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Ein paar Minuten später kam er dann schließlich auch dazu, die Menschen an Bord der Selene zu bedauern.

»So«, sagte Captain Anson mit übertriebener Gelassenheit.

»Sie möchten also im Gebirge der Unzugänglichkeit landen. Sehr interessant.«

Spenser begriff, dass Anson ihn nicht ernst nahm. Wahrscheinlich glaubte er einen übergeschnappten Reporter vor sich zu haben, der gar nicht richtig begriff, wovon er sprach. Noch vor zwölf Stunden, als der ganze Plan in Spenser erst verschwommen aufgetaucht war, hätte das noch gestimmt. Aber jetzt wusste er genau, was er tat.

»Sie haben sich doch schon gerühmt, Captain, dass Sie Ihr Raumschiff an jedem beliebigen Punkt absetzen können. Ist das richtig?«

»Allerdings — mit ein bisschen Unterstützung vom Elektronenrechner.«

»Das genügt mir. Jetzt sehen Sie sich einmal diese Fotografie an.«

»Was soll denn das sein?«

»Die Aufnahme ist leider nicht sehr gut gelungen, aber sie zeigt alles Wesentliche der unteren Westflanke des Gebirges in Vergrößerung. In ein paar Stunden werde ich eine bessere Aufnahme und eine genaue Konturenkarte hier haben. Ungefähr hier befindet sich ein breiter Sims — auf dem mindestens ein Dutzend Schiffe landen können. Er ist auch ziemlich eben, jedenfalls an diesen Punkten. Von Ihrem Standpunkt aus wäre eine Landung also kein Problem.«

»Vielleicht kein technisches. Aber haben Sie überhaupt eine Vorstellung davon, was das kostet?«

»Das ist meine Sache, Captain — oder vielmehr die meines Auftraggebers. Wenn sich meine Ahnung bewahrheitet, wird es sich auf jeden Fall lohnen.«

»Es geht nicht nur um das Geld«, meinte der Captain. »Selbst wenn die Eigentümer meines Schiffes einverstanden sind, brauchen Sie eine Sondergenehmigung der Raumfahrtkontrollbehörde auf dem Mond.«

»Ich weiß — das wird bereits organisiert.«

»Und wie steht es mit der Versicherung? Solche Extraflüge sind nicht gedeckt.«

Spenser beugte sich vor. »Captain«, sagte er langsam, »Interplanet News ist bereit, eine Bürgschaft in Höhe des Versicherungswerts Ihres Schiffs zu hinterlegen — also die Summe von sechs Millionen vierhundertfünfundzwanzigtausendundfünfzig Sterling Dollar.«

Captain Anson blinzelte. Er füllte sein Glas und warf Spenser einen nachdenklichen Blick zu.

»Ich hätte nie gedacht, dass ich in meinem Alter noch mit der Bergsteigerei anfange«, sagte er. »Aber wenn Sie dumm genug sind, sechs Millionen Stollar auf den Tisch zu legen — dann bin ich natürlich dabei.«

*

Zur großen Erleichterung ihres Mannes war Mrs. Schusters Vernehmung wegen des Mittagessens unterbrochen worden. Nicht wenigen der älteren Passagiere hatten ihre Erinnerungen die eigene Jugend ins Gedächtnis zurückgerufen, zusammen mit Melodienfetzen aus den Songs der neunziger Jahre. Das Gericht hatte nicht protestiert, als sie das ganze Publikum dazu brachte, mit ihr zusammen lauthals einen der alten Schlager zu schmettern. Mrs. Schuster als Stimmungskanone war ihr Gewicht in Gold wert, dachte der Commodore.

Nach dem Mittagessen, das ein paar Esser durch besonders sorgfältiges Kauen bis zu einer halben Stunde ausdehnten, wandte man sich wieder den Büchern zu, und diesmal setzten sich die Liebhaber von »Orange und Apfel« durch. Da es sich um ein englisches Thema handelte, wurde Mr. Barrett als Vorleser bestimmt. Seine Proteste halfen ihm nichts.

»Na schön«, sagte er widerstrebend. »Also los. Kapitel eins. London, Drury Lane. Sechzehnhundertfünfundsechzig …«

Die Autorin hatte jedenfalls keine Zeit verschwendet. Nach drei Seiten erklärte Sir Isaac Newton der schönen Nell Gwynn das Gravitationsgesetz, und eine Gegenleistung war bereits versprochen. Pat Harris konnte sich sehr gut vorstellen, wie diese Gegenleistung aussehen würde, aber ihn rief die Pflicht. Diese Unterhaltung war für die Passagiere, die Mannschaft arbeitete.

»Einen der Schränke habe ich noch nicht geöffnet«, sagte Miss Wilkins, als die Luftschleusentür hinter ihnen zufiel. »Kekse und Marmelade werden langsam knapp, aber das komprimierte Fleisch dürfte reichen.«

»Kein Wunder«, meinte Pat. »Es hängt jedem zum Hals heraus. Lassen Sie mal die Inventarlisten sehen.«

Die Stewardess gab ihm die Blätter.

»Wir fangen mit dieser Kiste an. Was enthält sie?«

»Seife und Papierhandtücher.«

»Damit können wir nichts anfangen. Und dieser Behälter hier?«

»Süßigkeiten. Ich wollte sie für die Feier aufheben — wenn man uns findet.«

»Gute Idee, aber ein bisschen was werden wir heute Abend schon verteilen. Und das hier?«

»Tausend Zigaretten.«

»Sorgen Sie dafür, dass niemand sie sieht. Ich wüsste am liebsten auch nichts davon.« Er grinste Sue an und ging die Liste weiter durch. Es ließ sich absehen, dass die Versorgung mit Nahrungsmitteln nicht zu einem entscheidenden Problem werden würde, aber man musste doch Buch führen. Nach der Rettung kam sicher irgendein Angestellter daher, um alles nachzuprüfen.

Nach der Rettung. Glaubte er denn wirklich daran? Sie waren jetzt seit über zwei Tagen vermisst, und es gab nicht das geringste Anzeichen dafür, dass jemand nach ihnen suchte. Er wusste nicht, welche Anzeichen er meinte — aber er hatte einfach irgendetwas erwartet.

Er brütete vor sich hin, bis Sue besorgt fragte: »Was haben Sie denn, Pat? Stimmt irgendetwas nicht?«

»Ach, ganz im Gegenteil«, erwiderte er sarkastisch. »Wir sind ja in fünf Minuten zu Hause. Die Fahrt war recht hübsch, finden Sie nicht?«

Sue starrte ihn ungläubig an, dann röteten sich ihre Wangen, und die Tränen schossen ihr in die Augen.

»Es tut mir wirklich leid«, sagte Pat schuldbewusst. »Ich habs nicht so gemeint — es war sehr schwer für uns beide, und Sie haben sich großartig gehalten. Ich weiß nicht, was ich ohne Sie getan hätte, Sue.«

Sie betupfte ihre Nase mit einem Taschentuch, lächelte kurz und erwiderte: »Schon in Ordnung. Ich kann's ja verstehen.« Sie schwiegen beide einen Augenblick, dann fügte sie hinzu: »Glauben Sie wirklich, dass wir hier herauskommen?«

Er zuckte hilflos die Achseln. »Wer kann das schon sagen? Wir müssen uns jedenfalls wegen der Passagiere zuversichtlich geben. Man hat sicher eine Riesensuchaktion gestartet. Ich glaube auch nicht, dass es noch lange dauern wird.«

»Aber selbst wenn man uns findet — wie will man uns herausholen?«

Pats Augen wanderten zur Außentür der Luftschleuse, die nur ein paar Zentimeter entfernt war. Er konnte sie von hier aus berühren, ja es wäre ihm sogar möglich gewesen, sie zu öffnen, weil sie nach innen aufging. Auf der anderen Seite dieser dünnen Metallplatte befanden sich unzählige Tonnen Staub, die wie Wasser in ein sinkendes Schiff durch jede Ritze eindringen würden. Wie weit lag die Oberfläche entfernt? Darüber zerbrach er sich seit der Katastrophe den Kopf, aber es gab keinen Weg, das festzustellen.

Ebenso wenig konnte er Sues Frage beantworten. Wenn man sie entdeckte, würde sicher auch eine Rettung möglich sein.

Aber das waren Wunschgedanken, nicht Logik. Hunderte von Malen hatten sich in der Vergangenheit Menschen in ähnlicher Situation befunden, ohne dass es gelungen wäre, sie zu retten.

Pat zwang sich, solchen Gedanken nicht weiter nachzuhängen. Man durfte die Hoffnung einfach nicht aufgeben.

»Beeilen wir uns«, sagte er zu Sue. »Ich möchte doch hören, wie es zwischen Nell Gwynn und Sir Isaac weitergeht.«