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»Wie kannst du so etwas wagen?« fragte sie leise. »Hast du nicht schon genug Schaden angerichtet? Natürlich verdiene ich deine Vorwürfe, doch nicht dafür, daß ich dich verlassen habe, sondern nur dafür, daß ich mit dir ging und dir vertraute. Wie kannst du es aber wagen, hierher zu kommen und solche Ungeheuerlichkeiten zu dieser Dame zu sagen? Du bist nicht wert, die gleiche Luft zu atmen wie sie. Also verschwinde von hier, und komm mir nie wieder unter die Augen!«

Alberto taumelte ein paar Schritte zurück, und mein Schirm, der sich in seinen Magen bohrte, unterstützte seinen Rückzug. »Du kannst nicht so meinen, mußt sein krank«, sagte er. »Ich biete dir Hand und Namen. Kein andere Mann wird heiraten, wenn er weiß, daß du ...«

Er tat einen Satz rückwärts, als ich den Schirm hob, um ihn auf seinem Kopf zu zerschlagen, doch Evelyn fiel mir in den Arm. »Bitte, das ist ein guter Sonnenschirm«, sagte sie. »Er ist es nicht wert, daß du ihn seinetwegen zerschlägst.«

»Aber er wird dich erpressen. Er wird dich bloßstellen, wenn du nicht .«

»Er kann meine Dummheit in die ganze Welt hinausposaunen«, erklärte Evelyn kalt. »Glaub mir, Amelia, er hat keine Macht mehr über mich. Wäre noch eine Spur von Zuneigung für ihn in mir gewesen, so hätte diese Szene sie ausgelöscht.«

Alberto starrte uns entsetzt an. »Erpressen? Bloßstellen? Dio mio, wie kannst du falsch verstehen? Ich nie denke daran .«

»Das lassen Sie auch besser sein«, riet ich ihm. »Der geringste Ärger von Ihrer Seite, Sie Schuft, dann sitzen Sie im Gefängnis! Die ägyptischen Gefängnisse sind nicht sehr modern und behaglich, und ich habe etwas mehr Einfluß auf die hiesige Regierung als Sie.«

»Nun Sie mich bedrohen«, stellte er befriedigt fest. »Nicht nötig. Wenn Dame mich nicht will, ich gehen. Ich komme nur wegen Ehre. Ah, ich verstehen! Ist ein andere Mann, nicht wahr? Wer ist Räuber, der mir Herz meiner Liebsten stiehlt?«

Bis jetzt hatte sich Evelyn bewundernswert gehalten, doch jetzt flüsterte sie mir zu, ob wir nicht um Hilfe rufen könnten, damit er ginge.

»Natürlich können wir das«, erklärte ich, ging an Alberto vorbei, der sich hastig zurückzog, und riß die Tür auf. Gewöhnlich ist ein Flurdiener da, den ich rufen wollte, doch das war nicht nötig, weil Michael, unser Dragoman, auf dem Boden saß und sofort aufsprang. Ich winkte ihn herein.

»Michael, mein Freund, nimm diesen Mann hier am

Kragen und wirf ihn hinaus«, trug ich ihm auf und deutete auf Alberto.

Michael zögerte nicht und griff nach Alberto, doch der wich schnell aus. »Nicht notwendig, ich gehen!« schrie er. »Ich abreise aus Ägypten. Mein Herz gebrochen, mein Leben kapuuut ...«

»Mir egal«, antwortete ich. »Eine Frage noch. Woher wußten Sie, daß wir hier sind, und woher haben Sie das Geld, daß Sie uns folgen konnten?«

»Sind zwei Fragen, Dame. Ich gehen natürlich zu britischem Konsul in Rom, was sonst? Aber ich arbeite auf Schiff, friere, hungere, um meine Herzensliebste . Nein, ich gehen«, beeilte er sich zu versichern, als Michael wieder nach ihm griff. Und Alberto schoß zur Tür hinaus.

»Ich überzeuge mich, daß er gegangen ist«, erbot sich Michael.

»Ich danke dir«, antwortete Evelyn erleichtert. »Wie geht es deinem kleinen Mädchen, Michael? Sollen wir noch einmal nachsehen?«

»Nein, meine Dame. Ich komme, Ihnen zu sagen, daß es ihr bessergeht. Sie wacht auf und will essen, und jetzt danke ich Ihnen. Wenn Sie etwas von Michael brauchen, er wird alles für Sie tun. Und ich folge Ihnen bis ans Ende der Welt. Jetzt aber muß ich nach diesem bösen Mann sehen.«

Mit einer Geste demütiger, würdevoller Dankbarkeit verabschiedete er sich. Kaum hatte sich die Tür hinter ihm geschlossen, als Evelyn in Schluchzen ausbrach. Ich suchte fieberhaft nach Taschentüchern und Riechsalz, doch Evelyn erholte sich bald wieder. Sie nahm mir den Sonnenschirm ab, den ich noch immer fest umklammert hielt.

»Du bist viel aufgeregter als ich«, sagte sie. »Ich will dir ein Glas Wein bringen lassen.«

»Nein, nein, ich brauche nichts. Aber vielleicht du .«

»Nein. Merkwürdig, ich fühle mich jetzt sehr erleichtert, etwa so, als hätte ich einen bösen Geist ausgetrieben.«

»Es war also Alberto, den du in der Halle sahst, als du ohnmächtig wurdest, nicht wahr?«

»Ja«, gab sie zu. »Weißt du, als ich da sein unverschämtes Grinsen sah, kam er mir wie ein Teufel vor, der gekommen war, um mich an meine Vergangenheit zu erinnern. Und ich war doch gerade so glücklich mit . mit .«

»Mit Walter doch, nicht wahr? Liebst du ihn?«

»Ich möchte mich dieses Wortes nicht bedienen, nachdem ... Oh, ich könnte ihn lieben, wenn ich das Recht hätte, einen guten Mann zu lieben.«

»Oh, hör doch mit dieser rührseligen Dramatik auf!« rief ich.

»Wir leben fast im zwanzigsten Jahrhundert, da sind deine abgestandenen Moralbegriffe nicht mehr zeitgemäß!«

»Glaubst du denn wirklich, Walter würde mir einen Heiratsantrag machen, wenn er von meiner Vergangenheit wüßte?« fragte sie ängstlich.

Ich zuckte die Achseln. »Er scheint ein netter Mann zu sein, aber ein Mann ist er trotzdem. Aber warum sollte er überhaupt davon erfahren?«

Darauf gab sie mir keine Antwort. Ich wußte auch so, daß sie ihm in ihrer Offenheit, die Teil ihres Wesens war, alles beichten würde. »Amelia«, schlug sie traurig vor, »wir wollen lieber das Thema wechseln. Ich wollte nur sagen, wie erleichtert ich war, daß Alberto ein ganz gewöhnlicher Mensch aus Fleisch und Blut ist. Wir sind mit ihm fertig. Aber daß er uns hierher folgte .«

»Ja ... Ich überlegte mir schon, ob sich dein Großvater nicht vielleicht doch erholt haben könnte. Oder ob er, im Gegenteil .«

»Amelia, wie zynisch du bist - und wie klug! Ich hoffe ...«

»Nicht zuviel hoffen, Evelyn«, warnte ich. »Morgen werde ich versuchen, etwas zu erfahren. Dann müßte ich Reis Hassan auch ein wenig drängen. Je eher wir von Kairo abreisen, desto besser ist es für uns beide.«

»Ja«, meinte Evelyn und lächelte sehnsüchtig. »Hier sind Menschen, die ich nicht gerne sehen mag. Aber Walter wird auch nicht mehr lange hiersein. Er reist mit seinem Bruder in zwei Tagen ab. Den Namen des Ortes habe ich vergessen. Ich weiß nur, daß dieser Platz einige hundert Meilen weiter südlich liegt. Es sind die Ruinen der Stadt des ketzerischen Pharao.«

»Also Amarna«, antwortete ich. »Nun, liebes Kind, wir wollen zu Bett gehen. Es war ein sehr ermüdender Tag.«

Doch der Tag war noch immer nicht vorüber. Evelyn schlief fast sofort ein, denn sie war sehr erschöpft. Ich wälzte mich ruhelos unter meinem Moskitonetz. Evelyns Bett stand auf der anderen Seite des Raumes in der unmittelbaren Nähe eines Fensters, vor dem sich ein kleiner Balkon befand. Ich hatte die Läden nicht geschlossen, da die Nachtluft so herrlich kühl und klar war. Ein breiter Streifen Mondlicht fiel durch das Fenster, doch die Ecken des großen Raumes lagen in tiefen Schatten. Ein Streifen Silberlicht fiel auch auf mein Bett.

Seltsam, ich dachte über die Gebrüder Emerson nach. Walter und Evelyn . Wäre sie das, was zu sein sie vorgab - eine verarmte Adelige, die sich ihren Lebensunterhalt als meine Gesellschafterin verdiente -, so wäre eine Heirat zwischen den beiden recht passend gewesen. Ich nahm jedoch an, daß der ältere Bruder den jüngeren scharf unter Kontrolle hielt, daß aber auch nicht so viel Geld da war, daß der Jüngere sich eine Frau leisten konn-te. Und wenn Emerson die Wahl hatte, dann entschied er sich immer für seine Ausgrabungen, und sein Bruder hatte das Nachsehen. Arme Evelyn, sie mußte Walter wohl die Wahrheit sagen. Die würde keinem Mann gefallen. Vielleicht schluckte er sie und heiratete Evelyn, um ihr dann sein Leben lang seinen Edelmut vorzuhalten, daß er ihr verziehen habe. Und das wäre unerträglich.