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»Ich war das eigentlich nie«, erwiderte Pat. »Schließlich ist der Verstand wichtiger als die Muskelkraft. Ich kann ja nichts dafür, dass die Schwerkraft hier nur ein Sechstel der Erdschwere beträgt. Woher wussten Sie übrigens, dass ich auf dem Mond geboren bin?«

»Nun, in erster Linie zeigt das Ihr Körperbau. Ihr seid alle groß und sehr schlank. Und dann die Hautfarbe — mit den Ultraviolettlampen bekommt ihr niemals die Bräune wie bei echter Sonnenbestrahlung.«

»Dafür sind Sie umso dunkler«, entgegnete Pat grinsend. »Bei Nacht sind Sie sicher sehr schlecht zu finden. Wie kamen Sie eigentlich zu dem Namen McKenzie?«

Da Pat mit den Rassenproblemen nie in Berührung gekommen war, konnte er solche Dinge ohne jede Verlegenheit fragen.

»Mein Großvater bekam ihn von einem Missionar bei der Taufe. Ich bezweifle noch, dass er irgendeine genetische Bedeutung hat. Soviel ich weiß, bin ich ein echter Ureinwohner.«

»Tatsächlich?«

»Ja. Wir bewohnten Australien, bevor die Weißen kamen. Die folgenden Ereignisse waren ziemlich deprimierend.«

Pat besaß keine allzu großen Geschichtskenntnisse. Wie allen Bewohnern des Mondes schienen ihm die Ereignisse auf der Erde nicht allzu bedeutend.

»Es hat wohl Krieg gegeben?«

»So kann man es eigentlich nicht nennen. Wir hatten Speere und Bumerangs — die anderen Gewehre und Pistolen. Gar nicht zu reden von den Krankheiten, die weit mehr Wirkung erzielten. Wir brauchten ungefähr hundertfünfzig Jahre, bis wir uns halbwegs erholt hatten. Erst im vergangenen Jahrhundert ging es aufwärts. Wir sind jetzt etwa wieder hunderttausend Leute — fast so viel wie zu der Zeit, als Ihre Vorfahren bei uns eintrafen.«

McKenzie sagte das mit einer ironischen Überlegenheit, die den Worten jede persönliche Spitze nahm, aber Pat ließ es sich nicht nehmen, die Verantwortung für diese Dinge abzuschieben.

»Geben Sie mir bloß keine Schuld für die Ereignisse auf der Erde«, sagte er. »Ich war nie dort, und ich komme auch nie hin — diese Schwerkraft könnte ich nicht ertragen. Aber ich habe mir Australien oft durch das Teleskop angesehen. Eine geheime Schwäche, wissen Sie — meine Eltern flogen von Woomera aus auf den Mond. — Leben Leute aus Ihrem Volk noch — äh — in primitiven Umständen? Ich habe gehört, dass es so etwas in Asien noch geben soll.«

»Das alte Stammesleben ist vorbei. Es verschwand sehr schnell, als die afrikanischen Nationen in der UN sich gegen Australien wandten. Das war oft sehr unfair — denn ich bin in erster Linie Australier. Aber ich muss zugeben, dass meine weißen Mitmenschen manchmal ziemlich stupide waren. Sie hielten uns für dumm. Im vergangenen Jahrhundert betrachtete man uns noch als Steinzeitmenschen. Unsere Technologie entsprach diesem Zeitalter — aber wir nicht.«

Pat fand an dieser Diskussion nichts ungewöhnlich. Sie mussten einander unterhalten, die zwanzig Bewusstlosen bewachen und den Schlaf abwehren, mindestens fünf Stunden lang.

»Wenn Sie also nicht wie in der Steinzeit lebten, Doc — was ich gern zugeben will –, wie kamen dann die Weißen auf diese Idee?«

»Dummheit und Vorurteil. Man kann leicht zu der Annahme kommen, dass ein Mann unintelligent sei, wenn er nicht zählen, schreiben oder gutes Englisch sprechen kann. Bitte, ich erzähle Ihnen ein Beispiel aus meiner eigenen Familie. Mein Großvater — der erste McKenzie — erlebte noch das Jahr zweitausend, aber er konnte nie weiter als bis zehn zählen. Und eine Mondfinsternis beschrieb er mit recht albern klingenden Worten.

Ich kann die Differentialgleichungen der Mondkreisbahn erklären, aber ich behaupte nicht, dass ich schlauer bin als mein Großvater. Wenn wir den Platz hätten wechseln können, wäre er vielleicht der bessere Physiker geworden. Wir hatten nur nicht die gleichen Gelegenheiten, das ist alles. Großvater lernte nicht zählen, und ich musste nie eine Familie in der Wüste ernähren — was allerhand Fähigkeiten erfordert.«

»Vielleicht könnten wir ein paar von den Fähigkeiten Ihres Großvaters hier brauchen«, meinte Pat nachdenklich. »Denn genau das versuchen wir jetzt — in einer Wüste zu überleben.«

»Man könnte es so ausdrücken, obwohl ich nicht der Meinung bin, dass uns Bumerang und Feuerquirl hier etwas nützen. Vielleicht könnten wir ein bisschen Zauberei gebrauchen — aber leider verstehe ich nichts davon.«

»Tut es Ihnen eigentlich leid, dass die besondere Lebensart Ihres Volkes verschwunden ist?«, erkundigte sich Pat.

»Wie käme ich dazu, ich kannte sie ja kaum. Ich bin in Brisbane geboren und konnte einen Elektronenrechner bedienen, bevor ich je einen Corroboree sah …«

»Einen was?«

»Das ist ein kultischer Tanz. Ich hänge keinen romantischen Illusionen über das einfache Leben und den edlen Wilden nach. Meine Vorfahren waren gute Menschen, und ich schäme mich ihrer nicht, aber durch die Geografie waren sie in eine Sackgasse geraten. Nach dem Kampf ums Überleben besaßen sie keine Energie mehr für die Errichtung einer Zivilisation. Im Ganzen gesehen war es gut, dass die weißen Siedler auftauchten, trotz ihres liebenswürdigen Brauchs, uns vergiftetes Mehl zu verkaufen, wenn sie unser Land wollten.«

»Das haben sie getan?«

»Gewiss.«

Pat dachte ein paar Minuten lang nach. Dann sah er auf seine Uhr und sagte erleichtert: »Ich muss den Stützpunkt wieder rufen. Aber zuerst sehen wir uns noch einmal die Passagiere an.«

20

Lawrence erkannte, dass nicht mehr genug Zeit blieb, sich über aufblasbare Iglus und andere Raffinessen Gedanken zu machen. Jetzt kam es nur noch darauf an, die Selene mit Frischluft zu versorgen. Die Ingenieure und Techniker mussten eben zunächst mit den Raumanzügen vorliebnehmen. Sie brauchten sich dieser Strapaze ja nicht lange zu unterziehen. Wenn sie es innerhalb von fünf oder sechs Stunden nicht schafften, konnten sie wieder umkehren und die Selene der Welt überlassen, nach der sie benannt war.

In den Werkstätten Port Roris' vollbrachte man wahre Wunder der Improvisation. Eine komplette Luftreinigungsanlage mit Sauerstofftanks, Feuchtigkeits- und Kohlendioxydabsorbern, Temperatur- und Druckreglern musste auseinandermontiert und auf einen Schlitten verladen werden. Ebenso eine Bohrmaschine, die eine Lastrakete von Clavius City herübergebracht hatte. Ebenso ein auf der Stelle entworfenes Röhrensystem, das beim ersten Versuch funktionieren musste, weil keine Zeit für Experimente blieb.

Lawrence versuchte nicht, seine Männer anzutreiben. Er wusste, dass es unnötig war. Er hielt sich im Hintergrund, überwachte den Transport der Geräte von den Lagerhäusern und Werkstätten zu den Schlitten und bemühte sich, alle möglichen Hindernisse vorauszusehen. Welche Werkzeuge würde man brauchen? Waren genug Ersatzteile vorhanden? Schaffte man das Floß zuletzt auf die Schlitten, damit es auch als Erstes abgeladen werden konnte? Konnte man es riskieren, Sauerstoff in die Selene zu pumpen, bevor die Abgasleitung angeschlossen wurde? Mit diesen und hundert anderen Einzelheiten beschäftigten sich seine Gedanken. Mehrmals erkundigte er sich bei Pat, an welchen Stellen die Bohrungen vorgenommen werden sollten, wie hoch der Innendruck und die Temperatur sei und ob die Sicherheitsventile noch funktionierten. Und jedes Mal fiel es Pat schwerer, die richtige Antwort zu geben.

Trotz aller Versuche, seiner habhaft zu werden, weigerte sich Lawrence strikt, mit den Reportern zu sprechen, die Port Roris überfallen hatten. Er ließ eine kurze Erklärung über die augenblickliche Lage und die vorgesehenen Maßnahmen veröffentlichen, eine weitere Stellungnahme lehnte er ab.

Er hatte natürlich keine Zeit, die Fernsehsendungen zu beobachten, obwohl er erfuhr, dass Dr. Rawson inzwischen den Ruf einer recht knurrigen Persönlichkeit genoss. Das alles war sicher auf den Einfluss Spensers zurückzuführen, dachte Lawrence. Der Journalist kam sich gewiss sehr großartig vor.