Nicht jedoch bei der Auriga. Das Feuer aus den Bremsdüsen fauchte über die Felsen und blies den Staub himmelwärts, der seit Milliarden von Jahren unberührt geblieben war. Einen Augenblick schwebte das Schiff Zentimeter über dem Boden, dann zogen sich die Flammenspeere beinahe widerstrebend zurück. Das Schiff setzte auf.
Maurice Spenser war zum zweiten Mal innerhalb von vierundzwanzig Stunden auf dem Mond gelandet. Das konnten nur sehr wenige Menschen von sich sagen.
»Hoffentlich sind Sie mit der Aussicht zufrieden«, sagte Captain Anson. »Sie kostet Sie eine Stange Geld — und da ist noch die Sache mit den Überstunden. Die Raumfahrergewerkschaft …«
»Haben Sie denn kein Gefühl, Captain? Wie können Sie mich in einem solchen Augenblick mit Kleinigkeiten belästigen? Aber wenn ich etwas sagen darf, ohne dass mir dadurch Mehrkosten entstehen: Die Landung war großartig.«
»Das ist doch eine Selbstverständlichkeit«, erwiderte Anson. »Übrigens — würden Sie hier im Logbuch unterschreiben?«
»Warum denn?«, fragte Spenser argwöhnisch.
»Als Beweis dafür, dass wir richtig gearbeitet haben.«
»Ein mit der Hand geschriebenes Logbuch scheint mir aber doch ziemlich altmodisch zu sein«, meinte Spenser. »Ich dachte, heutzutage wird alles automatisch gemacht.«
»Na ja, das stimmt auch«, erwiderte Anson. »Der elektronische Flugzeichner schreibt alles mit, aber nur im Logbuch stehen die Einzelheiten, durch die sich eine Reise von der anderen unterscheidet — wie ›um sechs Glasen wurde der weiße Wal an Steuerbord gesichtet.‹«
»Ich nehme alles zurück, Captain«, sagte Spencer. »Sie sind doch nicht gefühllos.« Er unterschrieb im Logbuch und ging dann zum Aussichtsfenster.
Die Steuerkabine, hundertfünfzig Meter über dem Boden, besaß die einzigen Fenster im ganzen Schiff. Spenser bot sich ein herrlicher Anblick. Hinter ihm erhoben sich nach Norden zu die steilen Wände des Gebirges der Unzugänglichkeit. Der Name passte nicht mehr, dachte Spenser, er hatte es schließlich erreicht, und da das Raumschiff schon einmal hier war, konnte die Mannschaft vielleicht gleich ein paar Gesteinsproben mitnehmen.
In der anderen Richtung konnte er mindestens vierzig Kilometer weit das Meer des Durstes überblicken. Aber das, was ihn interessierte, war nicht einmal ganze fünf Kilometer entfernt.
Durch das Fernglas klar sichtbar, zeigte sich der Metallstab, den Lawrence als Markierung hinterlassen hatte und der zugleich die Verbindung zwischen der Selene und der Welt aufrechterhielt. Es war kein eindrucksvoller Anblick — eine einsame, aus der endlosen Ebene herausragende Spitze — aber trotzdem irgendwie ans Herz greifend. Ein guter Beginn für die Übertragung, dachte Spenser. Ein Symbol für die Einsamkeit des Menschen in diesem gewaltigen, feindseligen Universum, das er zu erobern versuchte. In ein paar Stunden würde er auf dieser Ebene keineswegs einsam sein, aber bis dahin konnte der Stab zur Einführung dienen, während die Kommentatoren über die Rettungsaktion sprachen und die Zeit mit Interviews ausfüllten. Das war nicht sein Problem. Die Reporter in Clavius City und die Studios auf der Erde hatten dafür zu sorgen. Es gab für ihn nur eine Aufgabe — hier in seinem Adlernest zu sitzen und dafür zu sorgen, dass die richtigen Bilder geliefert wurden. Mit der neuen Gummilinse konnte er selbst von hier aus beinahe Nahaufnahmen machen, sobald sich etwas rührte.
Er starrte nach Südwesten, wo die Sonne ganz langsam am Himmel emporstieg. Fast zwei Wochen würde es noch hell sein. Sorgen um die Beleuchtung brauchte er sich also nicht zu machen. Die Bühne stand bereit.
17
Chefverwalter Olsen wandte sich nur selten an die Öffentlichkeit. Er zog es vor, hinter den Kulissen zu arbeiten. Umso eindrucksvoller wirkte es, wenn er einmal öffentlich auftrat.
Obwohl ihn Millionen beobachteten, konnten ihn die zweiundzwanzig Männer und Frauen, an die er sich wandte, nicht sehen, weil die Selene nicht mit Bildschirm ausgerüstet war. Seine Stimme klang jedoch zuversichtlich genug. Die Eingeschlossenen erfuhren alles, was sie wissen wollten.
»Achtung, Selene«, begann er, »ich möchte Ihnen mitteilen, dass alles auf dem Mond zu Ihrer Rettung mobilisiert wird. Die Ingenieure und Techniker arbeiten Tag und Nacht an den Plänen.
Mr. Lawrence, Chefingenieur Erdseite, leitet das Unternehmen, und ich habe volles Vertrauen zu ihm. Er befindet sich augenblicklich in Port Roris, wo die erforderlichen Apparaturen montiert werden. Man hat entschieden, dass zuerst Ihre Versorgung mit Sauerstoff sichergestellt werden muss. Aus diesem Grund haben wir vor, Rohre durch die Decke der Selene zu treiben. Das geht ziemlich schnell, und dann sind wir in der Lage, Sauerstoff hinunterzupumpen, und falls nötig, auch Nahrung und Wasser. Sobald die Rohre installiert sind, brauchen Sie sich keinerlei Sorgen mehr zu machen. Es mag dann immer noch kurze Zeit dauern, bis man Sie herausholt, aber Sie sind in Sicherheit. Sie brauchen nur abzuwarten.
Ich überlasse Ihnen jetzt die Frequenz wieder, damit Sie mit Ihren Freunden sprechen können. Ich bedauere die Unbequemlichkeiten und Belastungen, unter denen Sie zu leiden hatten, aber das ist jetzt alles vorbei. In ein, zwei Tagen haben wir Sie herausgeholt. Viel Glück!«
An Bord der Selene unterhielt man sich nach Olsens Rede angeregt. Er hatte genau die gewünschte Wirkung erzielt. Die Passagiere betrachteten die ganze Episode bereits als ein Abenteuer, von dem sie ihr ganzes Leben lang erzählen konnten. Nur Pat Harris schien ein wenig unglücklich zu sein.
»Es wäre mir lieber gewesen«, sagte er zu Commodore Hansteen, »wenn sich Olsen nicht so zuversichtlich gegeben hätte. Man soll das Schicksal nicht herausfordern.«
»Ich verstehe Sie recht gut«, erwiderte der Commodore, »aber man kann es ihm nicht übelnehmen — er denkt an unsere Stimmung.«
»Die sehr gut ist — vor allem, seit wir mit unseren Freunden und Verwandten sprechen können.«
»Sie bringen mich da auf etwas. Ein Passagier hat weder eine Nachricht hinausgeschickt noch empfangen. Er scheint überhaupt kein Interesse daran zu haben.«
»Wer denn?«
Hansteen senkte die Stimme. »Der Neuseeländer, Radley. Er sitzt ganz still in der Ecke da drüben. Ich weiß nicht warum, aber er macht mir Sorgen.«
»Vielleicht hat der arme Kerl keinen Menschen auf der Erde, mit dem er sprechen will.«
»Ein Mann mit so viel Geld, dass er auf den Mond fliegen kann, muss ein paar Freunde haben«, erwiderte Hansteen. Dann grinste er. »Das klingt sehr zynisch — so habe ich es nicht gemeint; aber ich bin dafür, dass wir Mr. Radley im Auge behalten.«
»Haben Sie Sue — äh, Miss Wilkins schon davon erzählt?«
»Sie hat mich auf ihn aufmerksam gemacht.«
Das hätte ich mir denken können, dachte Pat bewundernd. Ihr entgeht nichts. Jetzt, da wieder Hoffnung zu bestehen schien, dachte er sehr ernsthaft über Sue nach — und auch über das, was sie zu ihm gesagt hatte. Was fühlte sie wirklich? Bedauerte sie den gemeinsamen Augenblick der Leidenschaft, oder bedeutete er ihr nichts? Sie konnte behaupten, dass das, was in der Luftschleuse geschehen war, nicht mehr galt, dass sie nicht ganz vernünftig gewesen waren …
Aber vielleicht doch. Vielleicht war es gerade der echte Pat Harris, die echte Susan Wilkins, die sich endlich der Verkleidung entledigt und zueinandergefunden hatten. Aber darauf konnte wohl nur die Zeit eine Antwort geben.
Der Staub, der — wenn man so sagen wollte — gegen den Kai plätscherte, von dem die Selene vor vier Tagen abgefahren war, besaß nur eine Tiefe von höchstens zwei Metern, aber für den vorgesehenen Versuch war eine größere Tiefe nicht erforderlich. Wenn die hastig zusammengesetzten Geräte hier funktionierten, dann brauchte man auch auf dem offenen Meer keine Angst zu haben.