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„Was für ein Offizier?“ fragte er. „Ein Deutscher?“

„Ich weiß es nicht. Madame wird es wissen.“

„So melden Sie mich sofort an!“

Frau Richemonte erstaunte natürlich ebenso, als sie erfuhr, daß Königsau mit ihr sprechen wolle. Sie ließ ihn eintreten und sagte: „Margot ist zum Marschall, Herr Leutnant.“

„Wann?“

„Vor wenigen Minuten.“

„Ah! Zu Wagen?“

„Ja.“

„Ich bin ihm begegnet. Ich höre, daß ein deutscher Offizier mit ihr sei?“

„Allerdings. Es war eine Ordonnanz des Marschalls.“

„Eine Ordonnanz? Unmöglich!“

„Oder ein Adjutant.“

„Ebenso unmöglich!“

„Aber mein Gott, der Marschall schickte ja den Herrn, um uns zum Souper abzuholen.“

Königsau erbleichte, doch nahm er sich der kranken Dame gegenüber zusammen und fragte:

„Wie hieß er?“

„Ich weiß es nicht, ich habe nicht gefragt; ich habe ihn gar nicht gesehen.“

„Sie waren auch mit eingeladen, Madame?“

„Ja. Ich ließ mich entschuldigen, weil ich mich sehr angegriffen fühle.“

„Ah, so liegt meinerseits ein kleiner Irrtum vor.“

„Welcher?“

„Ich wußte nicht, daß der Marschall so aufmerksam war, bereits nach Ihnen zu senden; ich glaubte, Sie abholen zu müssen. Sie verzeihen, daß da meine Zeit gemessen ist.“

„Gehen Sie, mein lieber Leutnant, und haben Sie die Güte, mich nochmals beim Marschall zu entschuldigen. Wenn die Stunde unserer Abreise bestimmt ist, werde ich sehen, ob mir Zeit bleibt, mich noch persönlich bei Blücher zu empfehlen.“

Königsau ging.

Er hatte ihr von seinem Schreck nichts merken lassen. Er war beinahe überzeugt, daß ein neuer Anschlag gegen Margot vorliege, und rannte in größter Eile zum Marschall zurück, bei welchem er atemlos und mit hochrotem Gesicht eintrat.

„Donnerwetter, müssen Sie gelaufen sein!“ sagte Blücher. „Was gibt es?“

„Ist Margot hier, Exzellenz?“ keuchte der Leutnant.

„Nein. Ich denke, Sie bringen sie mit.“

„Ah, Exzellenz haben nicht nach den Damen geschickt?“

„Nein.“

„Keine Equipage?“

„Nein.“

„Keinen Ordonnanzoffizier oder einen Adjutanten?“

„Nein. Was ist denn los?“

„So ist Margot entführt worden.“

Da sprang der Marschall vom Stuhl auf und rief:

„Tausend Teufel! Entführt? Sind Sie bei Trost oder nicht?“

„Oh, gegenwärtig bin ich allerdings ganz und gar nicht bei Trost, Exzellenz. Ich muß fort, augenblicklich fort!“

Er wendete sich um, um sich schleunigst zu entfernen; aber Blücher kommandierte:

„Halt! Rechtsumkehrt! Weiß er Tausendsapperloter nicht, daß er zu bleiben hat, bis ich ihn entlasse! Also, was ist mit Margot? Ich muß es wissen. Wenn eine neue Teufelei im Werke sein sollte, so darf man nicht besinnungslos hineinstürmen, sondern man hat fein klug und schlau zu verfahren. Verstehst du mich, Junge?“

Königsau sah ein, daß der Alte recht habe; er zwang sich zur möglichsten Ruhe und wiederholte:

„Margot ist entführt worden, Exzellenz.“

„Das hast du bereits einmal gesagt. Aber beweise es.“

„Es ist vor einigen Minuten eine Equipage vorgefahren.“

„Ah! Mit einem Offizier?“

„Ja.“

„Was für einer?“

„Ich weiß es nicht. Mama hat ihn nicht gesehen gehabt. Er hat sich für eine Ordonnanz ausgegeben –“

„Von mir?“

„Ja, und hat eine Einladung zum Souper von Ew. Exzellenz gebracht.“

„Donnerwetter!“

„Mama ließ sich entschuldigen: sie ist sehr angegriffen und konnte nicht kommen.“

„Und Margot ist mitgefahren?“

„Ja.“

„Wohin?“

„Diese Straße herab; ich bin dem Wagen begegnet.“

Königsau konnte sich kaum zur Ruhe zwingen. Vor Aufregung klang seine Stimme heiser. Auch Blücher stieg mit langen Schritten im Zimmer auf und ab.

„Das ist eine Lüge, eine verdammte Lüge, ein Schwindel ohnegleichen!“ sagte er. „Ich habe niemand gesendet. Ja, sie ist entführt, aber von wem?“

„Von wem anders als von Baron Reillac!“

„Donnerwetter, das glaube ich selbst! Und ihr sauberer Stiefbruder ist im Komplott.“

„Jedenfalls, Exzellenz.“

„Aber, wohin hat man sie geschafft? Wenn man das wüßte!“

„Ich glaube es zu erraten.“

„Ah, wirklich?“

„Ja, und ich denke nicht, daß ich mich irre.“

„Das wäre gut! Wir könnten ihnen auf die Bude rücken. Wo?“

„Man hat sie nach der Wohnung Reillacs geschafft.“

„Hm. Warum denkst du das?“

„Weil ich gestern abend bemerkt habe, daß dort noch andere Heimlichkeiten ausgeheckt werden. Erinnern sich Exzellenz dessen, was ich dort belauschte?“

„Was?“

„Den neuen Anschlag. Der Kapitän wollte sich heute erkundigen. Oh, mir ahnt, was man mit Margot vorhat.“

Er ballte die Fäuste und machte eine Wendung, als ob er fortstürmen wollte.

„Was?“ fragte Blücher abermals.

„Ich hörte gestern, daß sie gezwungen werden sollte, in die Ehe mit diesem Baron zu willigen. Heute weiß ich, wodurch. Erraten es Exzellenz nicht?“

Da trat Blücher einen Schritt zurück; sein Auge glühte, als er sagte:

„Ah! Mensch! Wäre das möglich!“

„Ich bin überzeugt davon.“

„So haue ich sie zu Brei, alle beide.“

„Erst muß man sie haben, Exzellenz. Ich muß fort! Bitte, mich zu entlassen.“

„Entlassen? Unsinn! Ich muß auch fort, und zwar mit dir. Hast du Waffen?“

„Jetzt habe ich keine bei mir.“

„So steckst du ein Paar Pistolen von mir ein. Glaubst du, daß wir das Haus des Barons finden werden?“

„Ich habe es mir sehr genau gemerkt.“

„Gut, so werden wir gehen und es stürmen.“

Er schnallte seinen Säbel um und nahm zwei Paar Pistolen von der Wand. Er war ganz so in Rage, als ob es zu einer Schlacht gehen sollte. Königsau wollte auch nicht gern einen Augenblick verlieren, aber er besann sich doch und sagte:

„Exzellenz, der Degen würde uns im Weg sein.“

„Warum?“

„Weil wir eine Mauer und eine Veranda zu ersteigen haben.“

„Gut, so lasse ich ihn zu Hause. Werden wir es allein machen können?“

„Man weiß es nicht. Es kommt auf die Umstände an.“

„Gut, so nehmen wir aus der Wachstube ein paar tüchtige Kerle mit.“

Da aber kam Königsau ein bedenklicher Gedanke.

„Werden wir so mir nichts, dir nichts eindringen dürfen, Exzellenz?“ fragte er.

„Warum nicht? Wir steigen hinauf und schlagen das Fenster ein.“

„Hausfriedensbruch!“

„Meinetwegen Weltfriedensbruch! Wer will uns etwas tun?“

„Es ist verboten, ohne Erlaubnis einzudringen.“

„Die Kerls haben das Mädchen. Das entschuldigt alles.“

„Aber wenn sie Margot nicht haben?“

„Sie haben sie ganz bestimmt.“

„Können wir dies beweisen? Wird man uns suchen lassen?“

Blücher machte eine Miene des Mißmutes.

„Junge, du kannst recht haben“, sagte er, jetzt ein wenig nachdenklich.

„Denken Exzellenz an das Aufsehen.“

„Hm. Ja.“

„Feldmarschall Blücher auf der Anklagebank wegen Hausfriedensbruch.“

„Verdammt fatal.“

„Und im Feindesland. Das könnte böses Blut geben.“

„Ja, ja. Aber wir müssen Hilfe bringen auf alle Fälle.“

„Auf möglichst gesetzlichem Weg aber.“

„Dann kann Margot zwanzig Jahre auf uns warten. Ich kenne die Schnelligkeit der Gesetze. Eine Schnecke ist eine Schwalbe gegen sie. Hast du einen Gedanken?“

„Ja.“