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Hansteen sah auf die Uhr. Noch eine Stunde bis zum bescheidenen Mittagessen. Man konnte wieder mit »Mein Freund Shane« anfangen oder trotz Miss Morleys Einwendungen den historischen Roman vorlesen. Aber eigentlich war es schade, jetzt abzubrechen.

»Wenn Sie alle der gleichen Meinung sind«, sagte der Commodore, »rufe ich den nächsten Zeugen.«

»Ich unterstütze den Vorschlag«, erwiderte Barrett sofort, der eine weitere Befragung nicht mehr zu fürchten brauchte. Selbst die Pokerspieler waren dafür, und der Gerichtssekretär zog den nächsten Namen aus der Kaffeekanne, in die man die Zettel geworfen hatte.

Er starrte ihn mit einiger Überraschung an und zögerte, bevor er ihn aufrief.

»Was ist denn los?«, fragte der Vorsitzende. »Sind Sie dran?«

»Äh — nein«, erwiderte der Sekretär und sah den Kronanwalt schadenfroh grinsend an. Er räusperte sich und rief: »Mrs. Myra Schuster!«

»Euer Ehren — ich protestiere!« Mrs. Schuster stand langsam auf, eine beachtliche Gestalt, obwohl sie seither ein oder zwei Kilogramm verloren hatte. Sie deutete auf ihren Mann, der sich verlegen hinter seinen Notizen zu verstecken suchte. »Es ist doch nicht fair, dass er mir Fragen stellt?«

»Ich bin bereit, mich zurückzuziehen«, erklärte Irving Schuster, bevor der Vorsitzende noch sagen konnte: »Der Einwendung wird stattgegeben.«

»Notfalls kann ich die Befragung selbst übernehmen«, sagte der Commodore, »aber ist jemand hier, der sich dazu imstande fühlte?«

Es blieb einige Zeit still, dann erhob sich zu Hansteens Überraschung und Erleichterung einer der Pokerspieler.

»Ich bin zwar kein Anwalt, Euer Ehren, aber ich habe einige Erfahrung mit Gerichten. Ich werde gern einspringen.«

»Sehr schön, Mr. Harding. Fangen Sie an.«

Harding nahm Schusters Platz im vorderen Teil der Kabine ein und betrachtete die Zuhörer. Er war ein kräftiger, zäh aussehender Mann, dem man den Bankdirektor irgendwie nicht glaubte.

»Sie heißen Myra Schuster?«

»Ja.«

»Und was tun Sie auf dem Mond, Mrs. Schuster?«

Die Zeugin lächelte. »Das ist ganz einfach zu beantworten. Man hat mir gesagt, dass ich hier nur zwanzig Kilo wiegen würde — also flog ich hierher.«

»Nur zur Klärung der Lage, warum wollten Sie zwanzig Kilo wiegen?«

Mrs. Schuster sah Harding an, als habe er etwas sehr Dummes gesagt.

»Ich war früher einmal Tänzerin«, sagte sie — und ihre Stimme klang plötzlich wehmütig. »Ich gab meinen Beruf natürlich auf, als ich Irving heiratete.«

»Warum ›natürlich‹, Mrs. Schuster?«

Die Zeugin warf ihrem Mann einen Blick zu. »Oh, er meinte, dass das nicht anständig sei. Und er hatte wohl recht — bei der Art von Tanz, die ich vorführte.«

Das war zu viel für Mr. Schuster. Er schoss in die Höhe, ohne sich an den Vorsitzenden zu wenden, und protestierte: »Also weißt du, Myra! Es ist doch wirklich nicht nötig …«

»Reg dich nicht auf, Irving!«, erwiderte sie. »Was spielt das jetzt für eine Rolle? Wir brauchen doch hier nicht zu schauspielern. Es macht mir gar nichts aus, wenn die Leute hier wissen, dass ich in einem Nachtkabarett getanzt habe und du mich herausgeholt hast, als die Polizei eine Razzia veranstaltete.«

Irving sank, krebsrot im Gesicht, auf seinen Platz, während die gesamte Zuhörerschaft losplatzte. Der Vorsitzende erhob keine Einwendungen. Genau dieses Freiwerden von Spannungen hatte er erhofft. Solange die Leute lachten, konnten sie keine Angst haben.

Und er begann über Mr. Harding nachzudenken, dessen kluge Fragestellung zu der erheiternden Situation geführt hatte. Für einen Mann, der nicht Anwalt war, machte er seine Sache sehr gut. Es würde interessant sein, ihn im Zeugenstand zu sehen — wenn Schuster wieder die Fragen stellte.

11

Endlich wurde die Eintönigkeit des Durstmeeres aufgelockert. Ein winziger, aber hell erleuchteter Lichtsplitter schob sich über den Horizont herauf und glitt am Himmel empor, während die Staubschlitten darauf zurasten. Jetzt gesellte sich ein zweiter Lichtblitz hinzu — ein dritter. Die Gipfel des Gebirges der Unzugänglichkeit erhoben sich über dem Rand des Mondes. Wie gewöhnlich gab es keinen Weg, die Entfernung abzuschätzen. Sie konnten ebenso gut kleine Felsblöcke sein, nur ein paar Schritte entfernt, oder gar nicht zum Mond gehörend, sondern eine riesige, zerklüftete Welt, Millionen von Kilometern draußen im Raum. In Wirklichkeit waren sie fünfzig Kilometer entfernt. Die Schlitten würden sie in einer halben Stunde erreichen.

Tom Rawson starrte sie dankbar an. Jetzt gab es etwas, womit er sich beschäftigen konnte. Er wäre wahnsinnig geworden, hätte er diese anscheinend unendlich weite Ebene noch länger vor Augen gehabt. Er ärgerte sich über diese Unlogik. Er wusste, dass der Horizont nahe war und das ganze Meer nur einen winzigen Teil der ja nicht übergroßen Oberfläche des Mondes bildete. Aber wie er in seinem Raumanzug dasaß, anscheinend ohne von der Stelle zu kommen, wurde er an jene schrecklichen Träume erinnert, in denen man sich mit aller Macht einer furchtbaren Gefahr entziehen will — aber an seinem Platz angeschmiedet zu sein scheint. Tom hatte oft solche Träume.

Aber jetzt konnte er sehen, dass sie wirklich vorwärtskamen und ihr langer, schwarzer Schatten nicht auf dem Staub festgefroren war. Er stellte das Infrarotauge auf die emporsteigenden Gipfel ein und beobachtete eine starke Wirkung. Wie erwartet, waren die Felsspitzen an den Stellen, wo die Sonne sie traf, fast beim Siedepunkt angelangt. Auf »Meeres«-Ebene war es weitaus kühler; der Oberflächenstaub würde seine Höchsttemperatur erst in sieben Tagen erreichen. Das war ein großer Vorteil für ihn. Obwohl der Tag schon begonnen hatte, bestand noch eine Chance, dass er selbst eine schwache Wärmequelle entdeckte.

Zwanzig Minuten später beherrschten die Berge den Himmel, und die Schlitten wurden auf halbe Geschwindigkeit gesetzt.

»Wir wollen nicht über ihre Spur hinausschießen«, erklärte Lawrence. »Wenn Sie genau hinsehen, entdecken Sie dort unter dem Zwillingsgipfel eine dunkle vertikale Linie. Haben Sie's?«

»Ja.«

»Das ist die Schlucht, die zum Kratersee führt. Der von Ihnen entdeckte Wärmefleck befindet sich drei Kilometer westlich davon, also immer noch außerhalb unserer Sichtweite, unter dem Horizont. Von welcher Richtung aus wollen Sie anfangen?«

Rawson überlegte. In Frage kamen nur Norden oder Süden. Wenn er von Westen herankam, hatte er die flammenden Felsen im Blickbereich. Bei der Anfahrt von Osten fuhren sie genau in die Sonne.

»Kurven Sie nach Norden«, sagte er. »Und unterrichten Sie mich, sobald wir nur noch zwei Kilometer von der Stelle entfernt sind.«

Die Schlitten beschleunigten wieder ihre Geschwindigkeit. Obwohl noch keine Hoffnung bestand, etwas zu finden, begann er die Oberfläche des Meeres mit dem Infrarotauge abzusuchen. Dieses ganze Unternehmen basierte auf einer Annahme — dass die oberen Lagen des Staubs normalerweise eine einheitliche Temperatur aufwiesen und jede Veränderung daher auf die Einwirkung des Menschen zurückzuführen war. Wenn das nicht stimmte –

Es stimmte nicht. Er hatte sich völlig verrechnet. Auf dem Bildschirm zeigte sich das Meer als geflecktes Muster von Licht und Schatten — oder vielmehr von Wärme und Kälte. Die Temperaturdifferenzen betrugen nur Bruchteile von Graden, aber das Bild war völlig verwirrend. Es gab keine Möglichkeit, in diesem Thermalirrgarten irgendeine spezifische Wärmequelle zu entdecken.

Bedrückt sah Tom Rawson vom Bildschirm auf und blickte ungläubig auf die Staubfläche. Dem bloßen Auge erschien sie ohne jedes Gepräge — eintönig, eben, grau. Aber durch das Infrarotauge war sie so gesprenkelt wie das Meer auf der Erde an einem wolkigen Tag, wenn sich auf dem Wasser tanzende Muster aus Sonnenlicht und Schatten abzeichnen.

Aber hier gab es keine Wolken, die Schatten werfen konnten. Das gefleckte Aussehen musste eine andere Ursache haben. Aber Tom war wie vor den Kopf geschlagen. Er konnte nicht nach einer wissenschaftlichen Erklärung suchen. Er hatte den weiten Weg zum Mond zurückgelegt, er hatte Kopf und Kragen riskiert — und dann ruinierte eine Finte der Natur sein sorgfältig geplantes Experiment. Das war unbeschreibliches Pech, und er bedauerte sich sehr.