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„Ja, geehrtester Herr Korporal! Aber zu fragen hast du hier nichts, sondern zu suchen, sonst will ich dir Augen und Beine machen, du neugieriger Kater du.“

Es wurde gesucht, aber nichts und niemand gefunden. Nicht einmal ein Tropfen Blut wurde bemerkt, welcher hätte auf eine Verwundung schließen lassen.

„Das ist gut, das freut mich!“ meinte Blücher. „Korporal, komm her, halte einmal deinen Kometen in die Höhe!“

Der Gerufene gehorchte, indem er ihm die Laterne vorhielt. Blücher ließ das Licht derselben auf die beiden gefundenen Gegenstände fallen.

„Was ist das für ein Ding, Korporal?“ fragte er.

„Eine Laterne“, antwortete der Gefragte pflichtschuldigst.

„Gut, mein Junge! Und das hier?“

„Eine Pistole.“

„Sehr schön, mein Junge. Du entwickelst da ganz bedeutende Kenntnisse in der Physik und in der Waffenkunde. Wenn ich mal abdanke, so melde dich zum Feldmarschall. Jetzt aber lege dich mit dem Ohr wieder auf deine Pritsche, denn hier sind wir überflüssig geworden.“

Die Leute gehorchten. Blücher wunderte sich nicht darüber, daß die Schüsse nicht mehr Aufsehen erregt hatten. Es blieb ganz ruhig auf der Straße. Man war damals nächtliche Exzesse gewohnt geworden.

Er trat zu den beiden Posten, die seit vorhin noch nicht abgelöst worden waren.

„Kennt ihr mich noch?“ fragte er.

„Zu Befehl, Exzellenz“, lautete die Antwort.

„Na, ist einer gekommen?“

„Zu Befehl!“

„Und hat gefragt, ob ich zu Bett bin?“

„Zu Befehl!“

„Ihr habt ihn doch anlaufen lassen?“

„Zu Befehl!“

„Schön! Aber wie war das mit den beiden Schüssen? Wo fielen sie?“

„Ein Stück die Straße hinunter.“

„Also dort? Habt ihr nicht bemerkt, wer geschossen hat?“

„Nein. Aber bald nach dem letzten Schuß rannten zwei Männer hier vorüber.“

„Ihr habt sie nicht aufgefangen? Ihr Halunken?“

„Nein. Wir dürfen unseren Posten nicht verlassen, Exzellenz.“

„Gut. Ihr seid brave Kerle. Ich will nicht räsonieren, sonst müßt ihr mich morgen zweimal melden. Also zwei Menschen waren es, welche vorüberrannten?“

„Ja, und ein dritter kam hinter ihnen her.“

„Ah, der hat sie gejagt?“

„Es schien so, als ob er sie verfolgte. Und dort am zweiten Tor, da – da –“

„Da – da – was, da?“

„Da blieb er stehen.“

„Der dumme Kerl! Was hat er da zu stehen gehabt?“

„Er – er zog – er zog seine Stiefel aus.“

„Seine Stiefel? Heiliges Wetter! Zieht der Schlingel seine Stiefel aus, anstatt den Bengels nachzurennen. Dem gehören recht tüchtige Hiebe hinten drauf.“

„Er rannte ihnen dann wieder nach.“

„Wird ihm auch viel helfen. Mit den Stiefeln in der Hand! So ein Unsinn!“

„Entschuldigung, Exzellenz! Er ließ die Stiefel stehen.“

„Stehen? Das ist ja noch schlimmer! Wenn sie ihm die nun wegmausen!“

„Er rief uns zu, auf sie achtzugeben.“

„Was? Aufzupassen auf seine Stiefel? Ist der Kerl übergeschnappt? Ihr sollt wohl gar noch seinen alten Latschen das Gewehr präsentieren! Nein, so etwas! Die Ehrenposten des Feldmarschalls von Blücher sollen auf die Kotstampfer des ersten besten Kerls hier achtgeben! Wenn ich wüßte, wer der Flegel ist, so ließ ich ihn zitieren und hieb ihm seine Schaftsandalen mitsamt den Struppen höchst eigenhändig um die Nase herum! Der sollte vor Angst Sirup und Buttermilch niesen!“

„Exzellenz, er hat uns seinen Namen genannt.“

„Auch noch? Welche Frechheit! Wie hieß denn dieser Urian?“

„Lieutenant von Königsau.“

„Lieu – te – nant – von Königsau? Sapperlot, der war es, der? Ich alter Esel! Das konnte ich mir denken. Na, je höher man im Rang steigt, desto alberner wird man im Kopf! Und mit dem Feldmarschall geht der Kopf dann ganz ins Seebad. Jungens, daß ihr mir nicht etwa einmal Marschalls werdet, sonst könntet ihr mich dauern! Sagte er diesen Namen wirklich?“

„Zu Befehl!“

„Und dann rannte er ihnen nach?“

„Ja.“

„Ein pfiffiger Filou. Sie hören seine Schritte nicht mehr, weil er in Strümpfen läuft, und denken also, sie haben niemand hinter sich. Auf diese Weise wird er sie fangen. Hat er euch nicht gesagt, ob sie ihn totgeschossen haben?“

„Nein.“

„Nun, da lebt er jedenfalls noch. Aber seine Stiefel müssen wir in Sicherheit bringen. Gehe mal hin, mein Junge, und hole sie!“

„Verzeihung, Exzellenz, das kann ich nicht!“

„Nicht? Warum nicht, he?“

„Ich darf meinen Posten nicht verlassen.“

„Alle Teufel, das ist wieder wahr! Na, da mag der andere gehen.“

„Auch der darf nicht.“

„Liebe Kinder, euch soll der Teufel holen! Na, da es nicht anders geht, so will ich es einmal machen wie der alte Fritze, und Schildwache stehen. Gib mir dein Gewehr, mein Sohn. Ich will deine Stelle vertreten, während du hingehst und mir die Stiefel herbringst.“

„Exzellenz, das geht auch nicht!“

„Donnerwetter! Auch nicht? Warum denn nicht, du Kanaille?“

„Exzellenz sind in Zivil und nicht in Uniform.“

„Hol's der Kuckuck, das ist wahr. Höre, mein Sohn, du bist kein übler Kerl; du kennst das Reglement besser als ich. Das ist aber auch kein Wunder, denn es sind nun über fünfzig Jahre her, daß ich's gelernt habe. Wie ist denn dein Name?“

„August Liebmann.“

„Gut, mein lieber August. Komm nach zweiundfünfzig Jahren, gerade am heutigen Datum, zu mir und sage mir das Reglement her. Wenn du es noch auswendig kannst, so nenne ich dich Herr Liebmann anstatt August. Darauf kannst du dir dann noch mehr einbilden, als ich auf die Stiefel, die ich mir nun selber holen muß. Wo stehen sie?“

„Dort am zweiten Tor.“

„Schön. Ihr könnt nachher die eurigen noch hinsetzen. Ich bin einmal im Gang, da kann ich sie euch auch holen. Laßt mich nur gefälligst wecken, wenn ihr sie braucht.“

Er ging wirklich hin, nahm die Stiefel auf, steckte unter jeden Arm einen und sagte, nachdem er zurückgekehrt war:

„Der Lieutenant von Königsau wird jedenfalls wiederkommen und nach seinen Sauerkrautröhren fragen. Sagt ihm, daß sie bei mir sind. Er soll sofort kommen und sich melden, auch wenn ich schlafe; aber in den Strümpfen. Er darf beileibe nicht erst nach Hause gehen. Habt ihr's verstanden?“

„Zu Befehl.“

„Und solltet ihr abgelöst werden, ehe er kommt, so übergebt ihr diesen Befehl euren Nachmännern, die ihn auszurichten haben.“

„Zu Befehl, Exzellenz!“

„Gute Nacht, lieber August!“

„Gute Nacht, Exzellenz!“ –

ACHTES KAPITEL 

Die Entführung

Als Blücher vorhin zu so später Nachtstunde zu Margot gekommen war, hatte diese sich höchlichst verwundert über diesen Besuch. Als sie aber seine Worte hörte, war eine fürchterliche Angst über sie gekommen, deren sie nicht Herr werden konnte.

„Donnerwetter! Jetzt kriegt ihn diese Bande! Gute Nacht!“ hatte er gesagt; dann war er gegangen. Gegangen? Nein, er war förmlich die Treppe hinabgesprungen, als ob es sich um eine große Gefahr handle.

Wen betraf die Gefahr? Jedenfalls den, den er hier gesucht hatte, also Königsau. Und worin bestand diese Gefahr? Wer war die ‚Bande‘, von welcher der Marschall gesprochen hatte? Bereits einmal war der Geliebte heute in Lebensgefahr gewesen; jetzt vielleicht wieder.

Sollte sie die Mutter und das Dienstmädchen wecken, welche beide bereits schliefen? Nein, diese konnten auch nicht helfen. Sie hätten nur die Angst mit gehabt.

So ging Margot im Zimmer auf und ab. Es wurde ihr zu eng, zu heiß. Sie konnte es nicht länger aushalten. Sie mußte hinaus in die freie Luft. Sie wollte nach der Wohnung des Geliebten gehen, um nachzusehen, ob sein Fenster erleuchtet sei. Sie war zwar noch nicht dort gewesen, aber er hatte sie ihr so deutlich beschrieben, daß sie gar nicht irren konnte.