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„Ist's möglich, Exzellenz?“ rief sie erschrocken.

„Ja. Sie haben ihm an seiner Tür aufgelauert. Es waren zwei Kerls.“

„Was haben sie ihm getan, Exzellenz? O bitte, bitte, sagen Sie es schnell.“

Sie war fürchterlich blaß geworden. Sie dauerte ihn; er wollte sie mit einem Mal beruhigen, und dies glaubte er am sichersten dadurch zu erreichen, daß er den Stiefel unter dem rechten Arme hervorzog und sie fragte:

„Kenn Sie diesen Stibbel, Mademoiselle?“

„Nein“, antwortete sie erstaunt.

„Nun, so kennen Sie vielleicht diesen anderen?“

Er zog jetzt den unter dem linken Arme hervor und hielt ihn ihr entgegen.

„Auch nicht, Exzellenz.“

„Nun, das wundert mich. Aber dennoch gereichen diese Stibbeln Ihnen sehr zum Troste.“

„Diese Stiefel? Mir? Verzeihen, Exzellenz, daß ich Sie nicht verstehe!“

„Diese Stibbeln sprechen eine Sprache, welche Sie eigentlich verstehen sollten. Wir haben sie, diese Stibbeln nämlich, und das ist die Hauptsache. Er wird dann schon ganz von selber kommen, und zwar in Strümpfen.“

Margot war ganz verlegen geworden. Der Marschall sprach ihr in Rätseln.

„Er? Bitte, mir zu sagen, wer?“

„Nun, der Hugo.“

„Hugo? Ah, diese Stiefel gehören ihm?“

„Ja.“

„Ah!“ Sie errötete sehr und fuhr dann fort: „Aber wie kommt er dazu – – –?“

„Solche Stiefel zu haben? Oh, die hat bei uns jeder anständige Offizier.“

„Nein, nein! Ich meine, wie kommen Exzellenz zu diesen Stiefeln?“

„Glauben Sie vielleicht, ich habe sie mir von ihm geborgt? Nein. Sie standen unten am Tor.“

„Aber wie sind sie dorthin gekommen?“ fragte Margot immer erstaunter.

„Er hat sie hingesetzt und meinen Posten gesagt, daß sie auf sie aufpassen sollen.“

„Aber, Exzellenz, ich begreife noch nicht, weshalb er sie dahin gesetzt hat. Wie hängt dies überhaupt mit der Gefahr zusammen, in welcher er sich befindet?“

„Oh, sehr eng. An seiner Tür standen nämlich zwei Menschen, die ihn erschießen wollten, der eine mit der Laterne und der andere mit der Pistole. Er ist ihnen glücklich entkommen, auf welche Weise, das weiß ich noch nicht. Sie sind entflohen, und er ist hinter ihnen her. Damit sie es nun nicht hören, daß er sie verfolgt, so hat er diese Stibbeln ausgezogen und mir zur Aufbewahrung übergeben, eigentlich meinen Posten, aber das bleibt sich gleich.“

„Er verfolgt sie? Wie unvorsichtig!“

„Haben Sie keine Sorge, Mademoiselle! Haben wir einmal seine Stibbeln, so bekommen wir ganz sicher auch ihn. Er wird nur sehen wollen, wer die Kerls sind.“

„Oh, ich ahne bereits, wer es ist.“

„Ah, Sie ahnen?“

„Ja. Jedenfalls ist derjenige dabei, der ihn heute abend bereits gestochen hat.“

„Gestochen? Donnerwetter! Er ist gestochen worden?“

„Leider.“

„Wohin denn?“

„In den Arm.“

„Ah, da hat es nicht viel zu sagen.“

„Aber es wurde nach dem Herzen gezielt.“

„Donner und Doria! Da ist es also ganz und gar ernstlich gemeint gewesen!“

„Ja. Hätte er den Panzer nicht angehabt, so wäre er jetzt tot.“

„Ah, er hatte seinen Küraß getragen?“

„Er hatte sich einen geliehen.“

„So ist er also doch vernünftig gewesen. Aber, wer hat ihn denn gestochen?“

„Mein Gott, es ist mir fast unmöglich, Ihnen dies zu sagen.“

„Oh, jetzt ahne ich, wer der Mann gewesen ist. Sprechen Sie getrost und aufrichtig zu mir. Vielleicht kann ich Ihnen helfen. Erzählen Sie mir alles; aber erlauben Sie mir vorher, mir eine Pfeife zu stopfen. Es leidet mich zu Hause nicht, wenn mich nicht der Knaster an die Nase brennt.“

Er stopfte sich eine seiner kurzen Tonpfeifen, von denen er immer einen großen Vorrat besaß, und als er sie in Brand gesteckt hatte, setzte er sich auf eine offene Nähschatulle, welche am Boden lag. Margot mußte auf einem Tabouret Platz nehmen und dann die Erzählung der heutigen Ereignisse beginnen. –

Unterdessen war es Königsau ganz eigentümlich ergangen.

Er war sehr lange Zeit bei Margot gewesen. Man hatte ihn da aufgehalten. Selbst die Mutter hatte ihm ein Zimmerchen für diese Nacht angeboten, damit er nicht abermals fortzugehen brauche, denn die beiden Damen hatten befürchtet, daß er abermals angefallen werden könne. Er aber hatte diese Gastfreundschaft ausgeschlagen und war endlich doch noch aufgebrochen.

Margot hatte ihn bis zur Tür begleitet und dort die innige Bitte ausgesprochen, doch ja recht vorsichtig zu sein und sich recht fleißig umzuschauen, ob nicht irgendeine Gefahr in der Nähe zu bemerken sei.

Dies hatte er denn auch getan. War er doch selbst schon der Ansicht gewesen, daß der verunglückte Überfall zum zweiten Mal unternommen werden könne. Ja, er sagte sich sogar, daß man sich dabei wohl nicht mehr eines Dolches oder Messers, sondern einer Schußwaffe bedienen werde.

Da war natürlich eine Abwehr bedeutend schwieriger, wo nicht unmöglich. Aus diesem Grund ging er nicht an der Seite, sondern in der Mitte der Straße. Der Feind stand jedenfalls unter einem Tor und konnte ihn auf diese Weise nicht so leicht erkennen.

So war er bis in die unmittelbare Nähe seines Hauses gekommen. Da erst kam ihm der Gedanke, daß ein etwaiger Angreifer sich gerade hier verstecken müsse, um ihn sicher zu treffen. Er hemmte seinen Schritt und ging ganz langsam, jeden Zollbreit mit dem Auge fixierend, soweit es die dichte Dunkelheit zuließ.

Er war nur noch vier Schritte von der Haustür entfernt, da hörte er den Ruf:

„Königsau! Halt! Zurück! Sie wollen dich abmurksen!“

Er wußte sofort, wer der Warner war. Es war die Stimme und auch die Ausdrucksweise des Marschalls. Diese Warnung hatte jedenfalls ihren guten Grund; darum wollte er sie befolgen und sich umdrehen, da blitzte vor ihm eine Laterne auf.

Mit Gedankenschnelligkeit kam ihm die Ahnung, daß er angeleuchtet werde, um ein sicheres Ziel zu bieten, und daß im nächsten Moment der Schuß fallen werde. Augenblicklich warf er sich zur Erde. Diese Geistesgegenwart rettete ihm das Leben, denn er hatte den Boden noch nicht berührt, so krachte auch bereits der Schuß. Die Kugel wäre ihm in den Kopf gedrungen, so aber flog sie weit über ihn hinweg.

„Er hat sich niedergeworfen. Leuchten Sie zur Erde!“

So hörte er eine halblaute Stimme sagen. Er erkannte sie; es war diejenige des Kapitäns. Sogleich fiel das Licht der nach ihm gedrehten Laterne abwärts. Er sah sich abermals hell erleuchtet, schleuderte sich jedoch mit aller Gewalt zur Seite, und zwar keinen Augenblick zu früh, denn da krachte auch bereits der zweite Schuß, und er hörte ganz deutlich, daß die Kugel hart neben ihm auf den Stein schlug.

Nun war es aber auch aus mit seiner Langmut. Der Schütze hatte beide Kugeln verschossen; ob er noch eine zweite Doppelpistole bei sich trage, das war Königsau in diesem Augenblick sehr gleichgültig. Er schnellte sich vom Boden auf und sprang auf die beiden Kerls zu. Ein Faustschlag traf den, welcher die Laterne hielt. Er ließ sie fallen und lief davon. Nun packte der Deutsche den Kapitän.

„Jetzt lasse ich dich nicht wieder laufen, Schurke!“ sagte er.

Er hielt ihn umschlungen und wollte ihn zu Boden ringen. Da ließ der Kapitän die Pistole fallen, um die Hand frei zu bekommen, und faßte ihn bei der Brust. Diese aber war vom Metall bewahrt.

„Feigling!“ knirschte der Franzose. „Versteckst du dich hinter dem Küraß!“

Er faßte ihn beim Arm, gerade da, wo die Wunde war. Königsau stieß unwillkürlich einen Ruf des Schmerzes aus.

„Ah, ist das die richtige Stelle!“ sagte der Gegner mit unterdrückter Stimme.

Er griff jetzt mit beiden Händen zu, und zwar mit Aufbietung aller Kräfte. Königsau konnte nicht anders, er mußte den Kapitän fahren lassen, um zunächst seinen verwundeten Arm zu befreien. Das gelang ihm; dadurch wurde aber auch der Gegner frei und entsprang. Der Deutsche hielt ihn noch für nahe und sprang auf ihn zu, stürzte aber zur Erde nieder. Dadurch gewann der Fliehende einen Vorsprung.