13
Chefingenieur Lawrence starrte auf den schwach schimmernden Bildschirm und versuchte, die Botschaft zu entziffern.
Zweihundert Meter entfernt zeigte sich dem Infrarotauge ein nicht allzu stark ausgeprägter Wärmefleck. Er war fast kreisrund und gänzlich isoliert; im gesamten Schwenkbereich des Infrarotauges ließ sich keine andere Wärmequelle entdecken. Obwohl er in der Größe bei weitem nicht jene Stelle erreichte, die Rawson von Lagrange II aus fotografiert hatte, befand er sich am richtigen Ort.
Es gab jedoch keinen Beweis dafür, dass sie gefunden hatten, was sie suchten. Vielleicht ragte ein unterirdischer Felsgipfel bis fast an die Oberfläche des Meeres.
Es gab nur eine Möglichkeit, sich zu vergewissern.
»Sie bleiben hier«, sagte Lawrence. »Ich fahre mit Schlitten Eins weiter. Teilen Sie mir mit, wann ich die Mitte des Fleckens erreicht habe.«
»Halten Sie es für gefährlich?«
»Eigentlich nicht, aber es hat keinen Sinn, dass wir beide ein Risiko eingehen.«
Ganz langsam glitt Schlitten Eins zu jener rätselhaft schimmernden Stelle hinüber, die nur dem Infrarotauge sichtbar war.
»Ein bisschen nach links«, dirigierte Tom. »Noch ein paar Meter — jetzt haben Sie es fast geschafft — halt!«
Lawrence starrte auf den grauen Staub, der sein Fahrzeug trug. Auf den ersten Blick schien sich die Stelle von ihrer Umgebung nicht zu unterscheiden. Als er näher hinsah, bemerkte er etwas, das ihm einen Schauer über den Rücken jagte.
Der Staub zeigte ein ganz feines Pfeffer-und-Salz-Muster. Das Muster bewegte sich. Wie von einem unsichtbaren Wind vorwärtsgetragen, kroch die Oberfläche des Meeres ganz langsam auf ihn zu.
Lawrence wurde es unheimlich. Auf dem Mond lernte man, dem Ungewöhnlichen und Unerklärlichen gegenüber Vorsicht zu zeigen.
»Halten Sie sich fern«, wies er Schlitten Zwei an. »Hier geht etwas sehr Merkwürdiges vor — ich begreife es nicht.« Er unterrichtete Rawson, der einige Zeit nachdachte und dann fragte: »Es sieht wie eine Fontäne aus? Genau das ist es. Wir wissen bereits, dass wir hier eine Wärmequelle vor uns haben — sie ist so stark, dass sie eine Strömung erzeugt.«
»Aber das kann doch nicht von der Selene kommen.«
Er fühlte sich grenzenlos enttäuscht. Sie waren einem Phantom nachgejagt. Ein Ausbruch heißer Gase oder irgendein Strahlungsfeld hatte die Instrumente getäuscht. Je schneller sie von hier wegkamen, desto besser — es konnte immer noch gefährlich sein.
»Einen Augenblick«, sagte Rawson. »Ein Fahrzeug mit einer Reihe von Maschinen und zweiundzwanzig Passagieren dürfte ziemlich viel Wärme erzeugen. Mindestens drei bis vier Kilowatt. Wenn dieser Staub vorher im Gleichgewichtszustand war, würde eine solche Wärmemenge durchaus genügen, eine Strömung hervorzurufen.«
Lawrence hielt das für sehr unwahrscheinlich, aber er wollte sich selbst an einen Strohhalm klammern. Er nahm die Metallsonde und ließ sie in den Staub hinabgleiten. Zuerst ging sie fast ohne Widerstand durch, aber je tiefer sie hinabtauchte, desto mehr Kraft musste Lawrence aufwenden. Bei zwanzig Metern brauchte er seine ganzen Kräfte.
Das obere Ende der Sonde verschwand im Staub. Er hatte allerdings auch nicht erwartet, beim ersten Versuch Erfolg zu haben.
Er musste die Suche systematisch durchführen.
Er ließ den Schlitten ein paar Minuten lang hin- und herfahren und legte in Abständen von je fünf Metern schmale, weiße Papierstreifen auf dem Staub aus. Wie ein Bauer beim Kartoffelpflanzen begann er dann am ersten Streifen entlangzufahren und seine Sonde in den Staub zu tauchen. Die Arbeit war mühsam, denn sie musste genau gemacht werden. Er glich einem Blinden, der sich im Dunkeln mit einem dünnen, biegsamen Stab vorwärtstastet. Wenn das, was er suchte, außerhalb der Reichweite dieses Stabes lag, musste er sich etwas anderes einfallen lassen. Aber dieses Problem brauchte er jetzt noch nicht zu lösen.
Er hatte ungefähr zehn Minuten lang gesucht, als er nachlässig wurde. Er musste die Sonde bei zunehmender Tiefe mit beiden Händen nach unten drücken. Er beugte sich über den Rand des Schlittens und setzte seine ganze Kraft ein, als er ausrutschte und kopfüber in den Staub stürzte.
Pat bemerkte die veränderte Stimmung sofort, als er aus der Luftschleuse trat. Die Leseprobe aus »Orange und Apfel« war längst beendet, und man schien hitzig zu diskutieren. Es wurde sofort still, als er die Kabine betrat. Einige Passagiere sahen ihn von der Seite an, während die anderen ihn zu ignorieren versuchten.
»Nun, Commodore«, sagte er, »was gibt's?«
»Man hat allgemein das Gefühl«, erwiderte Hansteen, »wir würden nicht alles unternehmen, um hier herauszukommen. Ich habe erklärt, dass uns nichts anderes übrigbleibt, als abzuwarten — aber nicht alle sind davon überzeugt.«
Es musste früher oder später so weit kommen, dachte Pat. Es war gegen die menschliche Natur, stillzusitzen und angesichts des Todes einfach nichts zu tun.
»Wir haben das doch oft genug besprochen«, erklärte er müde. »Wir sitzen mindestens zehn Meter tief, und selbst wenn wir die Luftschleuse öffneten, könnte sich niemand gegen den Staubwiderstand nach oben kämpfen.«
»Sind Sie dessen ganz sicher?«, fragte jemand.
»Allerdings«, erwiderte Pat. »Haben Sie jemals versucht, durch Sand zu schwimmen? Sie kommen nicht weit.«
»Und warum versuchen wir es mit den Motoren nicht?«
»Ich bezweifle, ob sie uns auch nur einen Zentimeter vorwärtsbringen. Selbst wenn sie es schaffen könnten, würden wir uns nicht nach oben, sondern geradeaus bewegen.«
»Wir könnten alle zum Heck gehen. Unser Gewicht würde den Bug dann vielleicht in die Höhe treiben.«
»Ich mache mir Sorgen um die Belastung, die der Rumpf aushalten muss«, meinte Pat. »Angenommen, ich lasse die Motoren an — das wäre dasselbe, als prallten wir gegen eine Betonwand. Nur der Himmel weiß, wie viel Schaden wir damit anrichten könnten.«
»Aber es besteht doch eine Chance. Sollte man das Risiko nicht eingehen?«
Pat warf dem Commodore einen Blick zu. Er ärgerte sich, dass Hansteen ihn nicht unterstützte. Aber er musste ja auf eigenen Füßen stehen oder jedenfalls beweisen, dass er es konnte.
»Die Gefahr ist zu groß«, erklärte er rundheraus. »Wir sind mindestens noch vier Tage hier unten völlig sicher. Lange vorher wird man uns gefunden haben. Warum alles auf eine Karte setzen? Wenn es unser letzter Ausweg wäre, würde ich ja sagen — aber jetzt muss ich ablehnen.«
Er sah sich in der Kabine um, bereit, jedem Widerstand entgegenzutreten. Dabei konnte er nicht verhindert, dass er Miss Morleys Blick begegnete. Überrascht und peinlich berührt hörte er sie sagen: »Vielleicht hat es der Captain gar nicht eilig, von hier fortzukommen. Ich stelle fest, dass wir ihn und Miss Wilkins lange nicht mehr gesehen haben.«
Na, da hört sich doch alles auf, dachte Pat. Nur, weil sie nie einen Mann gefunden hat –
»Halt, Harris!«, sagte der Commodore gerade noch rechtzeitig. »Das erledige ich.«
Es war das erste Mal, dass Hansteen seine Autorität wirklich in die Waagschale warf.
»Miss Morley«, sagte er, »das war eine sehr alberne und unangebrachte Bemerkung. Nur die Tatsache, dass wir alle sehr angespannt sind, kann als Entschuldigung gelten. Ich denke, Sie sollten den Captain um Verzeihung bitten.«
»Es stimmt aber«, meinte sie eigensinnig. »Er soll es doch ableugnen.«
Commodore Hansteen hatte in den letzten dreißig Jahren nie die Beherrschung verloren, er dachte auch nicht daran, es jetzt zu tun. Aber er wusste, wann es an der Zeit war, so zu tun. Nicht nur Miss Morley hatte ihn wütend gemacht; er ärgerte sich auch über Pat. Es konnte natürlich sein, dass Miss Morleys Anschuldigung unbegründet war, aber Pat und Sue hatten sich tatsächlich sehr lange in der Kombüse aufgehalten.