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Endlich erreichte sie das Haus und bat um eine Audienz bei Rigolet. Der Anführer eilte beflissen herbei, um seine langvermißte Freundin zu begrüßen. Er lobte sie über alle Maßen als Treueste von allen.

Der heilige Käse wurde dem Herrn dargeboten, der ihn genüßlich verschlang.

Auf der Stelle verwandelte sich Rigolet in eine Katze.

Sie fraß Desiree, während sich der Rest des Stammes, darunter auch der Zauberer, entsetzt im ganzen Haus zerstreute.

Und so erfüllte sich die Prophezeiung. Rigolet wurde in der Tat zum lebendigen Gott, und sein Stamm brachte ihm auf immerdar Ehrfurcht entgegen. Desiree regierte gemeinsam mit der Katze das Haus, denn die treue Maus war in der Tat ein Teil ihres Herrn geworden. Doch es sollte niemals eine vereinigte Mäusenation geben, denn dies ist nicht die natürliche Lebensform der Mäuse. Sie leben in vielen kleinen Stämmen.

Brie

Ethil sollte recht behalten. Als der Nacktling mit den weißen Schnurrhaaren das Zimmer verließ, war jede Maus auf sich gestellt. Die große, alte Kreatur erhob sich von ihrem Schreibtisch, streckte sich und gähnte - und schon brach ein gewaltiger Tumult los. Junge wurden in den Nestern zurückgelassen; die Mütter entrissen ihnen einfach die Zitzen. Das Kauen der Mitternachtsleckerbissen verstummte, und der Brei aus halbzernagten Büchern wurde verächtlich ausgespuckt. Die Mäuse hielten sogar beim Kacken inne und legten bei Kämpfen und Gesprächen eine Pause ein. Bei Stammesangehörigen, die sich gerade paarten, verflüchtigte sich im Nu die Leidenschaft.

Dutzende von Mäusen krabbelten, sprangen, kratzten und schubsten, um Milch und Kekse zu erhaschen. Sie hofften entgegen aller Wahrscheinlichkeit, es könne sich um Mäusekräk-ker handeln. Vielleicht hatte man auf demselben Teller schon ein Käsesandwich zubereitet, und es waren winzige Krümelchen der kostbaren Nahrung übriggeblieben. Auf dem Schreibtisch brach offene Feindseligkeit zwischen Familien und Freunden aus, die alle nur an Futter dachten. Mäuse wurden umgeworfen und fielen vom Tisch in die Tiefe, erkletterten aber sofort Schublade um Schublade, um sich erneut ins Gewühl zu stürzen. Frych die Gefleckte war dabei und zankte sich mit Gruffydd Grünzahn um ein Keksbröckchen. Mefyn und Nesta wehrten Hywel den Bösen ab, als dieser sich zwischen sie drängen und einen Krümel unter ihrer Nase stibitzen wollte. Selbst Ethil und Rhodri steckten irgendwo in diesem Durcheinander.

Trödler wurde sehr vorsichtig angesichts der zuckenden Masse aus Körpern. Noch nie hatte er eine solche Disziplinlosigkeit bei Mäusen erlebt. Aus Angst vor Verletzungen hielt er sich fern.

Eine Maus namens Cadwallon stürzte sich mit Todesverachtung von einem Regal in die Milch des Nacktlings. Auf die Umstehenden ging ein weißer Sprühregen nieder. Es ertönten Alarmrufe, als das Glas unter dem Zusammenprall ins Schwanken geriet. Cadwallon geriet kurzzeitig in Lebensgefahr und strampelte in der Milch, doch das Glas fiel glücklicherweise unter dem Ansturm der Mäuse um. Cadwallon schoß mit dem Milchstrom auf den Tisch und wurde über die Schreibtischkante gespült. Trödler beobachtete, wie er sich sofort wieder aufrappelte und die weiße Flüssigkeit aufleckte, die von der Tischkante tropfte.

Ein solcher Aufstand um ein bißchen Futter war Trödler völlig fremd. Er schaute nur mit ungläubigem Staunen zu. Als das Futter verschwunden und wieder Ruhe eingekehrt war, unter-hielt er sich mit Ethil. »Das war eine seltsame Vorstellung«, sagte er. Im Grund hielt er diese Gier für abstoßend, behielt seine wahren Gedanken aber lieber für sich, um seine neuen Freunde nicht vor den Kopf zu stoßen.

»Oh, das ist noch gar nichts«, entgegnete Ethil stolz. »Du solltest mal dabei sein, wenn es Buttercremetorte gibt. Ein wahres Massaker.«

»Läuft das jedes Mal so, wenn es ums Fressen geht?«

Ethil schaute ihm in die Augen. »Hör zu, gelbhalsiger Freund, wenn du erst einmal so lange Folianten verdaut hast wie wir, begreifst du auch, daß Bücherkauen sehr, sehr langweilig ist.«

Im Augenblick konnte Trödler mit dieser Bemerkung nicht viel anfangen, doch sollte er sich nach einigen Stunden in der Bibliothek noch an Ethils Worte erinnern. Zunächst jedoch fand er auf einem Eckregal einen schönen, dicken Stapel Kontobücher und knabberte drauflos, um seinen Hunger zu stillen. Diese Freßerfahrung war allerdings schon nicht mehr so befriedigend wie die erste. Obwohl sich sein Magen voll anfühlte, blieb ein Hungergefühl zurück.

Insgesamt war der Buchfresser-Stamm eine friedliche Truppe. Gewalt brach nur dann aus, wenn ein anderer Stamm sie angriff oder richtiges Futter zu haben war. Diese Mäuse stolzierten umher, promenierten die Bücherregale entlang, gestikulierten und sprachen ganz hochgestochen. Bei Trödler rissen sie sich jedoch zusammen, und er fand sie eigentlich ganz nett. Als die Nacht hereinbrach, fanden einige ungewöhnliche Zeremonien statt.

Trödler bemerkte es, als er nach einem kleinen Verdauungsschläfchen auf den Kontobüchern erwachte. Der Raum war sehr dunkel. Eine Art leiser Gesang, der von den Glastüren herüberdrang, hatte ihn geweckt. Er lief die Regale entlang und entdeckte ein Dutzend Mäuse, die im Mondlicht einen sonderbaren Tanz aufführten. Sie wiegten sich im Rhythmus einer fremden Melodie hin und her und verdrehten die Augen, so daß nur das Weiße zu sehen war. Trödler bemerkte Ethil am Rand der Gruppe. Ethil nahm am Tanz selbst nicht teil, schien aber völlig gebannt von der unheimlichen Zeremonie.

Trödler ging zu ihr. »Was ist hier los?«

»Pssst!« flüsterte eine Maus neben Ethil. »Du störst die magischen Rituale.«

Ethil flüsterte ihm ins Ohr: »Sie versuchen den Geist von Megator-Megator zu beschwören. Er war die Riesenmaus, die das Haus vor der Ankunft der Nacktlinge beherrschte.«

Trödler hatte noch nie von Megator-Megator gehört. »Wieso?« fragte er. »Wozu?«

»Umm, umm, umm, umm, umm, umm, umm«, sangen die Tänzer und zeichneten mystische Muster auf den Boden der Bibliothek.

»Damit er den Stamm der Wilden auslöscht - dann gehört die Küche uns.«

Trödler fand dies ziemlich beunruhigend. »Warum sollte er als Riesenmaus uns helfen, andere Mäuse zu dezimieren?«

Rhodri hatte die Frage gehört und schaute Trödler an. »Dezimieren? Woran hast du zuletzt geknabbert? Dezimieren ist nicht dasselbe wie auslöschen - es bedeutet, jede zehnte Maus wird getötet ...«

Trödler war die Bedeutung des Wortes ohnehin nicht bekannt, und er war selbst überrascht, daß er es benutzt hatte.

»Umm, umm, umm, umm«, sangen die Tänzer.

Ethil ergriff das Wort. »Um deine Frage zu beantworten: Wir machen es, weil uns die Magie im Blut liegt. Selbst wenn Me-gator-Megator keine Mäuse auslöschen will, wird er es tun, weil wir ihn in einen Zombie verwandeln. Wir werden seinen Geist unterwerfen. Das können wir, ehrlich. Dies ist eine Höhle voller Hexerei und Zauberkraft. Der Stamm der Wilden mag seine Kraft und Stärke haben, wir aber besitzen Magie.«

Eine singende Tänzerin löste sich aus der Gruppe und ver-drehte wild die Augen. Sie hielt sich die Ohren mit den Pfoten, taumelte drei Schritte vorwärts, bis sie in einem Mondstrahl stand, und verharrte dort. Die anderen Tänzer hielten inne und wandten ihr alle Aufmerksamkeit zu.

Als sie sicher war, daß alle Blicke auf ihr ruhten, öffnete die einzelne Maus die Augen und stieß einen Schrei aus. »Das Haus wird in der fünfmillionenundzehnten Stunde untergehen!«

»Eine Prophezeiung! Eine Prophezeiung!« brüllten die Zuhörer.

Ethil stöhnte nur. »Nicht schon wieder. Das ist die siebte Hausuntergangsprophezeiung innerhalb von achtzehn Stunden. Eigentlich sollten sie es besser wissen. Sie fallen in Trance, weißt du«, erklärte sie Trödler, »und im Zustand der Katalepsie haben sie Visionen. Ich wünsche mir nur, sie würden etwas Originelleres als den Untergang des Hauses sehen.«