Выбрать главу

Ich wälzte mich ruhelos in meinem Bett herum. Vor dem Fenster quäkte etwas. Ein breiter Streifen Mondlicht fiel nun direkt auf mein Bett. Ich drehte mich der Wand zu, um von ihm nicht wachgehalten zu werden, doch es nützte nichts. Da begann ich über Albertos Motiv, Evelyn zu folgen, scharf nachzudenken. Liebe traute ich diesem Burschen nicht zu. Er schien andere Aussichten gehabt zu haben, als er sie verließ. Vielleicht hatte ihn ein ganz anderer Plan nach Ägypten geführt, doch als er sah, daß Evelyn anscheinend unter dem Schutz einer reichen Dame stand - dafür hielt er mich ja -, hoffte er, etwas aus ihr herausholen zu können. Oder aus mir.

Aus meinen Gedanken scheuchte mich ein Geräusch auf, das dem ähnlich war, welches ich vorher gehört hatte; es war nur jetzt viel näher und wurde wohl von einem lockeren Dielenbrett verursacht, das sich zwischen meinem Bett und dem Fenster befand. Ich kannte es gut; man trat ja öfter am Tag darauf. Ich drehte mich also auf den Rücken, um nachzusehen, ob Evelyn vielleicht aufgewacht und ans Fenster getreten sein könnte.

Und da stand neben meinem Bett, so nahe, daß der Körper das Moskitonetz berührte, eine unglaubliche Gestalt. Sie schien in dicken weißen Nebel eingewickelt zu sein, so daß ich zwar kein Gesicht, wohl aber die Umrisse eines Körpers erkennen konnte. Sie hätte direkt aus dem Museum in Boulaq stammen können, wo Maspero seine kostbaren ägyptischen Herren und Damen aufbewahrte.

Aber selbst im blassen Mondlicht wirkte die Gestalt lebendig; der bronzebraune Körper war nackt bis zur Taille, der breite Kragen bestand aus orangefarbenen und blauen Perlen, und die kunstvoll gefaltete Kopfbedeckung aus Leinen war rot und weiß gestreift.

Ich war starr - nein, nicht vor Angst, das gewiß nicht! - vor Verblüffung. Lange stand die Erscheinung bewegungslos da, bis sie schließlich in einer drohenden Geste den Arm hob.

Da setzte ich mich auf, griff nach dem Ding und schrie. An Erscheinungen glaube ich nämlich nicht, deshalb wollte ich das Ding packen. Leider vergaß ich darüber das Moskitonetz, und der verehrte Leser möge verzeihen, daß eine Dame an den Ausdruck >verdammt< dachte, weil mir kein stärkerer einfiel.

Natürlich hatte dieses elende Netz die nebelhafte Verschleierung bewirkt, und als ich mich endlich aus der Wirrnis von Netz, Nachthemd und Bettlaken befreien konnte, war ich atemlos und die Erscheinung verschwunden. Inzwischen war auch Evelyn aufgewacht, die mit ihrem eigenen Netz kämpfte.

Wir trafen uns am Fenster. Evelyn schüttelte mich an der Schulter. Ich muß wohl mit meinen aufgelösten Haaren wie eine Furie ausgesehen haben, und weil ich mich so weit zum Fenster hinausbeugte, fürchtete Evelyn, ich wolle Selbstmord begehen.

Nachdem ich auf dem Balkon oder im Garten darunter keine Spur unseres ungebetenen Besuchers hatte entdecken können, erzählte ich Evelyn den Vorfall. Sie zündete eine Kerze an, und ich las deutlich von ihrem Gesicht ab, was sie sagen wollte. Ich kam ihr zuvor.

»Es war kein Geist«, erklärte ich ihr bestimmt. »Ich war wach und kenne den Unterschied zwischen Traum und Wirklichkeit. Du siehst doch das zerrissene Netz .«

». das von deinem Kampf mit Bettlaken und Nachthemd stammt. Gegenstände aus Traum und Wirklichkeit gehen da oft ineinander über.«

Ich tat einen lauten Schrei, und Evelyn sah bestürzt drein; mein Schrei rührte von einem Gegenstand her, auf den ich mit meinen nackten Füßen getreten war. Ich hob ihn auf und zeigte ihn Evelyn.

Es war ein kleines Schmuckstück von etwa Fingerlänge, das aus blaugrüner Fayence bestand und den Falkengott Horus darstellte. Dieses Ornament ist häufig als Halsschmuck der alten ägyptischen Toten zu finden.

Jetzt lag mir noch mehr daran, Kairo so schnell wie irgend möglich zu verlassen. Selbstverständlich glaubte ich nicht an Gespenster. Ein bösartiges menschliches Wesen hatte sich im mondhellen Zimmer gezeigt, und darüber machte ich mir viel mehr Sorgen als über irgendeinen Spuk. Ich dachte sofort an Alberto, aber der war ein kleiner, gemeiner und labiler Übeltäter, kein Mördertyp. Und mörderische Absichten hatte diese Gestalt sicher gehabt.

Schließlich kam ich nach langem Überlegen zu dem Schluß, es müsse doch ein Dieb gewesen sein, der gehofft hatte, in dieser Verkleidung zwei Frauen so verblüffen zu können, daß er mit seiner Beute unerkannt entkam. Das war eine raffinierte Idee, wenn sie auch nur teilweise Erfolg gehabt hatte.

Die Polizei wollte ich nicht rufen, denn von den Ägyptern läßt sich da nicht viel erwarten. Außerdem hatte ich das Gesicht nicht genau genug gesehen. Sicher würde der Eindringling auch nicht zurückkommen, sondern sich eher eine leichtere Beute suchen. Das erklärte ich Evelyn in der Hoffnung, sie damit beruhigen zu können. Sie schien trotzdem mindestens noch halb zu glauben, ich hätte nur geträumt.

Leider gelang es mir nicht, Albertos Bleibe ausfindig zu machen, um ihn überwachen lassen zu können. In Kairo gibt es so unzählige winzige Gasthäuser, daß man sie nicht alle in kurzer Zeit überprüfen kann. In einem der europäischen Hotels wohnte er jedenfalls nicht. Ich konnte aber erfahren, daß ein Mann von seinem Aussehen am Morgen eine Fahrkarte für den Zug nach Alexandria gelöst hatte, und so strich ich Alberto aus meinen Gedanken.

Walter war dagegen nicht so leicht abzuschütteln. So früh es sich höflicherweise machen ließ, erkundigte er sich nach Evelyns Befinden, doch sie wollte ihn nicht sehen. Ich verstand es und erklärte ihm so gut wie möglich ihre Gefühle, die Walter selbstverständlich falsch auslegte. Das veranlaßte ihn zu der Frage, ob er etwas getan oder gesagt habe, das Evelyns Ohnmacht zur Folge hatte. Ich versicherte ihm, das sei nicht der Fall; überzeugen konnte ich den armen Jungen damit aber nicht. Er war sehr betrübt, bat mich jedoch, Evelyn seine Grüße und besten Wünsche zu übermitteln und ihr zu sagen, er werde morgen mit seinem Bruder zum Grabungsplatz aufbrechen.

Walter tat mir so unendlich leid, daß ich um ein Haar mit der Wahrheit herausgeplatzt wäre, doch ich hatte ja kein Recht, Evelyns Vertrauen zu mißbrauchen. Ich ging also nach oben, um das arme gebrochene Herz der anderen Hälfte des Liebespaares zu trösten, wenn ich auch der Meinung war, daß ein bißchen Vernunft von beiden Seiten das Problem leicht hätte lösen können.

Mit Michaels Hilfe trieb ich die Bootsmannschaft an. Michael war von einer sagenhaften Hingebung und las uns jeden Wunsch von den Augen ab, wenn ich ihn insgeheim auch verdächtigte, mich für eine wichtigtuerische, unlogische Frauensperson zu halten. Ein Hotelgast bei Shepheard's hatte mir verraten, koptische Christen dürfe man nicht zum Dragoman wählen, weil die Moslems un-ter den Bootsmannschaften und die Kapitäne sie boykottierten. Aber Reis Hassan und Michael schienen gut miteinander zurechtzukommen, und die Vorbereitungen liefen gut weiter. Das Klavier stand bald im Salon, neue Vorhänge hingen an den Fenstern und sahen sehr schön aus, die Besatzung kehrte allmählich aufs Schiff zurück, und Travers schickte ich nach England zurück.