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Obwohl er wußte, daß der Treck seit seinem Aufbruch am Morgen viele Meilen zurückgelegt hatte, richtete er sich im Sattel auf, zog seine ohnehin schon schmalen, dunklen Augen zu scharfen Schlitzen zusammen und spähte nach Westen, in die untergehende Sonne. Die Kraft seiner Augen reichte nicht so weit, den Treck zu erblicken. Und doch sah er ihn, sah die Wagen, die sich erneut zu einer Burg zusammenschlossen. Sah das Vieh, das müde, aber hungrig auf die Weide getrieben wurde. Sah die Menschen, die beim Abendessen zusammensaßen.

Der junge Reiter beschloß, noch ein paar Meilen hinter sich zu bringen, bevor das Tageslicht endgültig schwand. Dann würde auch er sich zur Ruhe begeben. Er hatte es nicht eilig. Er wußte, daß er den nur langsam vorankommenden Treck im Laufe des nächsten Tages einholen würde.

Er würde morgen noch nicht einmal besonders schnell reiten, weil es für die Ausführung seines Plans besser war, im Schutz der Dunkelheit in die Nähe der Planwagen zu kommen. Niemand durfte ihn bemerken; nur so konnte es gelingen.

Mit einem kurzen Zuruf in einer Sprache, die kaum einer der Auswanderer verstanden hätte, veranlaßte der Reiter den Piebald, in einen leichten Galopp zu verfallen.

Die Männer und Frauen des Trecks schliefen ruhig in dieser Nacht. Sie wußten nichts von ihrem Verfolger. Ebensowenig ahnten sie, daß er nicht der einzige war, der ein besonderes Interesse an den Auswanderern hatte.

*

Die Tage und Nächte waren ebenso eintönig wie die Landschaft, durch die der Treck zog. Fast schien es, als bestünde die Welt nur noch aus einem wellenförmigen, grasbewachsenen Land. Aber gerade dann, wenn Monotonie und Staub alles zu ersticken drohten, wurden die Auswanderer durch unvorhergesehene Ereignisse aus ihrer Lethargie gerissen.

Zwei davon ereigneten sich am selben Tag, dem vierten ihrer Reise. Das erste dieser Ereignisse ließ die Auswanderer zum erstenmal seit ihrem Aufbruch dem Tod ins Gesicht sehen.

George Kelley, der auf seinem Pferd Black Thunder einen Ausritt unternommen hatte, kam am frühen Nachmittag zu den Wagen zurückgefegt und verkündete laut schreiend, er hätte ein Heer riesenhafter Tiere gesehen. Wie Teufel hätten sie ausgesehen mit ihren bärtigen Gesichtern und Hörnern auf den mächtigen Schädeln.

»Junge, das waren keine Teufel, sondern Büffel«, sagte Oregon Tom lachend und meinte dann, auf den Starr-Karabiner in seinem mit indianischer Perlenstickerei versehenen Scabbard klopfend: »Ich werde mir die Tierchen einmal ansehen. Wäre doch gelacht, wenn nicht ein paar saftige Büffelsteaks dabei für uns herausspringen würden.«

Sofort meldete sich eine große Schar Freiwilliger, um sich an der Jagd zu beteiligen. Doch der Scout schüttelte den Kopf.

»Ich reite lieber allein«, sagte er. »Eine Horde wilder Sonntagsjäger macht mir nur die Tiere scheu.«

Schließlich ließ er widerwillig Ben Miller mitreiten, der sich darauf berief, schon Büffel gejagt zu haben. Jeder führte ein Packpferd mit sich, um das erbeutete Fleisch zurück zum Treck zu bringen.

Wie viele andere Männer schaute auch Jacob den beiden Reitern neidisch hinterher, als sie zwischen den Hügelwellen im Norden verschwanden. Zu gern hätte er die urtümlichen Tiere mit eigenen Augen gesehen, von denen er bisher nichts als ihre Hinterlassenschaften am Rande des Trails kannte.

Die in der Sonne getrockneten Büffelfladen gaben ein hervorragendes Brennmaterial ab, wenn in der fast baumlosen Gegend nicht genug Holz, Strauchwerk oder brennbares Unkraut aufzutreiben war. Einige Frauen hatten sich anfangs voller Abscheu geweigert, ihr Essen über Büffelkot zu kochen, aber schließlich waren sie dankbar gewesen, überhaupt Brennstoff zu haben.

Der Treck zog weiter und hatte nach etwa einer Stunde die Büffel schon fast vergessen, als die Auswanderer eine gewaltige Staubwolke im Norden bemerkten, viel größer noch als die von den Prärieschonern aufgewirbelte. Sie schien immer noch größer zu werden, was daran lag, daß sie sich auf den Wagenzug zubewegte.

»Was kann das sein?« fragte Sam Kelley, der neben Jacob ritt.

»Die Büffel.«

»Aber das würde ja bedeuten...«, begann der dunkelhäutige Schmied mit erschrockenem Gesicht und brach dann ab. Zu schrecklich war die Tragweite seines Gedankens.

»Genau das«, sagte Jacob nur und trieb seinen Grauen an, bis er, gefolgt von Kelley, den vordersten Wagen erreicht hatte.

»Haben Sie die Staubwolke gesehen, Captain?« fragte er Abner Zachary, der neben seiner jüngsten Tochter auf dem Bock saß.

Die beiden anderen Töchter gingen, wie viele andere Frauen und Kinder, zu Fuß neben dem Wagen her, um den Maultieren die Last etwas zu erleichtern.

Der Prediger nickte und fragte: »Sind das die Büffel?«

»Das befürchte ich.«

»Wieso befürchten Sie es?«

»Wenn sich die Staubwolke mit einer solchen Geschwindigkeit auf uns zubewegt, kann das nur eins bedeuten.«

»Ja«, unterbrach ihn der alte Zachary, plötzlich verstehend, bestürzt. »Sie haben recht!«

»Haben Sie nicht ein Fernglas, Captain?«

Wieder nickte Zachary und schickte seine Tochter ins Wageninnere, das Glas zu holen. Nach einer Minute hatte sie es gefunden und reichte es Jacob. Der Deutsche ignorierte Bethenias anhimmelndes Lächeln, richtete sich im Sattel auf und spähte durch das Fernglas nach Norden.

»Was sehen Sie?« wollte Zachary wissen.

»Ein Meer aus dunklen Tieren, das schnell auf uns zukommt. Zu schnell, als daß wir die Wagen noch in Sicherheit bringen könnten.«

Das Lächeln auf Bethenias Gesicht erstarb, als auch sie die Gefahr erkannte, in der die Auswanderer schwebten.

»Was können wir tun?« fragte der Treck-Captain, dessen Aufgabe es eigentlich gewesen wäre, den Wagenzug außer Gefahr zu bringen.

Verzweifelt nach einer Antwort suchend, schaute Jacob nach Norden, wo die Staubwolke immer größer wurde. Bald mußte die riesige Büffelherde auch für das bloße Auge erkennbar sein. Die Staubwolke hüllte die Tiere nicht ganz ein, denn der kräftige Wind trieb sie über die Herde hinweg. Von Süden kommend, beugte er das Gras wie zur Begrüßung in Richtung der heranstürmenden Büffel.

»Der Wind!« stieß Jacob erregt hervor. »Nur er kann uns retten!«

Abner Zachary zog die Stirn in Falten und blickte ihn skeptisch an. »Geht es Ihnen gut, Jacob?«

Der erläuterte dem Treckführer seinen Plan, und Zachary blickte noch immer skeptisch drein.

»Wenn das schiefgeht«, brummte er, »zünden wir selbst das Fegefeuer an, in dem wir alle verschmoren werden.«

»Es wird nicht schiefgehen«, versprach Jacob. »Es kann nicht schiefgehen, der Wind ist stark genug.«

Und in Gedanken fügte er hinzu: Es darf nicht schiefgehen!

Er und Sam Kelley sprengten auf ihren Pferden an den Wagen entlang und riefen den übrigen Auswanderern, die inzwischen auch die Gefahr erkannt hatten, zu, was sie tun sollten. Erst sahen sie genauso skeptisch aus wie ihr Captain. Aber schnell begriffen sie, daß Jacobs Plan ihre einzige Chance zum Überleben war.

Sobald ein Feuer entzündet war, steckten sämtliche Reiter des Trecks ihre eilends hergestellten Fackeln daran in Brand und preschten nach nördlicher Richtung in die Prärie, bis sie eine knappe halbe Meile vom Treck entfernt waren. Hier hielten sie die Fackeln an das trockene Gras, das sofort Feuer fing. In einer langen Linie ritten sie über das Grasmeer und steckten es auf einer Länge von etwa zwei Meilen in Brand.