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Furz klapperte mit den Zähnen, als er schließlich stehen blieb.

»Was ist los?« fragte Trödler. »Ist dir kalt?«

»Kalt? Darauf kannst du einen lassen. Außerdem hängt irgendwo da oben eine verdammte Eule herum. Und Kellog hat sein Nest gleich um die Ecke.«

»Ach so, du hast Angst. Wo sind wir denn hier?«

»Im Land der Unsichtbaren. Ist so ein Waldmaus-Stamm auf dem Dachboden. Kannst sie nur sehen, wenn sie's wollen. Los, weiter! Der Käse ist nicht mehr weit.«

Noch immer zitternd lief Furz vor Trödler her. Dieser dachte bei sich, daß Käse wirklich herrliches Futter sein mußte, wenn man dafür solche Schrecken auf sich nahm. Natürlich war er selbst nicht allzu gut auf Eulen zu sprechen. Draußen in der Hecke galten sie als die gefährlichsten geflügelten Räuber. Waldkauz, Schleiereule, die todbringende Kurzohreule und die gefährliche Zwergeule. Sie waren lautlose Mörder, die grauen Gesichter der Nacht. Glücklicherweise spürte man wohl nicht allzu viel, wenn einer dieser Räuber zuschnappte.

Trödler starrte angestrengt ins Halbdunkel und konnte einige undeutliche Formen erkennen: rund, gezackt, glatt. Dort drüben lag ein geheimnisvolles Gebirge im uralten Lichtschein, Staub hatte sich wie ein Tuch über die ganze Gegend gebreitet.

Trödler peitschte nervös mit dem langen Schwanz hin und her, während er Furz hinterherkroch. Dann gab es da noch den berühmt-berüchtigten Kellog. In der ganzen Mäusewelt kannte man Ratten als boshafte Kreaturen. Gemeine Ratten waren schon schlimm genug, doch Trödler hatte gehört, daß eine Dachratte mit einem Biß einen Mäusekopf abtrennen konnte. Er überlegte, was er tun sollte: etwa einem unzuverlässigen Wesen wie Furz ins große Unbekannte folgen, an einen Ort, den Eulen und Dachratten beherrschten?

Plötzlich blieb er stehen. Er schnüffelte mit zuckenden Schnurrhaaren. In der Luft lag ein absolut köstlicher Geruch nach etwas, das seine Haltbarkeitsdauer überschritten hatte.

Furz bemerkte, daß Trödler stehen geblieben war, und schaute sich um. »Hast du's gerochen? Nicht schlecht, was? Zitterst am ganzen Körper, was?«

»Ist das der Käse?« fragte Trödler andächtig.

»Klaro. Netter Blauschimmel. Gibt jede Menge Sorten. Der hier ist ein bißchen älter und feuchter, weicher als der feste gelbe Käse. Da wackeln dir die Zehen, was?« Furz lief durch Spinnweben und Staubflocken weiter voran, bis sie in der Nähe einiger Kartons stehen blieben.

Trödler sah ein Lichtquadrat auf dem Boden, das vermutlich von einer Klapptür herrührte. Daneben befand sich ein flaches Holzbrett mit einem Drahtaufbau.

Auf dem Brett lag der Käse.

Trödler trat ein wenig näher heran, doch Furz zuckte zurück.

»Was ist los?« erkundigte sich Trödler. »Willst du etwa keinen Käse?«

»Ha?« fragte Furz nervös und kratzte sich mit der Kralle an der Nase. »Klaro, Mann. Sofort. Du - äh - du zuerst. Ich warte, bis du fertig bist. Hast ja noch nie dran probiert, was? Kriegst den Vortritt.«

»Du scheinst sehr nervös zu sein«, gab Trödler zurück und fragte sich, was mit dem Hausmäuserich nicht stimmte. »Ist die Eule in der Nähe?«

»Hm, ja und nein - mach schon. Grapsch dir einfach den Käse, und wir verdrücken uns!«

Trödler lief zu dem kleinen Holzbrett und schaute den Käse an. Er schien auf einer Art Stachel zu stecken, doch das sah nicht weiter schwierig aus. Das Holz roch leicht nach Nacktling, aber das war auch bei anderen Dingen im Haus - Büchern, Möbeln, Teppichen - der Fall. Eigentlich roch alles nach Nacktling. Furz hatte recht. Am besten, er, Trödler, schnappte sich den Käse und verschwand so schnell wie möglich aus dem Eulenland.

»Na los, na los, mach schon!« schrie Furz schrill. »Worauf wartest du? Hol den Scheißkäse!«

Trödler drehte sich um und sah ihn durchdringend an. »Keine Beleidigungen, Kellermaus. Mein Biß würde dir nicht gefallen.«

»Entschuldigung«, murmelte Furz. Sein Atem ging pfeifend. »Bin nur ein bißchen erhitzt. Achte nicht auf mich.« Er schaute sich die ganze Zeit mit aufgerissenen Augen um und saß in Nase-Hoch-Position, als wolle er über die Stützbalken nach Feinden spähen.

Trödler dachte: Jetzt oder nie. Er ging einen weiteren Schritt auf den Käse zu.

»Gut so, gut so«, murmelte Furz. »Wunderbar .«

Vorsichtig trat Trödler auf die Holzplatte zu. Alles in Ordnung. Nichts geschah. Er bewegte sich zur Mitte hin und beschnüffelte den Käse. Herr im Himmel, war das köstlich! Er leckte mit seiner langen roten Zunge an dem Bröckchen. Ein Hochgenuß!

Furz lief inzwischen aufgeregt hin und her, die Augen auf Trödler und den Käse geheftet, und murmelte unverständliche Worte. Trödler wandte sich wieder dem Käse zu.

Da erscholl eine Stimme von den Dachbalken über ihm. »Paß auf, du Trottel. Spring!«

Instinktiv warf sich Trödler zur Seite.

Mit einem donnernden Knall schoß das Brett hoch und knallte gegen den Drahtbügel. Trödler blinzelte und wußte nicht, wie ihm geschah. Er spürte einen leisen Schmerz am Ende seines Körpers. Als er hinschaute, entdeckte er, daß ein kleines Stück seines Schwanzes fehlte. Was um Himmels willen war passiert? Wo steckte Furz? Und wer hatte gerufen?

»Wer ist da?« fragte er und blickte nach oben. »Wer hat da eben gerufen?«

»Ich heiße Wisperer«, dröhnte die Stimme aus den Schatten über ihm. »Wieso hast du mit einer Schnappfalle herumgespielt? Du hättest dabei sterben können. Bist du wirklich so hungrig?«

»Schnappfalle?« fragte Trödler. »Ich habe noch nie von Schnappfallen gehört.«

»Wo lebst du eigentlich? Die werden von Nacktlingen aufgestellt«, brüllte die Stimme von oben. »Sie legen ein Stück Käse auf die Falle, um dich anzulocken. Und wenn du zugreifst, schnapp, bricht dir die Drahtguillotine das Genick oder Rückgrat. Oder sie klemmt dir das Bein ab, so daß du es durchnagen mußt, um zu entwischen. Scheußliche Dinger, diese Schnapp-fallen. Glücklicherweise bin ich gerade vorbeigekommen. Sonst würde deine Halsschlagader jetzt an einem Holzbrett kleben ...«

»Ja, dafür bin ich dir auch sehr dankbar«, erwiderte Trödler und versuchte, in der Finsternis etwas zu erkennen. »Vermutlich wußte Furz nicht, daß die Falle jeden Augenblick zuschnappen konnte .«

»Furz?« Die körperlose Stimme explodierte förmlich. »Zur Hölle mit ihm! Dieses flohzerfressene Zerrbild einer Hausmaus hat dich hergeführt, nicht wahr? Du bist noch naiver, als ich dachte. Furz war nur hinter dem Käse her. Er konnte ihn erst erwischen, wenn die Falle zugeschnappt war - im übrigen sind die immer bereit zuzuschnappen -, und du Idiot solltest das für ihn besorgen. Er wäre notfalls über deinen zuckenden Körper gelaufen, um an die Beute zu gelangen. Dann hätte er dich einfach liegen lassen.«

Zunächst war Trödler verblüfft über die Worte der unsichtbaren Maus, dann packte ihn die Wut. »Willst du damit sagen, dieser Säufer hätte es zugelassen, daß ich für ein verdammtes Bröckchen Käse getötet worden wäre?«

»Furz würde für ein verdammtes Bröckchen Käse seine eigenen Kinder vergiften«, schrie die geheimnisvolle Stimme. »Furz würde auch seine eigene Großmutter fressen, wenn sie aus Käse wäre.«

»Ich bringe ihn um«, grollte Trödler. »Ich beiße ihm den Kopf ab!«

»Falls du ihn erwischst«, rief die Stimme. »Er ist wahrscheinlich schon auf halbem Weg zum Keller. Er bleibt doch nicht hier, wenn sein Plan aufgeflogen ist.«

»Warum schreist du so?« fragte Trödler und sah sich nervös auf dem Dachboden um. »Wirst du nicht die Aufmerksamkeit auf uns ziehen?«

»Kann nichts dafür«, donnerte die Maus. »Deshalb nennen sie mich ja Wisperer. Na ja, ich kann mich nicht die ganze Nacht mit dir unterhalten. Viel Glück noch, Gelbhals.«

»Trödler, bitte.«

Keine Antwort. Trödler meinte eine Bewegung in den grauen Schatten im Gewirr der Balken zu entdecken, war sich aber nicht sicher. Stille trat ein. Wisperer mochte zwar eine laute Stimme haben, doch seine Schritte waren lautlos. Kein Schwanzzischen im Staub. Nicht einmal das Rascheln von Schnurrhaaren an Holz. Nur das Wissen um aufgewirbelten Staub, der sich auf die Balken legte, und das Gefühl, daß ein bestimmtes Fleckchen dort oben nun leer war.