Выбрать главу

Jacobs Ziel hieß Oregon, weil es Irenes Ziel war. Er hatte sich geschworen und ihr versprochen, sie und Jamie wohlbehalten bei Carl Dilger abzuliefern. Daran würde er sich halten, da gab es für ihn kein Überlegen.

Lediglich Martin wäre Nebraska so lieb wie Oregon gewesen. Er suchte einfach nur freies, fruchtbares Land, auf dem er sich als Farmer betätigen konnte. Aber da seine Freunde nach Oregon wollten, würde er sich nicht anders entscheiden.

Jacob half dabei, das Vieh auf die Weide zu treiben. Als solche diente eine flache Senke zwischen ein paar Felsen und baumbestandenen Hügelwellen. Der nahe Fluß ließ einige verstreute Bäume wachsen. Nach den baumlosen Weiten der Prärie wirkte es fast wie ein Wald.

Der junge Zimmermann gehörte zu den vier Männern, die sich für die erste Wache beim Vieh meldeten. Er wollte lieber heute abend im Lager sein, wenn Oregon Tom zurückkehrte.

Zu seinem Glück fand er ein paar Felsblöcke, die eine natürliche, nach drei Seiten geschlossene Schutzhütte bildeten. Die Felsen standen so dicht beieinander, daß kaum ein Windzug hindurchkam. Der ideale Platz für seinen Wachdienst.

Er breitete ein Stück Ölplane auf dem Boden aus, legte eine dicke Wolldecke darüber und hockte sich hin, den Regenmantel fest zusammenziehend. Jetzt war er einigermaßen geschützt vor dem draußen tobenden Sturm. Den SharpsKarabiner hatte er unter den Regenmantel genommen, um ihn vor der Nässe zu bewahren.

Als Wachtposten hatte er den Sharps mitzunehmen, auch wenn er nicht damit rechnete, ihn gebrauchen zu müssen. Was immer es war, auf das Jackson Harris in jener Nacht geschossen hatte, die Gefahr für den Treck, falls sie jemals bestanden hatte, schien die Auswanderer nicht mehr zu bedrohen.

Jacob konnte nicht wissen, wie sehr ihn seine Gedanken täuschten.

*

Der schlanke Reiter stieg von seinem Piebald und band ihn an einen Haselnußstrauch. Nur noch eine knappe Meile trennte ihn vom Treck. Eine Distanz, die er zu Fuß überwinden würde, um nicht bemerkt zu werden.

Das starke Anschwellen des Big Blue war für ihn wie ein Fingerzeig, jetzt zuzuschlagen. Hätten die Wagen den Fluß überquert und in Manhattan übernachtet, wäre es sicher schwerer gewesen, an die Pferde heranzukommen.

Außerdem war der Sturm so stark geworden, daß man kaum hundert Yards weit sehen konnte. Das verminderte die Gefahr, von den Wachen entdeckt zu werden.

Der Piebald hob seinen schlanken Kopf, wieherte leise und sah seinem Herrn nach, der auf den Lagerplatz des Trecks zulief. Sein Reiter hatte das Zaumzeug abgenommen und trug es bei sich. Das Tier schien zu befürchten, er würde nicht zurückkehren. Falls der Mann mit der bronzefarbenen Haut Pech hatte, würde er das auch nicht.

Er blieb stehen und sah sich nach dem Pferd um. Nicht, weil er Angst vor seinem Vorhaben bekommen hatte. Er überlegte nur, ob er den Smith-Karabiner, der im regenfest verschlossenen Scabbard steckte, mitnehmen sollte. Doch das Gewehr würde ihn zu sehr behindern. Sein 44er Colt Dragoon und das Bowiemesser mußten reichen.

Außerdem rechnete er nicht mit einer Auseinandersetzung. Im Schutz der schlechten Sichtverhältnisse wollte er sein Vorhaben still und heimlich durchführen, unbemerkt von den Wachtposten der Auswanderer, die wegen des schlechten Wetters sicher nicht allzu aufmerksam sein würden.

Der Mann lief im schnellen Tempo auf den Treck zu. Bald war der Haselnußstrauch mit dem angebundenen Pferd hinter einem Regenschleier verschwunden.

Er hörte die Viehherde schon, bevor er sie sah. Vorsichtig erstieg er den sanften Hügel, kauerte sich dort hinter niedriges Buschwerk und sah hinunter in das Tal, in dem sich die Tiere zusammendrängten, um sich mit ihren Leibern gegenseitig vor dem Sturm zu schützen.

Dann konnte er auch die Wachtposten ausmachen, drei an der Zahl. Sie hatten sich unter Bäumen und Felsen zusammengekauert und waren so damit beschäftigt, nicht zu sehr durchnäßt zu werden, daß sie kaum ein Auge auf das Vieh warfen.

Ein grimmiges Lächeln huschte über das dunkle Gesicht des Mannes auf dem Hügel. Genauso hatte er sich die Sache vorgestellt. Er würde ein leichtes Spiel haben.

Jeden Strauch, jeden Felsen und jede Bodenerhebung als Deckung ausnutzend, glitt der Mann schlangengleich ins Tal hinunter, von den drei vor sich hindösenden Wächtern unbemerkt. Sein Ziel waren die Pferde, die sich in der nordöstlichen Ecke der Senke einen etwas regengeschützten Platz unter ein paar hohen Weiden gesichert hatten.

Er schlich sich gegen den Wind an die Tiere, damit sie nicht durch seine Witterung nervös wurden. Wieder lächelte er, als er das Pferd sah, hinter dem er jetzt fast drei Wochen her war. Ein großer, schlanker Rappe. Das Pferd, dem er die Narben auf seinem Rücken zu verdanken hatte: Black Thunder.

Der Rappe stand zwischen einem Braunen und einem Schimmel, sich zwischen ihren schützenden, wärmenden Körpern sichtlich wohl fühlend. Als sich der bronzehäutige Mann, immer gegen den Wind, zu Black Thunder durchzwängte, hob das pechschwarze Pferd seinen länglichen Kopf, schnaubte und sah den Mann mißtrauisch an.

Beruhigend redete der Mann auf das Tier ein, zog ein paar für diesen Zweck aufbewahrte Zuckerstücke aus der Tasche und hielt sie Black Thunder auf der flachen Hand vors Maul.

Noch immer bedachte ihn der Rappe mit einem skeptischen Blick und ließ sich schließlich dazu herab, die Hand des Fremden zu beschnuppern. Endlich war das Mißtrauen des Pferdes verflogen, und dankbar fraß es dem Mann aus der Hand.

»Brav, Black Thunder«, sagte dieser. »Siehst du, wir werden gute Freunde.«

Die drei Wächter hockten so weit entfernt, daß sie seine Worte unmöglich hören konnten. Der heftige Sturm verschluckte sie bereits auf kurze Distanz.

Vorsichtig legte der Mann Black Thunder das Zaumzeug an, kam aber nicht weit. Der Rappe scheute zurück, als ihm die Witterung verriet, daß es das Zaumzeug eines anderen Pferdes war.

»Was hast du denn, Black Thunder?« fragte der Mann im beruhigenden Tonfall und strich dem Pferd sanft über die Nüstern. »Wir kennen uns doch. Ich habe dir Zucker gegeben, Black Thunder. Wir sind jetzt Freunde.«

Beim zweiten Versuch hielt der Rappe still. Mit geübten Griffen legte ihm der Mann das Zaumzeug an und schwang sich auf den Rücken des Pferdes.

Bis zu dem Platz, wo er den Piebald zurückgelassen hatte, würde er ohne Sattel reiten. Das war für ihn kein Problem. Sobald er auf einem Pferd saß, verwuchs er mit ihm zu einer Einheit, gleichgültig, ob unter ihm ein Sattel, eine Decke oder nur das Fell des Tieres war.

Er lenkte den Rappen aus der Remuda hinaus auf einen Einschnitt zwischen den Hügeln zu, den er vorhin bei der Beobachtung der Senke entdeckt hatte. Die Unaufmerksamkeit des Wächter würde es ihm erlauben, von ihnen unbemerkt durch diesen Einschnitt zu reiten.

Als er die verschwommene Gestalt vor sich aus dem Regendunst auftauchen sah, wußte er, daß er sich geirrt hatte.

Ein vierter Wächter, den er vom Hügel aus nicht gesehen hatte!

Der Mann rief etwas, aber der Sturm verschluckte seine Worte. Wahrscheinlich sollte sich der Mann auf dem Pferd identifizieren.

Das fiel dem Reiter nicht ein. Er stieß seine Hacken in die Flanken des Rappen und trieb ihn mit lauten Schreien an, direkt auf den nächsten Hügel zu. Jetzt, wo er entdeckt war, würde es zuviel Zeit kosten, den Einschnitt zu nehmen. Und es war sinnlos geworden.

Ein Schuß krachte, und die Kugel pfiff dicht an dem Reiter vorbei.

»Vorwärts, Black Thunder!« rief er. »Zeig, was du kannst!«

Im schnellen Galopp erstürmte der Rappe den Hügel.

*

Anfangs hatte sich Jacob nichts dabei gedacht, als die in seiner Nähe weidenden Pferde in Unruhe gerieten. Wahrscheinlich kämpften sie um den trockensten Platz unter den Weiden.

Aber als die Unruhe nicht nachließ, kroch er aus seiner Felshütte, zog den Hut tief ins Gesicht und kämpfte sich durch den Sturm zu den Pferden vor. Den Karabiner trug er unter dem Regenmantel bei sich.