Выбрать главу

»Ich denke, Sie haben recht, Tom«, brummte er schließlich. »In einem fremden, wilden Land kann man nicht vorsichtig genug sein. Schließlich ist uns das Leben von fast zweihundert Männern, Frauen und Kindern anvertraut. Also gut, reiten Sie. Und geben Sie auf sich acht!«

»Das werde ich«, versprach der Scout, schlug dabei vertrauensvoll auf den Starr-Karabiner in seinem perlenbestickten Scabbard und wollte gerade seinen Schecken antreiben, als Sam Kelley sein Pferd an seine Seite lenkte.

»Sie wollen die Gegend ausspähen, Bidwell?« erkundigte sich der schwarze Schmied.

Der Scout nickte. »Yeah. Es könnten Rote in der Nähe sein.«

»Vielleicht ist es besser, wenn ich und ein paar Männer Sie begleiten. Falls Sie tatsächlich auf Indianer stoßen, richten fünf oder zehn Gewehre mehr aus als eins.«

»Das stimmt wohl«, brummte Bidwell, und sein Gesicht spiegelte die Abneigung gegen Kelleys Vorschlag deutlich wider. »Aber wenn ich tatsächlich auf die Roten treffe, ist es gleichwohl besser, ich bin allein. Mein Pferd ist schnell, und ich kenne die Gegend. Allein kann ich ihnen entkommen. Ein großer Trupp ist viel zu schwerfällig und fällt auch viel leichter auf als ein einzelner Reiter.«

Ohne eine Antwort abzuwarten, rief er dem Schecken ein paar aufmunternde Worte zu und sprengte in die offene Prärie hinaus.

Kelley sah dem Scout nach, bis er hinter der nächsten Hügelwelle verschwanden war. Dann riß er sein Pferd herum und ritt zum Ende der langen Wagenkolonne, wo Jacob und einige andere dafür sorgten, daß die Viehherde beisammenblieb und mit den Wagen Schritt hielt. Der Schwarze lenkte sein Tier an die Seite des deutschen Zimmermanns, der auf der rechten Flanke der Viehherde ritt.

»Bidwell ist gerade vorausgeritten, um die Gegend zu erkunden«, teilte Kelley dem Deutschen mit. »Er meint, es könnten Rote in der Nähe sein.«

»Dann ist es vernünftig, einen Erkundungsritt zu unternehmen«, befand Jacob.

»Er hat meinen Vorschlag, ihn zu seiner eigenen Sicherheit mit ein paar Bewaffneten zu begleiten, abgelehnt. Er meint, allein fällt er weniger auf.«

»Das klingt auch vernünftig.«

Kelley sah den Deutschen schräg an.

»Aber wenn das letzte Nacht ein Indianer war, auf den Jack geschossen hat, wissen die Roten doch längst von uns. Sie werden schlau genug sein, uns zu beobachten. Auch Bidwells Erkundungsritt wird ihnen dann nicht entgehen. Seine Vorsichtsmaßnahme, allein zu reiten, ist also völlig überflüssig.«

»Was du sagst, klingt ebenfalls vernünftig, Sam«, meinte Jacob und erwiderte Kelleys forschenden Blick. »Du willst doch auf etwas Bestimmtes hinaus, oder?«

Der Schmied nickte heftig.

»In der Tat. Mir ist aufgefallen, daß Bidwell mehr unterwegs ist als beim Treck.«

Jacob schob seinen Hut in den Nacken, um sich mit dem Halstuch den von der Herde aufgewirbelten Staub aus dem Gesicht zu wischen.

»Wenn mich nicht alles täuscht, ist das doch die Aufgabe eines Scouts, Sam. Vorausreiten, die Gegend erkunden und uns vor möglichen Gefahren warnen.«

»Das stimmt«, gab Kelley zu. »Trotzdem kommt es mir seltsam vor, daß Bidwell alles daransetzt, stets allein zu reiten. Erinnerst du dich an unser Zusammentreffen mit der Büffelherde, Jacob?«

»Wie könnte ich das vergessen«, sagte der Deutsche leise und dachte an Ben Miller.

»Bidwell wollte unbedingt allein auf die Jagd reiten. Ben Miller mußte sich ihm regelrecht aufdrängen.«

»Was Ben besser nicht getan hätte«, meinte Jacob und schaute über die Rücken der Tiere zur linken Herdenflanke, wo Bens Sohn Johnny ritt.

»Wie auch immer«, knurrte der Schmied. »So ganz trau' ich unserem Scout nicht.«

»Mir ist seine häufige Abwesenheit auch schon aufgefallen. Aber bislang hat er uns keinen Anlaß gegeben, an seiner Lauterkeit zu zweifeln. Und solange das nicht.«

Jacob brach mitten im Satz ab und sah plötzlich nach oben, mit der Hand über seine Stirn fahrend.

»Was hast du?« fragte Kelley.

»Wasser! Ich habe eben einen Tropfen auf meine Stirn bekommen. Es beginnt zu regnen!«

Der Schmied lachte rauh.

»Das wäre zu schön, um wahr zu sein, Jacob. Ein wenig Regen, der den Staub eindämmt, wäre die reinste Wohltat.« Er blickte, wie der Deutsche, hinauf in den Himmel und kniff skeptisch die Augen zusammen. »Aber die paar Wölkchen da oben geben kaum Anlaß, auf einen Regenguß zu hoffen. Du mußt dich geirrt haben. Vielleicht hat ein Vogel etwas fallen gelassen.«

Er hatte kaum ausgesprochen, als der Wind ihnen einen leichten Nieselregen in die Gesichter trieb.

Jetzt lachte Jacob laut. »Das müssen aber eine Menge Vögel sein!«

Anfangs freuten sich die Auswanderer über das lange vermißte Naß, begrüßten es mit Jubel und rissen ihre Hüte, Mützen und Hauben von den Köpfen, um sich den Staub herunterspülen zu lassen.

Während der Mittagsrast dauerte der Regen an, wurde sogar noch etwas stärker und erschwerte es den Frauen, die Feuer in Gang zu halten.

Auch am Nachmittag, als der Treck weiterzog, hörte der Regen nicht auf. Im Gegenteil, er wurde stärker wie der Wind, der jetzt kräftig in die Gesichter der Menschen blies und ihnen die dicken Tropfen fast schmerzhaft entgegenschlug.

Oregon Tom kehrte kurz vor Einbruch der Dämmerung von seinem Erkundungsritt zurück; Er hatte einen Regenmantel aus geöltem Leinen übergestreift, um sein Wildlederzeug davor zu bewahren, daß es sich voll Wasser sog.

»Wie sieht es aus, Tom?« rief ihm Abner Zachary schon von weitem entgegen. »Sind Sie auf Indianer gestoßen?«

Als der Scout den Kopf schüttelte, spritzte von seinem Hut fallendes Wasser nach allen Seiten.

»Nein, Captain, keine Spur von ihnen. Aber trotzdem sollten wir vorsichtig sein. Daß man die Rothäute nicht sieht, bedeutet nicht, daß keine in der Nähe sind.«

»Was sagen Sie zu dem Regen?« erkundigte sich der Prediger. »Eine hübsche Erfrischung, die uns der Herr gesandt hat, was?«

»Noch«, brummte Bidwell. »Aber wenn das ein paar Tage andauert, werden Sie die Erfrischung noch verfluchen.«

*

Die düstere Prophezeiung des Scouts sollte sich bewahrheiten.

Noch in der Nacht wurden Regen und Wind so stark, daß viele der im Freien und unter den Wagenkästen schlafenden Männer zu ihren Frauen und Kindern in die Wagen kletterten.

Jacob und Martin versuchten, ihren Schlafplatz unter dem Wagen durch Planen aus geöltem Leinen abzudichten. Trotzdem floß irgendwann ein kleines Bächlein genau zwischen den beiden Männern hindurch. Sie waren froh, daß sie in Kansas City beim Kauf ihrer Bettrollen nicht gespart und sich für mit wasserdichtem Segeltuch bezogene Schlafsäcke entschieden hatten. Sie hielten dicht und schützten die beiden Deutschen vor dem Regen.

Andere Auswanderer hatten weniger Glück. Manche wachten durchnäßt und frierend auf und störten die noch Schlafenden durch ihre kaum unterdrückten Flüche.

Am nächsten Morgen wollte es gar nicht richtig hell werden, so dicht war der Himmel mit riesigen grauschwarzen Wolken verhangen, die selbst von dem starken Wind kaum weggetrieben werden konnten. Es regnete noch immer, unaufhörlich und heftig. Die Frauen benötigten viel Zeit, um die Feuer zu entfachen. Doch es lohnte sich; der heiße Kaffee vertrieb Nässe und Kälte ein wenig aus den Gliedern.

Erst vier Stunden nach dem Wecken setzte sich der Treck in Bewegung, und auch das geschah nur langsam. Der vor vierundzwanzig Stunden noch so trockene, staubige Boden war inzwischen aufgeweicht und an vielen Stellen schlammig. Über Nacht waren einige Wagen so tief eingesackt, daß es manchmal bis zu zwanzig Ochsen und des zusätzlichen Anschiebens von einem Dutzend Männern bedurfte, sie aus dem Schlamassel zu befreien.