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Skrang flüsterte ihm die Erklärung ins Ohr. »Das kommt von den Büchern, die sie frißt. Sind voller komplizierter Wörter. Die Hälfte von ihnen kennt sie selbst nicht. So sind alle älteren Buchfresser. Sie will damit sagen, daß sie dich mag und du gerne hier bleiben kannst.«

»Verstehe«, gab Trödler zurück und hoffte inständig, daß von ihm keine entsprechende Antwort erwartet wurde. »Hm, vielen herzlichen Dank, Frych die Gefleckte.«

»Du bist ganz außergewöhnlich - eine so noble Rede- und Verhaltensweise. Skrang, laß die Flavicollis bei uns und steige die Regale hinab. Unsere Empfehlungen an deinen Freund, den hochwerten I-kucheng.«

Skrang verabschiedete sich von Trödler und ließ ihn beim Buchfresser-Stamm zurück.

Zunächst suchte er sich einen Schlafplatz für tagsüber, hinter einigen ledergebundenen Büchern. Er war erschöpft von der Wanderung und den vielen Abenteuern. Irgendwie erinnerte ihn der Geruch der Bücher an Kühe.

Als er einige Zeit später erwachte, untersuchte er seine nähere Umgebung. Er lief die Rückseiten der Regale entlang und merkte sich die Lage von Fluchtlöchern und Schlupfwinkeln. Man konnte nie wissen, wozu so etwas gut war. Er traf viele Mäuse. Manche von ihnen sprachen so erhaben wie Frych die Gefleckte, doch die jüngeren Mäuse nahmen es nicht so genau damit.

Da gab es Gruffydd Grünzahn, Owain, Mefyn, Hywel den Bösen, Ethil die Kahle, Rhodri, Marredud, Nesta, Cadwallon und noch ein gutes Dutzend anderer Buchfresser. Ethil die Kahle und Rhodri, zwei Mäuse seines Alters, waren ihm auf Anhieb sympathisch. Sie hatten noch nicht die Schnauze voller hochtönender Wörter, auch wenn ihnen das eine oder andere gedrechselte Exemplar entschlüpfte. Oft waren sie davon genauso überrascht wie ihr neuer Freund.

In dieser Stunde kostete Trödler sein erstes Buch. »Welche lassen sich am besten knabbern?« erkundigte er sich bei Ethil und Rhodri.

»Na ja«, erwiderte Ethil, »die alten sind leichter zu kauen und besser für die Verdauung, doch an den neuen ist mehr dran. Es liegt nur an dir. Wenn du einen guten, starken Unterkiefer hast, würde ich dir zu den neuen Büchern raten.«

»Zeig mir, wo sie sind.«

»Hier lang«, sagte Rhodri. »Glänzend oder matt?«

»Matt für den Anfang«, antwortete Trödler. »Glänzend versuche ich dann später.«

Und so führten sie ihn zu einem Regal, in dem die Bücher nach frischer Druckerschwärze rochen und das Papier noch knisterte. Mißtrauisch begann er an den Seiten zu knabbern, fand sie nach einer Weile jedoch ganz schmackhaft. Natürlich war das keine zufriedenstellende Mahlzeit, aber auch nicht anstrengender als das Kauen von Samenkörnern. Das Papier füllte den Magen und vertrieb das schmerzhafte Hungergefühl.

Während Trödler fraß, betrat der Nacktling, den er schon kannte, mit einem Glas Milch und Keksen die Bibliothek. Dann schien er sich derart in sein Buch zu vertiefen, daß er nur ein wenig trank und das Essen ganz vergaß. Rhodri sagte, sie würden hinuntersteigen und die Kekse fressen, sobald der Nacktling weg war.

»Hier kämpft jeder nur für sich, tut mir leid«, meinte Ethil. »Du mußt die Augen offenhalten. Niemand wird dir einen Krümel aufheben. Hier drinnen bekommen wir so wenig annehmbaren Proviant, und Bücher schmecken nach einer Weile über die Maßen fade. Manchmal erwischen wir sogar ein Stückchen Käse - obwohl das sehr selten vorkommt, wie ich zugeben muß.«

»Diese Sache mit dem Käse macht mich wirklich neugierig«, meinte Trödler. »Warum seid ihr bloß alle so scharf darauf?«

»O Mann, das ist die Nahrung der Götter - laß mich dir eine Geschichte erzählen ...«

Herve

Die Suche nach dem heiligen Käse

Es war einmal ein großer Anführer, der in einem Haus bei den Docks der Nacktlinge lebte. Sein Name war Rigolet, und viele andere Mäuse dienten ihm. Diese Gefährten wurden von Rigolet ermutigt, sich in Debatten als Gleichgestellte zu betrachten. Daher fanden ihre Ratsversammlungen immer im Kreis statt, damit keine Maus der anderen übergeordnet schien. Rigolet selbst nahm jedoch in der Mitte des Kreises Platz, weil er der Herr der Mäuse war.

Das Haus war eine Festung zum Schutz gegen die Katzen, denen es nie gelang, über seine Schwelle zu treten. Rigolets Stamm wurde stark und fett und galt als mächtigster im ganzen Umkreis. Rigolets Absicht war es, alle Mäusestämme zu einer großen Nation zu vereinigen. Sein Zauberer Fröhlich-mit-Flöhen hatte prophezeit, daß Rigolet eines Tages in eine lebendige Gottheit verwandelt werde. Dann wäre der große Herrscher unverwundbar, ein himmlisches Wesen, dem sich die Sterblichen nur mit aller Ehrfurcht nähern könnten.

Fröhlich-mit-Flöhen sagte zu ihm: »Es gibt für dich nur einen Weg, zu einem lebendigen Gott zu werden. Du mußt vom heiligen Käse kosten, dem Käse aller Käse.«

»Wie ist der Name des wunderbaren Käses?« wollte Rigolet von seinem Zauberer wissen.

»Er hat keinen Namen«, erwiderte Fröhlich-mit-Flöhen, »aber er ist doppelt so reif wie Blauschimmel, dreimal so flüssig wie Brie und riecht siebenmal so stark wie der schlimmste Stinkkäse, den du jemals zu riechen die Ehre hattest.«

»So gut?« schrie Rigolet. »Dann muß ich meine Gefährten hinaussenden, damit sie die Docks nach diesem Käse absuchen.«

Und so machten sich Rigolets Gefährten auf den Weg, um den heiligen Käse zu suchen. Man hatte ihnen versprochen, daß die Maus, die mit dem Käse aller Käse zurückkehrte, mit Rigolet gemeinsam über die große Mäusenation herrschen würde. Sie gingen nach Süden und Norden, Osten und Westen. Sie erlebten mehr Abenteuer, als in eine Geschichte hineinpassen. Sie kämpften gegen Ratten und Schlangen, Wiesel und Hermeline, Falken und Adler. Sie überwanden Flüsse, erkletterten Berge, entdeckten neue Täler und Dschungel. Sie überquerten Seen und Ozeane, Wüsten und Einöden, Sümpfe und Betonwüsten.

Nacheinander kehrten sie entmutigt, erschöpft und abgerissen zurück und konnten die Schmach ihres Versagens kaum ertra-gen.

Nur eine Maus namens Desiree, der Rigolet das größte Vertrauen schenkte und die er als seine rechte Pfote betrachtete, setzte die Suche unbeirrt fort.

Zu einer Stunde, als die Eule schwieg und das Wiesel schlief, stieß Desiree auf ein großes Gebäude, ein Lagerhaus, in dem eine Unzahl in feuchte Tücher gehüllter Käse bis unter die Decke gestapelt war. So weit das Auge sehen konnte, Käse, nichts als Käse. Desiree quetschte sich durch ein kleines Loch und wanderte zwischen Käsesäulen und Käsebergen hindurch. Ihre Nase war schier überwältigt von den mannigfaltigen Düften, die diesen Wundern entströmten. Bestimmt mußte hier der Käse aller Käse zu finden sein.

Tatsächlich lagerten dort viele Sorten, von Pont-l'Eveque bis Sage Derby und Pfefferkranz. Desiree kostete alle. Die Maus verbrachte siebzig Nächte in dem Lagerhaus und probierte siebzig Käsesorten. Schließlich stieß sie auf ein winziges Bröckchen, das auf einer kühlen Schiefertafel lag. Augenblicklich wußte sie, daß dies der Käse der Götter sein mußte.

Nun war sie sich darüber im klaren, daß sie zu fett für das Loch geworden war, und hungerte sieben Nächte lang, um das Lagerhaus verlassen zu können. In dieser Zeit saß sie neben dem kostbaren Käse aller Käse und saugte sein Aroma tief in sich hinein.

Als die Maus schließlich dünn genug war, um sich durch das Loch zu quetschen, nahm sie das Käsestückchen vorsichtig in die Schnauze, um es Rigolet zu bringen. Sie lief in die Nacht hinaus, immer in Richtung des Hauses, in dem ihr Anführer und die Gefährten so sehnsüchtig die Rückkehr der ehrenwertesten und mutigsten unter ihnen erwarteten. Desiree hatte nie den Wunsch gehabt, eine lebendige Gottheit zu werden. Schließlich würde der Finder des Käses mit Rigolet gemeinsam herrschen. Es wurde jedoch eine qualvolle Reise. Sie hatte so lange gehungert und trug nun diesen wundervollen Käse mit sich herum. Desiree lebte in ständiger Angst, das Bröckchen in ihrem Heißhunger unabsichtlich zu verschlucken.