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Der Sturm hatte nachgelassen, war kaum noch stärker als der Wind, der sonst über die nächtliche Prärie strich. Der schwere Platzregen war einem leichten Nieseln gewichen. Man konnte auf besseres Wetter hoffen. Fraglich war nur, ob das den Auswanderern noch etwas nutzte.

Die beiden Reiter erreichten das Lager des Trecks kurz nach Sonnenaufgang. Die Auswanderer waren im Aufbruch begriffen. Zugpferde und Maultiere waren angespannt, die Ochsen standen im Joch. Man schien es sehr eilig zu haben.

Gerade rollte der vorderste Wagen, Abner Zacharys Conestoga, an. Wie üblich, lenkte der Treck-Captain seinen Prärieschoner selbst. Vor ihm ritten seine Söhne und Tom Bidwell.

Als der Scout die beiden heranpreschenden Ankömmlinge erblickte, zügelte er sofort den Schecken, riß seinen Revolver aus dem Holster und schoß nach kurzem Zielen.

Die Reiter duckten sich, und die Kugel pfiff über Jacob hinweg.

Bevor Bidwell erneut abdrücken konnte, gab Jacob einen Schuß aus seinem Army Colt ab. Der Scout schrie auf, ließ die Waffe fallen und rutschte aus dem Sattel.

Abner Zachary und seine Söhne verfolgten die Szene mit überraschten, erschrockenen Gesichtern.

Als die Reiter bei dem Conestoga waren, sprangen sie von den Pferden und gingen neben dem Scout in die Knie. Seine Brust war blutig, und er atmete nicht mehr.

»Tot«, stellte Billy fest.

»Es sollte mir leid tun«, meinte Jacob. »Aber wenn ich daran denke, was er mit den Leuten des Trecks vorhatte, kann ich für Bidwell kein Mitleid empfinden.«

Er hatte ihn nicht töten wollen. Aber in der Eile und auf dem schwankenden Pferderücken hatte er nicht besser zielen können.

»Was soll das, Adler?« rief der alte Zachary, der seinen Wagen angehalten und sich auf dem Bock aufgerichtet hatte. »Wo kommen Sie her, mit dem Halbblut? Und warum haben Sie Tom erschossen?«

»Weil er mich erschießen wollte. Wo wollte er mit dem Treck hin?«

»Zu einer Furt namens Snake Wall. Er hatte sie gestern entdeckt und hielt sie für passierbar.«

»Dann haben Sie sich gegen Nebraska entschieden?«

»Ja. Wir wollen in unser Gelobtes Land, nach Oregon! Aber jetzt finden wir die Furt vielleicht niemals.«

»Das wäre auch besser«, sagte Jacob und klärte die Auswanderer, die sich um den Conestoga ihres Captains versammelten, über die wahre Sachlage auf.

»Dann ist alles verloren«, sagte Abner Zachary fast tonlos, als Jacob mit seinem Bericht fertig war. »Wir können nicht über den Fluß und sind zu langsam, um den Outlaws zu entkommen.«

»Wir sollten nicht zu früh aufgeben«, erwiderte Jacob. »Ich sehe zwei Möglichkeiten. Wir können die Wagenburg wieder aufbauen und unser Leben so teuer wie möglich verkaufen. Oder wie versuchen an dieser Stelle eine Flußüberquerung. Wenn die Banditen uns folgen wollen, können wir sie im Fluß unter Feuer nehmen.«

»Aber die Strömung ist viel zu stark!« protestierte Abners Sohn Aaron.

»Nicht mehr so stark wie gestern. Wenn Sie genau hinsehen, werden Sie feststellen, daß der Big Blue auch nicht mehr ganz so breit ist. Das Nachlassen des Regens macht sich bereits bemerkbar.«

»Eins haben Sie uns noch nicht erzählt, Adler«, meinte Aaron. »Weshalb haben es diese Banditen auf uns abgesehen? Nur, weil wir nicht nach Nebraska fahren wollen, um uns das überteuerte Land andrehen zu lassen?«

»Nein, nicht deshalb. Harper und Bidwell sagten, daß es hier etwas Wertvolles zu holen gibt.«

Aaron sah Jacob skeptisch an.

»Was denn?«

»Das fragen Sie besser Mr. Clayton.«

Als der Spieler seinen Namen hörte, griff er nach seinem Revolver.

»Das würde ich nicht tun, Mister!« zischte ihm Billy Calhoun ins Ohr. Er hatte sich unbemerkt von hinten an Clayton herangemacht und drückte ihm jetzt den Lauf seines Colt Dragoons gegen den Hinterkopf. »Sie wollen ihr Gehirn sicher noch eine Weile behalten.«

Jacob entwaffnete den Spieler und förderte nicht nur ein hübsches, kleines Arsenal zutage, sondern auch ein paar am Körper versteckte Karten.

»Also doch«, meinte Jacob. »Ein Falschspieler. Ein Mann, der so viele Waffen und Karten am Körper versteckt hält, hat in seinem Wagen vielleicht noch mehr versteckt.«

Clayton erblaßte bei dieser Bemerkung. Noch mehr allerdings, als die Säcke mit dem gestohlenen Geld in seinem Wagen gefunden wurden.

Sofort sah Martin Urilla an.

»Haben Sie davon gewußt, Miß Anderson.«

Urilla nickte langsam.

»Aber erst, nachdem Alan den Einbruch verübt hatte.«

»Ja«, zischte Clayton und klang wie eine Schlange; »Ich habe Urilla nämlich gefragt, ob sie Lust hat, einen reichen Mann nach Oregon zu begleiten. Sie hatte. Sie tut nämlich alles, um nach Oregon zu kommen, die Verrückte!«

Der Spieler wurde gefesselt und zu dem von ihm gestohlenen Geld in den Wagen gelegt.

Dann beratschlagten die Auswanderer, was sie unternehmen sollten. Die meisten waren dafür, eine Flußüberquerung zu versuchen.

»Mit ein bißchen Glück sind wir drüben, bevor die Kerle am Snake Wall Lunte riechen«, sprach Sam Kelley aus, was die Mehrheit dachte. »Stellt sich nur eine Frage: Wer fährt den ersten Wagen?«

»Ich werde es versuchen«, sagte Jacob. »Unser Wagen ist sehr leicht und bleibt nicht stecken. Natürlich werde ich allein fahren.«

Irene trat auf ihn zu und sah ihn ängstlich an.

»Ich habe mir heute nacht große Sorgen um dich gemacht, Jacob. Ich habe viel gebetet, damit du zurückkommst. Bitte, paß gut auf dich auf!«

Er versprach es, legte seinen Waffengurt, seine Jacke sowie seinen Hut ab und kletterte auf den Bock. Der Regen hatte ganz aufgehört. Jacob nahm es als gutes Zeichen und trieb die Ochsen an.

Die Tiere waren so unwillig, ins Wasser zu gehen, daß er die Peitsche auf ihre Rücken sausen lassen mußte. Erst als sie schmerzhaft den Lederriemen spürten, trotteten sie in die noch immer starke Strömung hinein.

Jacob rechnete nicht damit, daß die Ochsen auch in der Flußmitte festen Boden unter den Füßen haben würden. Sie würden vermutlich schwimmen müssen. Er hoffte, daß der Wagen leicht genug war, um von ihnen durch den Fluß gezogen zu werden.

Er erwies sich als zu leicht.

Die Ochsen begannen zu schwimmen, und das Wasser stand dem Mann auf dem Bock schon bis zur Hüfte. Aber die Strömung riß den Wagen einfach mit sich, trieb ihn nach links ab. So heftig, daß sich die vier Ochsen vergeblich dagegen anstemmten.

»Jacob, spring ab!« rief ihm Martin vom Ufer her zu.

Jacob brüllte die Ochsen an und ließ die Peitsche über ihren Köpfen knallen. Aber es hatte keinen Sinn. Das Wasser stand ihm schon bis zur Brust.

Dann spürte er, wie der Wagen umkippte. Im letzten Augenblick stieß er sich ab und sprang in die schmutzigbraunen Fluten.

Er war am Ufer der Elbe aufgewachsen, war immer schon ein guter Schwimmer gewesen. Es gelang ihm, sich gegen die Strömung zu behaupten und sich Zoll um Zoll schwimmend auf das Ufer, von dem er gekommen war, zuzubewegen. Als er eine Seilschlinge vor sich im Wasser sah, griff er danach und wurde - wie schon am Tag zuvor - wieder an Land gezogen.

»Du kannst anscheinend auf dein tägliches Vollbad nicht verzichten«, meinte Martin grinsend und drückte so seine Erleichterung darüber aus, daß seinem Freund nichts zugestoßen war.

Ihr Wagen allerdings war dem schäumenden Big Blue zum Opfer gefallen. Er brach flußabwärts an einem Felsen in mehrere Teile, die nur um so schneller davontrieben. Wenigstens kamen so die Ochsen frei und retteten sich mit letzter Kraft ans diesseitige Ufer. Abner Zachary schickte ein paar Reiter los, sie zu holen.

»Jetzt müssen wir uns auf die Verteidigung einrichten«, sagte der Captain enttäuscht zu Jacob. »Sie haben bewiesen, daß eine Flußüberquerung unmöglich ist.«

»Das würde ich nicht sagen«, meinte Jacob, der daran dachte, wie vor ein paar Wochen mitten im großen Mississippi die Menschen vom untergehenden Flußdampfer QUEEN OF NEW ORLEANS gerettet worden waren; man hatte ein starkes Tau zum Schwesterschiff QUEEN OF ST. LOUIS gespannt, an dem sich die Schiffbrüchigen festhalten konnten, um gegen die mächtige Strömung zu bestehen. »Wir müßten Seile über den Fluß spannen, um ein Abtreiben der Wagen zu verhindern.«