»Sie produzieren sicher nicht so viel Hitze, wenn sie schlafen. Vielleicht ist das die Erklärung.«
»Sie glauben doch nicht, dass ich so etwas übersehen würde!«, erwiderte der Wissenschaftler gereizt. »Es macht etwas aus, aber bei weitem nicht genug. Nein, es muss eine andere Erklärung dafür geben.«
»Nehmen wir es einfach hin und seien wir dankbar«, meinte Pat. »Woher kommt dann dieses Geräusch?«
Mit offensichtlichem Widerwillen wandte sich McKenzie dem neuen Problem zu.
»Der Staub bewegt sich, die Selene aber nicht, also handelt es sich nur um eine lokale Wirkung. Im Übrigen scheint es sich tatsächlich nur an der Rückseite der Kabine abzuspielen. Ob das etwas zu bedeuten hat?« Er deutete auf das Schott hinter sich. »Was liegt dahinter?«
»Die Motoren, Sauerstoffreserve, Kühlanlagen …«
»Kühlanlagen! Natürlich! Das ist mir schon aufgefallen, als ich an Bord kam. Jetzt verstehe ich, was geschehen ist. Die Kühlventilatoren sind so heiß geworden, dass der Staub zirkuliert, wie jede Flüssigkeit, die erhitzt wird. Da draußen befindet sich eine Staubfontäne, und sie nimmt die überschüssige Wärme mit sich. Mit einem bisschen Glück dürfte sich die Temperatur stabilisieren. Wir werden es zwar nicht bequem haben, aber wir können es noch überleben.«
Die beiden Männer sahen einander hoffnungsvoll an. Dann sagte Pat langsam: »Ich bin sicher, dass dies die Erklärung ist. Vielleicht wendet sich jetzt alles zum Guten.«
Er sah auf die Uhr und rechnete kurz nach.
»Die Sonne müsste jetzt über dem Meer aufgehen. Der Stützpunkt wird die Staubschlitten ausgeschickt haben, und unsere Position müsste ungefähr bekannt sein. Ich wette zehn zu eins, dass man uns in ein paar Stunden findet.«
»Sollen wir den Commodore unterrichten?«
»Nein, lassen Sie ihn schlafen. Er hat einen schweren Tag hinter sich. Diese Nachricht kann bis zum Morgen warten.«
Als McKenzie wieder nach vorn gegangen war, versuchte Pat noch einmal einzuschlafen. Aber es gelang ihm nicht mehr. Er lag mit offenen Augen da und dachte über das seltsame Ereignis nach. Der Staub, der sie verschluckt und dann zu rösten gedroht hatte, war ihnen jetzt zu Hilfe gekommen. Ob allerdings die Strömung ihre überschüssige Wärme noch nach oben tragen würde, sobald die aufgehende Sonne das Meer voll bestrahlte, wusste er nicht.
Draußen wisperte der Staub immer noch vorbei, und plötzlich wurde Pat an ein altes Stundenglas erinnert, das man ihm als Kind einmal gezeigt hatte. Wenn man es umdrehte, strömte der Sand durch eine Verengung in die untere Kammer, und die wachsende Sandmenge hatte den Ablauf der Minuten und Stunden angezeigt.
Vor der Erfindung der Uhren mussten zahllose Menschen ihre Tage mit Hilfe dieser fallenden Staubkörner eingeteilt haben. Aber bis jetzt war wohl keinem Menschen die Lebensspanne nach einer Fontäne steigenden Staubes bemessen worden.
7
In Clavius City hatten Chefverwalter Olsen und Direktor Davis eben eine Besprechung mit der Rechtsabteilung beendet. Es war alles andere als erfreulich gewesen; die meiste Zeit hatte man die Erklärungen über den Verzicht auf Verantwortlichkeit diskutiert, die von den vermissten Touristen vor dem Betreten der Selene unterzeichnet worden waren. Davis war früher stets dagegen gewesen, weil er befürchtete, damit Kunden zu verlieren, aber die Anwälte hatten darauf bestanden. Jetzt musste man natürlich froh sein.
Er war dankbar dafür, dass die Behörden von Port Roris gute Arbeit geleistet hatten. Es lag eine vollständige Liste von Unterschriften der Passagiere vor — mit einer möglichen Ausnahme, über die sich die Rechtsanwälte noch nicht geeinigt hatten.
Der inkognito reisende Commodore war als R. S. Hanson aufgeführt, und es sah tatsächlich so aus, als hätte er mit diesem Namen unterzeichnet. Die Unterschrift war jedoch so unleserlich, dass man sie ebenso gut für »Hansteen« gelten lassen konnte; bis jedoch ein Faksimile von der Erde heraufgefunkt werden konnte, ließ sich eine endgültige Entscheidung nicht treffen. Es war wahrscheinlich auch unwichtig. Da der Commodore in amtlichem Auftrag reiste, mussten die Behörden die Verantwortung übernehmen. Auch für alle anderen Passagiere waren sie, wenn nicht gesetzlich, so doch moralisch verantwortlich.
Überdies musste man einen Versuch unternehmen, sie zu finden und ihnen ein anständiges Begräbnis verschaffen. Dieses Problem hatte man einfach Chefinspektor Lawrence, der sich immer noch in Port Roris aufhielt, angehängt.
Er war selten mit weniger Begeisterung an eine Aufgabe herangegangen. Solange noch eine Chance bestand, dass die Passagiere der Selene lebten, hätte er alle Hebel in Bewegung gesetzt, um zu ihnen zu gelangen. Aber jetzt, da sie tot sein mussten, sah er keinen Sinn darin, Menschenleben zu riskieren, nur um die Leichen zu finden und auszugraben.
Dass sie wirklich tot waren, bezweifelte der Chefingenieur Robert Lawrence nicht im Geringsten. Dafür sprachen zu viele Dinge. Das Mondbeben hatte sich gerade zu der Zeit ereignet, als die Selene den Kratersee verlassen wollte. Die Schlucht war von Gerölllawinen halb verschüttet. Selbst die kleinste davon hätte die Selene wie ein Spielzeug zerquetscht. Wäre sie aber infolge einer unwahrscheinlich kleinen Chance diesem Schicksal entgangen, dann hätte man ihre Funksignale empfangen müssen.
Als Erstes musste man das Wrack finden. Das mochte noch relativ einfach sein, selbst wenn es unter Millionen Tonnen Gestein begraben lag. Für solche Probleme gab es schließlich Metalldetektoren. Wenn der Rumpf aufgerissen worden war, hatte sich die Luft in das Beinahe-Vakuum des Mondes verflüchtigt; selbst jetzt, Stunden später, mussten noch Spuren von Sauerstoff und Kohlendioxyd vorhanden sein, die sich mit einem der Gasmessgeräte feststellen ließen. Sobald die Staubschlitten zur Überholung und Auftankung zum Stützpunkt zurückgekehrt waren, würde er sie mit den entsprechenden Geräten ausrüsten und dann wieder hinausschicken.
Nein — es mochte durchaus einfach sein, das Wrack zu finden; es herauszuholen, war praktisch unmöglich. Er würde nicht garantieren, dass sich diese Aufgabe für hundert Millionen lösen ließ. Im Übrigen konnte er sich das Gesicht des Chefverwalters vorstellen, wenn er eine solche Summe auch nur erwähnte. Erstens war es technisch unmöglich, schwere Maschinen in das Gebiet zu bringen — die gebrechlichen, kleinen Staubschlitten waren nutzlos. Um diese Felsmassen zu beseitigen, müsste man Bulldozer über das Meer des Durstes transportieren und ganze Schiffsladungen von Sprengstoff anliefern können. Die ganze Idee war absurd. Er konnte den Standpunkt der Behörden verstehen, und er dachte gar nicht daran, seine überarbeiteten Leute mit einem solchen Problem zu belasten.
So taktvoll wie möglich begann er seinen Bericht abzufassen. Zusammengefasst hätte er lauten können: »A.) Die Aufgabe ist praktisch nicht zu lösen. B.) Wenn überhaupt ein Erfolg möglich ist, dann wird er Millionen kosten und unter Umständen weitere Menschenleben kosten. C.) Im Übrigen lohnt sich das Ganze nicht.«
Weil ihn aber eine so offene Sprache unbeliebt gemacht hätte, umfasste der Bericht über dreitausend Worte.
Als er das Diktat beendet hatte, dachte er eine Weile nach, aber es fiel ihm nichts mehr ein. Er fügte hinzu: »Kopien an Chefverwalter, Mond; Chefingenieur, Rückseite; Leiter des Kontrollturms; Leiter der Touristenbehörde; Zentralarchiv. Bezeichnung: vertraulich.«
Er drückte auf eine Taste. Innerhalb von zwanzig Sekunden hatte das Telefaxgerät alle zwölf Seiten seines Berichts, säuberlich getippt und interpunktiert, ausgeworfen. Trotzdem las Lawrence den Bericht noch einmal durch.
Er war nur halb fertig, als das Telefon läutete.
»Lagrange II ist in der Leitung, Sir«, erklärte die Vermittlung. »Ein Doktor Rawson möchte Sie sprechen.«