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»Kann man denn am Rand des Meeres nichts feststellen?«

»Das Bild wird hier durch zu viele Einzelheiten verwirrt. Ich kann fünfzig — ja, hundert Objekte sehen, die alle die richtige Größe haben könnten. Sobald die Sonne aufgeht, kann ich sie natürlich genauer studieren. Aber vergessen Sie nicht, dass dort unten jetzt Nacht ist.«

»Wir sind für Ihre Hilfe sehr dankbar. Verständigen Sie uns doch bitte sofort, wenn sich etwas Neues ergibt.«

Davis lauschte in Clavius City resigniert Rawsons Bericht. Das gab den Ausschlag. Man musste die Angehörigen verständigen. Es war unklug, wenn nicht gar unmöglich, die Sache länger geheim zu halten.

Er wandte sich an den Beamten der Verkehrskontrolle und fragte: »Ist die Passagierliste schon eingetroffen?«

»Sie kommt eben per Telefax aus Port Roris. Einen Augenblick.« Als er das dünne Blatt herüberreichte, meinte er: »Sind wichtige Leute an Bord?«

»Alle Touristen sind wichtig«, erklärte Davis kühl, ohne aufzusehen. Dann rief er plötzlich: »Um Gottes willen!«

»Was ist denn los?«

»Commodore Hansteen ist an Bord.«

»Was? Ich wusste gar nicht, dass er sich auf dem Mond aufhält.«

»Wir haben nichts darüber verlauten lassen. Wir hielten es für eine gute Idee, ihn in die Touristenkommission zu berufen, nachdem er pensioniert wurde. Er wollte sich vorher aber auf jeden Fall inkognito ein bisschen umsehen.«

Entsetzt dachten die beiden Männer an die unverkennbare Ironie dieser Situation. Einer der größten Helden der Raumschifffahrt — als gewöhnlicher Tourist bei einem albernen Unfall auf dem Mond umgekommen …

»Das ist natürlich Pech für den Commodore«, meinte der Kontrollbeamte schließlich. »Andererseits ist es aber Glück für die Passagiere — wenn sie noch am Leben sind.«

»Sie werden es wirklich brauchen, da uns auch das Observatorium nicht weiterhelfen kann«, sagte Davis.

Er hatte nur teilweise recht. Dr. Tom Rawson konnte noch mit ein paar Tricks aufwarten.

Ebenso der Jesuitenpater Vincent Ferraro, ein Wissenschaftler von völlig anderer Art. Es war nur bedauerlich, dass er mit Tom Rawson nie zusammentraf. Das hätte sicher ein interessantes Schauspiel gegeben. Pater Ferraro glaubte an Gott und den Menschen; Dr. Rawson glaubte an nichts.

Pater Ferraro hatte seine wissenschaftliche Karriere als Geophysiker begonnen, hatte dann aber umgesattelt und war Selenophysiker geworden — obwohl er diese Bezeichnung nur in besonders pedantischen Augenblicken verwandte. Kein Mensch wusste mehr über das Innere des Mondes. Seine Informationen bezog er von ganzen Instrumentenbatterien, die strategisch über die gesamte Mondoberfläche verteilt waren.

Diese Instrumente hatten eben ein paar sehr interessante Resultate gemeldet. Um neunzehn Uhr fünfunddreißig Minuten siebenundvierzig Sekunden Mondzeit hatte sich in der Regenbogenbucht ein größeres Beben ereignet; es kam ein wenig überraschend, weil dieses Gebiet als besonders stabil bekannt war. Pater Ferraro setzte seine Elektronenrechner in Tätigkeit, um den Zentralpunkt dieser Störung zu ermitteln. Dann ging er zum Mittagessen. Dabei erfuhr er von seinen Kollegen, dass die Selene verschwunden war.

Selbst das größte Elektronengehirn vermag es dem menschlichen Verstand bei der Verbindung anscheinend unzusammenhängender Tatsachen nicht gleichzutun. Pater Ferraro führte den Löffel kaum zum ersten Mal zum Mund, als er zwei und zwei addiert und eine völlig plausible, aber unheilvoll irreführende Lösung gefunden hatte.

5

»… und das, meine Damen und Herren, ist unsere Situation«, schloss Commodore Hansteen. »Wir sind nicht unmittelbar in Gefahr, und ich habe nicht den geringsten Zweifel, dass man uns bald aufspüren wird. Bis dahin müssen wir versuchen, das Beste daraus zu machen.«

Er verstummte und betrachtete die ihm besorgt zugewandten Gesichter. Die möglichen Störfaktoren hatte er bereits erkannt — jener kleine Mann mit dem nervösen Gesichtszucken, diese säuerlich blickende, ältere Dame, die an ihrem Taschentuch zerrte. Vielleicht neutralisierten sie einander, wenn er es fertigbrachte, dass sie sich nebeneinandersetzten …

»Captain Harris und ich — er führt das Kommando, ich berate ihn nur — haben einen Plan ausgearbeitet. Das Essen wird sehr einfach und rationiert sein, aber es dürfte ausreichen, zumal Sie sich ja körperlich nicht zu betätigen brauchen. Ein paar der Damen möchten wir bitten, Miss Wilkins behilflich zu sein — sie hat eine Menge zusätzlicher Arbeit und braucht Unterstützung. Unser größtes Problem ist offen gestanden die Langeweile. Hat übrigens jemand Bücher bei sich?«

Es wurde in Handtaschen und Körben gekramt. Die Ausbeute bestand schließlich in einer Reihe von Mondführern — einschließlich sechs amtlichen Handbüchern, einem Bestseller mit dem Titel »Orange und Apfel«, der sich mit dem unwahrscheinlichen Thema einer Romanze zwischen Nell Gwynn, der Mätresse Karls des Zweiten von England, und Sir Isaac Newton beschäftigte, einer Ausgabe von »Mein Freund Shane« mit Anmerkungen, einer Einführung in den logischen Positivismus August Comtes und einer älteren Ausgabe der New York Times.

Keine sehr reichhaltige Bibliothek, aber bei sorgfältiger Rationierung ließen sich damit die kommenden Stunden schon überbrücken.

»Ich denke, wir rufen einen Vergnügungsausschuss ins Leben, der die Verwendung dieses Materials entscheiden soll. Sie wissen jetzt über unsere Lage Bescheid. Gibt es irgendwelche Fragen — ist Ihnen irgendetwas unklar?«

»Ich möchte gern Folgendes fragen, Sir«, erklärte die englische Stimme, die den Tee gelobt hatte. »Besteht eine Chance, dass wir wieder auftauchen? Ich meine — wenn dieser Staub dem Wasser ähnelt, werden wir dann nicht früher oder später wie ein Korken an die Oberfläche kommen?«

Der Commodore war ratlos. Er sah Pat an und meinte: »Das ist etwas für Sie, Mr. Harris. Besteht diese Aussicht?«

Pat schüttelte den Kopf. »Ich fürchte, dass es das nicht geben wird. Es trifft natürlich zu, dass uns die Luft innerhalb des Rumpfes tragfähig macht, aber dieser Staub entwickelt einen enormen Widerstand. Es kann sein, dass wir einmal wieder an die Oberfläche gelangen — in ein paar tausend Jahren.«

Der Engländer ließ sich anscheinend nicht so leicht entmutigen. »Ich habe bemerkt, dass sich in der Luftschleuse ein Raumanzug befindet. Kann nicht irgendjemand das Boot verlassen und hinaufschwimmen? Dann weiß die Suchabteilung wenigstens, wo wir sind.«

»Ich bin fest davon überzeugt, dass das unmöglich ist«, erwiderte Captain Harris. »Ich bezweifle, ob ein Mann den Widerstand des Staubes überwinden könnte — und natürlich wäre er völlig blind. Woher soll er wissen, wo oben ist? Und wie wollen Sie die Außentür der Luftschleuse hinter ihm schließen? Wenn der Staub erst einmal hereingeflutet ist, kann man ihn nicht mehr entfernen.«

Er hätte noch mehr sagen können, ließ es aber dabei bewenden. Vielleicht mussten sie noch einmal auf diesen verzweifelten Ausweg zurückgreifen, wenn bis Ende der Woche keine Rettung in Aussicht war. Aber mit diesem Albtraum durfte man sich jetzt noch nicht befassen.

»Wenn Sie keine weiteren Fragen haben«, meinte Hansteen, »schlage ich vor, dass wir uns miteinander bekannt machen. Wir müssen uns aneinander gewöhnen, ob wir wollen oder nicht, also werden wir einmal feststellen, wer wir sind. Ich werde die Kabine abgehen, und vielleicht wären Sie so nett, der Reihe nach Ihren Namen, den Beruf und die Heimatstadt anzugeben. Sie zuerst, Sir.«

»Robert Bryan, Ingenieur im Ruhestand — Kingston, Jamaika.«

»Irving Schuster, Rechtsanwalt, Chicago — und meine Frau Myra.«

»Nihal Jayawardene, Professor für Zoologie an der Universität Ceylon, Peradeniya.«

Während sich die Passagiere weiter vorstellten, dachte Pat Harris wieder dankbar an den einzigen Glücksfall in dieser Situation. Charakter, Ausbildung und Erfahrung stempelten Commodore Hansteen zum geborenen Anführer. Er hatte bereits begonnen, diese zufällige Ansammlung von Einzelpersonen zu einem Team zu formen. Diese Dinge hatte er gelernt, während seine kleine Raumschiffflotte Woche um Woche in der grässlichen Leere zwischen den Planeten hing. Pat Harris, der dreißig Jahre jünger war und das Erde-Mond-System nie verlassen hatte, beobachtete diesen stillschweigenden Kommandowechsel nicht mit Missmut.