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Ich übernehme keine Verantwortung für euch.«

»Schon gut, schon gut«, antwortete Furz. Er war froh, daß er seinen Arger an Gorm auslassen konnte. »Fahr nicht gleich aus dem Fell - wir kommen ja.« Wieder wandte er sich an seinen Kumpel, der ausgestreckt auf der gefrorenen Erde lag. »Bitte, Fusel«, flehte er, »du mußt.« Dabei warf er verzweifelte Blicke nach der verschwindenden Mäusekolonne.

»Kann bloß hier liegen, bis ich festgefroren bin«, war die Antwort.

»Jetzt hör mal zu«, brüllte Furz in einem letzten Versuch, »du stehst jetzt auf, oder ich hol' Iban! Der verpaßt dir einen Ik-to-Biß, der sich gewaschen hat!«

Nach diesen Worten suchte Fusel sich aufzurichten. Er haßte Schmerzen. Furz begriff, daß sich sein Freund in einem wahrhaft beklagenswerten Zustand befand. Als Fusel seine Beine endlich in Gang setzte, schwankte er hin und her und drohte jeden Augenblick zusammenzubrechen.

Furz spürte einen Kloß im Hals. »Geht schon, Kumpel. Ich sag' Trödler, er soll noch eine Pause einlegen. Komm, wir müssen jetzt hinterher ...« Er schaute auf den dunklen, bedrohlichen Wald.

Gorm kam irgendwann zurück, knurrte sie an und rannte wieder zur Truppe. Furz ermutigte seinen Stamm unaufhörlich, feuerte ihn an, die vier Pfoten voreinanderzusetzen, die Augen auf den Horizont zu richten und einfach zu marschieren.

»Marschieren«, grollte Fusel, als sie den ersten Baum erreichten. »Marschieren? Ich könnte keinen -«

»Keinen was?« fragte Furz und drehte sich um. Er sollte nie erfahren, was Fusel ihm sagen wollte. Denn dieser war wie vom Erdboden verschluckt.

Furz schaute instinktiv nach oben. Eine Eule mit zerzausten Flügeln schoß quer über das Angesicht des Mondes. Sie hielt etwas Kleines, Erbarmungswürdiges in ihren Krallen, dessen Schwanz und Beine herabbaumelten. Ironischerweise hatte diese Eule große Ähnlichkeit mit Gnadenvoll.

Furz geriet in Panik und rannte zur Spitze der Kolonne, vorbei an verblüfften Mäusen, die sich Steilhänge hinaufquälten, an denen wilder Thymian wuchs. »Trödler!« rief er keuchend. »Wir müssen anhalten, unbedingt. Eine Eule hat Fusel geschnappt. Wir müssen zurück ...«

Die Kolonne blieb stehen, als sich Trödler umdrehte und auf den entsetzten Furz zuging. »Anhalten? Was sollen wir denn tun, Furz? Wenn wirklich eine Eule Fusel geholt hat, tut es mir sehr leid, aber wir müssen weiter. Es hat keinen Sinn, jetzt kehrtzumachen.«

Furz schrie wild: »Sie hat Fusel geholt. Wir müssen ...« Er schaute Trödler flehend an.

»Wir müssen was, Furz?« fragte dieser freundlich.

»Wir müssen ihm helfen!« brüllte Furz und brach vor aller Augen zusammen.

Gorm kam von hinten zu ihnen. »Was ist los?« knurrte er.

»Eine Eule hat Fusel geholt«, schluchzte Furz.

»Dürfte ihr gehörige Bauchschmerzen bereiten«, meinte Gorm. »Aber warum sind wir stehengeblieben? Ist doch nichts mehr zu machen, oder? Auf geht's! Dieser Wald ist gefährlich genug, auch ohne daß wir herumstehen und warten, daß uns die Eulen ebenfalls fressen. Los, Leute, setzt euch in Bewegung! Trödler, du bist doch der Anführer dieser Meute. Zeig mal ein bißchen Führungskraft!«

Und so verloren sie das erste Mitglied der Expedition an ein Raubtier der Wildnis. Furz stolperte mit der Kolonne weiter, doch nach diesem Erlebnis war er eine Zeitlang nicht mehr derselbe. Sein Überschwang war dahin, seine bombastische Art zerplatzt wie ein Ballon. Sein einziger Freund bewegte sich nun im Zeitlupentempo durch die Gedärme einer Eule. Dann noch ein Rülpsen, ein Husten, und die Überreste des ehrenwerten Fusel würden in Gestalt einer Kugel aus Fell und Knochen aus dem Schlund der Eule hervorschießen.

Auch Trödler empfand den Verlust. Nicht, daß er Fusel gerngehabt hätte, doch er fühlte sich für jedes Mitglied der Expedition verantwortlich. Er diente ihnen als Pfadfinder. Vielleicht hätte er die Tragödie verhindern können, doch er sagte sich, daß es noch mehr Todesfälle geben würde, bevor sie ihr Ziel erreichten. Man konnte nicht mit Dutzenden von Mäusen durch die Wildnis wandern, ohne die eine oder andere zu verlieren. Trödler teilte nach diesem Zwischenfall Späher ein - jeweils zwei an der Spitze, an den Seiten und am Ende der Marschkolonne.

Im Wald fiel ihnen das Marschieren leichter. Der Boden war weich und bemoost, und sie fanden alte Samenkörner und Nüsse. Auch verschrumpelte Herbstpilze und Holzäpfel boten ihnen Nahrung. Bei Gefahr konnten sie in Schlupfwinkel unter den Baumwurzeln und in den Stämmen huschen. Trödler mochte Wälder, obwohl ihm seine alte Hecke am liebsten gewesen war. Damals hatte er sich gefühlt, als lebe er in einem langgestreckten Wald, eingerahmt von einem kühlen Wassergraben und den offenen Feldern voller Futter.

»Zerstreuen!« schrie jemand. »Fuchs!«

Zum Glück überstiegen die Mäuse gerade die kräftigen Wurzeln einer hochgewachsenen Eiche, die den Boden bedeckten und unter denen sich zahlreiche Löcher als Versteck anboten. Die Mäuse schlüpften hinein, fanden sie jedoch schon von wilden Artgenossen besetzt. Da die Löcher sehr geräumig waren, gab es noch Platz für die Ankömmlinge. Allerdings schienen die wilden Mäuse nicht viel von ihren Besuchern zu halten. In der Dunkelheit kam es zu einem erregten Wortwechsel.

»Was zum Teufel wollt ihr hier? Hinaus mit euch!« brüllte eine große Waldmaus.

»Wir suchen Schutz vor einem Fuchs - einer Füchsin, glaube ich. Wir gehen, sobald sie verschwunden ist«, antwortete Trödler.

»Ihr geht jetzt, oder es gibt Ärger«, meinte die Waldmaus grob.

»Hör zu«, meinte Leichtfuß, »wir sind euch fünf zu eins überlegen. Ich glaube, der Stamm der Wilden allein könnte es mit euch aufnehmen.«

»Der Stamm der Wilden?« wiederholte die Waldmaus mißtrauisch. »Wer soll das sein?«

»Wir sind die Wilden. Wenn ihr Ärger macht, schlitzen wir euch von der Schnauze bis zum Schwanz auf«, fauchte Gunhild.

»Tatsächlich?« rief ein anderer Bewohner. Seine Stimme klang allerdings nicht sehr selbstsicher, »Ja«, dröhnte Wisperer, »und wenn die Wilden mit euch fertig sind, fressen die Unsichtbaren die traurigen Überreste.«

»Und danach«, meldete sich Ulf, »polstert die 13-K-Bande ihre Nester mit euren Fellen aus.«

»Außer die Buchfresser verwenden sie für ihre magischen Rituale«, kreischte Frych die Gefleckte.

»Ganz unnötig«, grollte Gorm. »Ich und Furz knöpfen uns diese Gestalten vor und machen sie so richtig zur Sau, nicht wahr, Furz?«

»Klar, Kumpel«, bestätigte Furz. Er war beinahe wieder der alte, stellte sich auf die Seite der Überlegenen und prahlte wie eh und je.

Nach dieser Flut von Drohungen herrschte Schweigen in den Löchern. Die Bewohner beschwerten sich nicht länger über den vorübergehenden Besuch. Ihre einzige Sorge galt nun ebenfalls der Füchsin.

Diese hatte bemerkt, daß die Mäuse in den Löchern verschwunden waren, und schnüffelte an den Eingängen. Sie sah sehr kräftig aus. Eine rote Riesin mit einer Schnauze voller scharfer Zähne, die wie geschaffen waren, Mäuse aufzuspießen. Der Gestank der Füchsin erfüllte das ganze Tunnellabyrinth, und jede Maus zitterte, Gorm der Alte eingeschlossen. Keine der Hausmäuse war je zuvor einem anderen Hundearti-gen als dem gutmütigen, alten Hirnlos begegnet, und dieses Ungeheuer hier draußen war nicht mit ihm zu vergleichen. Die Füchsin wirkte klug und lebhaft und spähte mit brennenden Augen in die Löcher. Sie verfügte über Krallen, mit denen sie graben konnte.

»Das haben wir euch zu verdanken«, flüsterte einer der Bewohner. »Sie wird nicht verschwinden, ohne wenigstens eine von uns mitzunehmen.«

Die Füchsin kratzte am Eingang eines Loches. Das Moos ließ sich leicht abreißen. Sie steckte die Nase in die vergrößerte Öffnung und schnüffelte hörbar.

Furz war nur zwei Körperlängen von der schwarzen, schnaubenden Schnauze entfernt. »Scheiße«, stöhnte er. »Wenn bloß der alte Fusel hier wäre, dann könnten wir zusammen sterben.«