schon mal so betrachtet, Mrs. Peters?« Mrs. Peters stand neben dem Tisch. Mrs. Hale warf ihr einen Blick zu, konnte ihr Gesicht aber nicht sehen, denn Mrs. Peters hatte sich abgewandt. Als sie zu reden begann, klang ihre Stimme gedämpft.