Выбрать главу

Zu einem zweiten Schuß kam der Halbindianer nicht. Jacob versetzte ihm einen mächtigen Fausthieb an den Kopf und entwand ihm die Waffe, um sie auf den anderen zu richten. Er hockte auf dem Halbblut und hielt ihn mit dessen eigener Waffe in Schach.

»So, Freundchen, das Spiel ist aus«, sagte der Deutsche übellaunig.

»Das war ein ziemlich gemeiner Trick«, keuchte das Halbblut und faßte an den schmerzenden Schädel.

»Nicht gemeiner, als Black Thunder zu stehlen und auf mich zu schießen«, erwiderte Jacob ohne Mitleid. »Du hast Glück, daß wir so weit von Kansas City entfernt sind. Sonst würde ich zurückreiten und dich Marshal Webb übergeben. Wie heißt du überhaupt.«

»Billy Calhoun.«

»Weshalb wolltest du unbedingt Black Thunder stehlen, Billy Calhoun?«

»Mr. Asquith hat mir fünfhundert Dollar versprochen, wenn ich ihm Black Thunder bringe. Er haßt es, bei seinem eigenen Pferderennen geschlagen zu werden.«

»Also will er Black Thunder für seinen Rennstall.«

Das Halbblut nickte.

»Für fünfhundert Dollar nimmst du es in Kauf, erschossen zu werden?«

»Ich habe nicht damit gerechnet, daß man mich erwischt. Außerdem habe ich bei Mr. Asquith immer gut verdient. Er hat gesagt, ohne Black Thunder brauche ich mich bei ihm nicht mehr sehen zu lassen.«

»Tja«, meinte Jacob und stand von dem jungen Halbindianer auf. »Du hast dir eine Menge Ärger eingehandelt. Unser Captain wird entscheiden, was mit dir geschieht.«

»Was ist schon mein Ärger gegen den, den Sie und Ihre Freunde bald bekommen werden.«

Jacob sah ihn irritiert an.

»Wie meinst du das?«

»Ihr Scout führt nichts Gutes im Schilde.«

»Oregon Tom?«

»Ich weiß seinen Namen nicht. Ich weiß auch nicht, was er mit den Männern besprochen hat, die er mehrmals heimlich aufsuchte. Aber ich glaube nicht, daß diese Männer Ihre Freunde sind. Sonst hätte er sich nicht heimlich mit ihnen getroffen.«

»Was weißt du von der Sache?« fragte Jacob hastig, erregt darüber, daß Sam Kelleys leiser Verdacht gegen den Scout so plötzlich bestätigt wurde.

»Nichts. Nur das, was ich eben sagte. Ich hatte viel Zeit, während ich dem Treck folgte. Ein paarmal bin ich dem Scout heimlich nachgeritten, weil mir sein Verhalten merkwürdig vorkam. Immer, wenn er außer Sichtweite des Trecks war, änderte er seine Richtung. Er besprach sich mit Männern, die ich nicht kenne. Wahrscheinlich ist er jetzt auch wieder bei ihnen.«

»Warum glaubst du das?«

»Erst ritt er den Big Blue hinauf nach Norden. Aber als er weit genug vom Treck entfernt war, schwenkte er nach Nordwesten ab und ritt in die Prärie hinein.«

»Wo kann er nur hinwollen?« überlegte Jacob laut.

»Ich kenne auf dieser Seite des Big Blue nur einen Unterschlupf in der Nähe, Henrys Farm.«

»Eine Farm mitten in der Wildnis?«

»Sie ist verlassen. Ein deutscher Auswanderer hatte sich mit seiner Familie auf der Farm niedergelassen. Aber Mißernten und Unwetter machten den Leuten zu schaffen. Innerhalb von zwei Jahren verlor Henry seine Frau und seine vier Kinder. Schließlich fand man ihn tot auf der Farm, mit zerschossenem Kopf. Man sagt, er habe sich aus Kummer selbst umgebracht. Seitdem sollen die Henrys als Geister auf der Farm umgehen, erzählt man sich. Jedenfalls hat es nie wieder jemand gewagt, sich dort niederzulassen.«

»Das klingt nach einem idealen Unterschlupf für Leute, die etwas zu verbergen haben«, meinte Jacob. »Ist es weit von hier?«

»Eine gute Stunde zu reiten, bei dem Sturm vielleicht auch zwei.«

»Würdest du mich hinbringen?«

»Sie vergessen, daß ich kein Pferd habe.«

»O doch«, meinte Jacob grinsend und sah nach rechts, wo ein großer, schwarzer Schatten aufgetaucht war. »Black Thunder kommt zurück. Wahrscheinlich will er mich nicht Lügen strafen.« Er sah wieder das Halbblut an. »Kannst du denn reiten?«

Billy Calhoun nickte. »Ich habe mir nur den Fuß verstaucht. Aber ich wüßte nicht, weshalb ich Ihnen helfen sollte, Mister.«

»Vielleicht, damit ich bei unserem Captain ein gutes Wort für dich einlege. Ich habe gehört, hier in der Wildnis werden Pferdediebe gehängt.«

»Manchmal schon«, brummte Calhoun und sah nachdenklich auf den langsam näherkommenden Rappen. »Also gut, Mister. Ich bin dabei. Wenn Sie versprechen, daß ich nicht an einer der verdammten Pappeln unten am Big Blue ende.«

»Versprochen«, sagte Jacob und steckte Calhouns Colt in seine Jackentasche.

*

Nachdem Jacob dem Halbblut beim Aufsteigen geholfen hatte, ritten beide im gestreckten Galopp über die Prärie.

Der Deutsche hatte nicht nur den Revolver, sondern auch das Bowiemesser des anderen an sich genommen. So ganz traute er ihm nicht.

Aber was sollte Billy Calhoun schon im Schilde führen? Er war allein und unbewaffnet. Und hier gab es nichts außer dieser mysteriösen Farm. Falls ihm das Halbblut die Wahrheit erzählt hatte.

Daß die Henry-Farm kein Hirngespinst war, wußte Jacob, als sich ihre Umrisse nach etwa eineinhalb Stunden scharfen Rittes aus dem trüben Grau herausschälten. Sofort hielten sie ihre Pferde an und stiegen aus den Sätteln, um nicht bemerkt zu werden und die Farm in Ruhe zu beobachten.

Sie wirkte verlassen, schon seit vielen Jahren. Unkraut rankte sich am Haupthaus, den Stallungen und dem allmählich auseinanderfallenden Corral empor. Etwa die Hälfte der Fenster im Farmhaus war zerbrochen. Vielleicht von Henry im Wahn eingeschlagen, vielleicht von den faustdicken Hagelkörnern zerstört, die es hier im Winter geben sollte.

War dies wirklich der Versammlungsplatz einer Verschwörung, an der Tom Bidwell beteiligt war?

Nichts deutete darauf hin.

Und was sollte das Ziel dieser Verschwörung sein?

Jacob hatte keine Ahnung. Aber er war hergeritten, um das herauszufinden.

»Kein Anzeichen von Menschen«, stellte er fest. »Keine Pferde im Corral.«

»Die sind bei dem Wetter im Stall besser aufgehoben.«

Jacob stimmte Calhoun zu und sagte: »Sehen wir im Stall nach. Wenn Pferde da sind, wissen wir, daß sich auch Menschen auf der Farm aufhalten.«

»Gehen Sie ruhig. Ich kann mit meinem verstauchten Fuß nicht mitkommen. Ich passe auf unsere Pferde auf.«

Jacob grinste und schüttelte den Kopf.

»Wir werden beide gehen. Deinem Fuß geht es nämlich schon wieder ziemlich gut. Als du eben von Black Thunders Rücken gerutscht bist, hast du den angeblich verstauchten Fuß belastet, ohne zusammenzuzucken.«

»Und unsere Pferde?«

»Wir binden sie dort an«, erklärte Jacob und zeigte auf ein paar Pflaumenbäume in der Nähe.

An dieser Stelle wuchsen einige Bäume und Buschwerk auf der Prärie. Vielleicht war dies der Grund gewesen, weshalb sich Henry mit seiner Familie hier niedergelassen hatte; er hatte es für fruchtbares Land gehalten, und genug Bauholz für seine Farm zur Verfügung gehabt.

Nachdem die Pferde festgebunden waren, schlichen sich Jacob und Billy Calhoun so an den großen Stall an, daß sie vom Haupthaus aus nicht gesehen werden konnten. Jacob ließ den Karabiner im Scabbard, um sich freier bewegen zu können.

Auf halbem Weg meinte das Halbblut: »Sie sollten mir besser meine Waffen zurückgeben, Mr. Adler. Zwei Revolver sind besser als einer, falls wir kämpfen müssen.«

»Bevor ich daran auch nur denke, muß ich davon überzeugt sein, daß mir auf der Farm nicht deine Komplizen auflauern.«

»Ich habe keine Komplizen!«

»Vielleicht stimmt das. Vielleicht aber auch nicht.«

Unbehelligt erreichten sie die Rückwand der Stallung.

»Hören Sie«, zischte das Halbblut. »Da drin sind Pferde!«

Jacob preßte sein Ohr gegen das Holz. Er hörte Geräusche, die das Schnauben von Pferden sein konnten. Aber genauso gut konnte es sich um ein Pfeifen handeln, das der heftige Wind im Gebälk verursachte.