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»Laß das sein!« fuhr ihn Harper an. »Vielleicht brauchen wir die beiden noch.«

»Wozu?« fragte Bidwell, aus seiner Enttäuschung über diese Anordnung keinen Hehl machend.

»Als Lockvögel oder Geiseln, falls etwas schiefläuft.«

»Du mußt immer an alles denken, was?« fragte der falsche Scout widerwillig.

Harper blickte ihn kalt an.

»Sonst hätte ich kein Vermögen gemacht, Tom. Du reitest zurück zum Treck. Ich bereite mit Skinny die Falle am Snake Wall vor. Hoss wird hierbleiben und auf die Gefangenen aufpassen.«

*

Die Nacht lag über der Prärie. Das Heulen des Windes und das Prasseln des Regens hatte um einiges nachgelassen, aber Jacob hatte wenig Anlaß, sich darüber zu freuen.

Er und Billy Calhoun lagen mit mehreren Stricken gefesselt auf dem Boden der Wohnstube. Sie beobachteten durch die offenstehende Tür den bulligen Mann namens Hoss, der auf einem der schmutzigen Betten lag und selig vor sich hin schnarchte.

Anfangs war Hoss tapfer gewesen und hatte sich mit Kaffee zufriedengegeben. Aber je länger und langweiliger ihm der Abend wurde, desto öfter hatte er die noch knapp halbvolle Whiskeyflasche angestarrt. Schließlich hatte er einen winzigen Schluck genommen, dann einen etwas größeren. Irgendwann war die Flasche leer und Hoss voll gewesen. Immer verzweifelter wurde sein Kampf, die Augen offenzuhalten. Er schleppte sich in die Schlafkammer, ließ sich auf das Bett fallen, zog seinen Revolver und warnte seine Gefangenen lallend, keine Dummheiten zu machen. Bald redete er nicht mehr, sondern schnarchte nur noch.

Jacob hatte in der Zwischenzeit einiges über Billy Calhoun erfahren.

Billy war der Sohn eines weißen Mannes, der als Händler zu den Roten gekommen war, und einer Oto-Squaw. Sie lebten mal bei den Weißen, mal bei den Indianern. Bis Billys Mutter an Masern starb. Die Krankheit, die Weißen für gewöhnlich nicht gefährlich wurde, zeigte bei den Oto verheerende Wirkungen. Fast ein Drittel des Stammes wurde ausgelöscht.

Es war eine Krankheit, die der weiße Mann eingeschleppt hatte. Die Oto waren nicht gut auf die Weißen zu sprechen, weshalb Jonathan Calhoun mit seinem Sohn das Indianerland verließ. Damals war Billy Acht gewesen. Kurz darauf sah er seinen Vater zum letztenmal, als der ihn in einer Missionsschule ablieferte. Jonathan Calhoun wollte sein Glück auf den Goldfeldern machen und kehrte niemals wieder.

Billy floh aus der Mission und fand in Kansas City Arbeit bei Homer C. Asquith. Erst als Stallbursche, dann als Begleiter von Frachtzügen - einmal sogar über die Rocky Mountains ins Oregon-Gebiet - und schließlich als Reiter von Asquith' Rennpferden.

Als das Schnarchen ihres Bewachers tief und regelmäßig war, es mußte schon ein paar Stunden nach Mitternacht sein, flüsterte Billy: »Jetzt versuche ich es!«

»Was?« fragte Jacob.

»An mein Messer zu kommen. Hoss hat es beim Abendessen benutzt. Es liegt noch auf dem Tisch.«

»Wenn du dich ungeschickt anstellst und zu laut bist, wird er wach«, warnte ihn Jacob. »Kannst du das Messer überhaupt greifen?«

Das Halbblut nickte.

»Meine Hände sind schon ein Stück frei.«

»Wie das?«

»Der Strick aus dem Stall muß dort schon lange vor sich hingemodert haben. Er ist sehr faserig gewesen. Ich habe ihn an der Kante des Schranks, an dem ich saß, durchgescheuert.«

Langsam schob sich Billy über den schmutzigen Boden zu dem in der Mitte des Zimmers stehenden Tisch, indem er seine Beine anzog, so weit es ging, und wieder ausstreckte. Die Hände konnte er zwar tatsächlich bewegen, aber das nutzte ihm jetzt wenig, waren sie doch immer noch auf seinen Rücken gebunden.

Endlich erreichte er den Tisch und schaffte es unter vielen Mühen, sich halb auf einen der klapprigen Stühle zu legen. Von dort ging es weiter. Er schob sich unter vielen Verrenkungen auf die Tischplatte, ergriff das Messer und säbelte damit die Stricke auf seinem Rücken durch. Als der erste Strick durchtrennt war, ging es schnell.

Bald war er frei und kam mit dem großen Messer in der Rechten auf Jacob zu.

Ein Gedanke durchzuckte den Deutschen: Wenn ihn Billy jetzt abstach, konnte er mit Black Thunder fliehen, und niemand würde ihn des Diebstahls anklagen. Dafür sorgten schon Jed Harper und seine Outlaws.

Die scharfe Klinge näherte sich Jacobs Körper, und seine Fesseln fielen. Erleichtert atmete Jacob auf, als das Messer nicht seine Haut berührte.

Hatte Billy sein plötzliches Erschrecken bemerkt? Er glaubte, ein leichtes, spöttisch wirkendes Grinsen auf dem bräunlichen Gesicht zu sehen.

Jacob rieb seine Gelenke, als er ganz frei war. Sie schmerzten und brannten. Das war ein gutes Zeichen. Sein Blut begann wieder, ungehindert zu zirkulieren.

Hoss hatte von alldem nichts bemerkte. Noch immer lag er friedlich schlafend auf dem Bett, die Hand lässig auf den Revolver gelegt, der auf dem mächtigen Bauch auf und ab schaukelte.

Was sollten sie mit ihm tun? Jacob schaute in seine Richtung und sah dann das Halbblut fragend an.

Billy hob das Messer an seine Kehle und deutete ein Durchschneiden an.

Empört schüttelte Jacob den Kopf und schlich auf Zehenspitzen in die Schlafkammer. Er riß den Revolver des Bullen an sich und hieb ihn über den Schädel des Schlafenden, bevor der richtig erwachen konnte. Hoss grunzte kräftig und setzte dann seinen Schlaf fort, diesmal allerdings gänzlich unfreiwillig.

»Vielleicht war es ein Fehler, ihn schlafen zu legen«, murmelte Jacob. »Ich hätte ihn fragen können, wo dieser Ort namens Snake Wall liegt, an dem der Überfall stattfinden soll.«

»Nicht nötig«, meinte Billy. »Ich kenne den Ort. Es ist eine Furt etwa zehn Meilen oberhalb der Stelle, wo der Treck jetzt lagert. Sie wurde benutzt, bevor man die bessere Furt bei Manhattan entdeckte. Der Name Snake Wall kommt von einer schlangenförmig gewellten Hügelkette, die sich längs des Flußbetts auf dieser Seite des Big Blue entlangzieht.«

»Wieso kennst du dich hier so gut aus?«

»Ich bin zur Hälfte ein Oto. Das hier waren einmal die Jagdgebiete meines Stammes.«

Sie fesselten Hoss mit den Stricken, mit denen sie selbst zuvor gebunden gewesen waren. So stark, daß er sich, wenn er aufwachte, kaum würde rühren können.

Dann sammelten sie ihre Waffen ein.

Billy hob seinen 44er und hielt ihn Jacob hin.

»Wollen Sie ihn wieder einstecken?«

»Nein. Ich vertraue dir, Billy. Du hättest mich eben umbringen und mit Black Thunder fliehen können.« Jacob legte den Kopf schief und sah das Halbblut forschend an. »Warum hast du es eigentlich nicht getan?«

»Sie haben mir eine Chance gegeben. Das hat bisher kaum ein Mensch.«

»Doch, Mr. Asquith, denke ich.«

»So kann man es sehen«, meinte Billy. »Aber Asquith hat es auf eine andere Art getan.«

Er zog zu Jacobs Überraschung seine Jacke und sein Hemd aus, um seinen Oberkörper zu entblößen. Dann zeigte er Jacob seinen Rücken, der über und über mit blutigen Striemen bedeckt war.

»Mein Gott!« stöhnte Jacob. »Wer hat das getan? Asquith?«

»Ja. Weil ich das Rennen nicht gewonnen habe.«

»Warum bist du nicht zum Marshal gegangen?«

»Wozu? Ich bin nur ein Halbblut. Außerdem bezahlt mich Asquith.«

»Jetzt wohl nicht mehr. Was willst du tun, wenn du ihm Black Thunder nicht bringen kannst?«

»Keine Ahnung.«

Zum Glück fanden sie ihre Pferde im Stall. Billy ritt wieder Black Thunder und nahm Hoss' Sattel.

Das Pferd des Bulligen trieben sie in die Nacht hinaus. Sie wollten es dem Mann so schwer wie möglich machen, seine Komplizen zu warnen.

Dann sprengten Jacob und Billy durch den Dunkelheit, um die Auswanderer vor dem Verderben zu bewahren, das ihnen am Snake Wall drohte.

*