Выбрать главу

»Aber mein Pflaster!« rief er. »Was geschieht mit meinem Pflaster? Sie Teufelsweib, ich muß nachsehen, was die mit meinem Pflaster machen!«

Von seinem Pflaster hatte er auch in seinen Fieberdelirien ständig gesprochen, doch ich wußte nicht, was er damit meinte. Also fragte ich ihn.

»Mein bemaltes Pflaster«, erklärte er mir nun ruhiger. »Ich habe einen Teil von Khuenatens königlichem Palast entdeckt. Pflaster, Wände und Decken waren bemalt. Stellenweise sind diese Malereien wundervoll erhalten.«

»Gut und sehr erstaunlich. Heißt das, der Palast des häretischen Königs habe dort gestanden, wo jetzt Sandwüste ist? Khuenaten . Eine faszinierende Persönlichkeit. Oder könnte es vielleicht doch eine Frau gewesen sein?«

»Unsinn! Ein solcher Gedanke ist typisch für die Narren, die heute archäologische Forschungen betreiben. Ma-riette behauptet, die Nubier hätten ihn gefangen, und sie gehen davon aus .«

»Die Theorie kenne ich«, unterbrach ich ihn. »Warum sollte das nicht möglich sein? Eine solche Operation bringt bei Männern doch weibliche Züge hervor, oder nicht?«

Emerson warf mir einen seltsamen Blick zu. »So kann man's auch sagen. Ich halte es für wahrscheinlicher, daß Khuenatens körperliche Absonderlichkeiten künstlerische Zutaten sind. Seine Höflinge und Freunde zeigen die gleichen Eigenheiten.«

»Wirklich?«

»Klar. Schauen Sie doch das hier an.« Er setzte sich auf und grapschte nach dem rutschenden Laken. Er war wirklich überaus haarig. »Dieses Grab hier gehörte einem Edelmann an Khuenatens Hof. Die Wände sind mit Reliefs im einzigartigen Amarna-Stil geschmückt.«

Ich griff nach der Lampe, um sie anzuschauen, was einen Wutschrei Emersons zur Folge hatte. »Doch nicht die Lampe! Ich benütze sie nur, wenn es gar nicht anders geht. Diese Narren mit ihren Magnesiumlampen sind Vandalen, denn der fettige Rauch zerstört die Reliefs. Nehmen Sie doch den Spiegel. Wenn Sie ihn im richtigen Winkel halten, haben Sie genug Licht.«

Der Spiegel war mir vorher schon aufgefallen, und ich hatte mich gewundert, woher Emersons plötzliche Eitelkeit kam. Nun probierte ich ihn aus, unterstützt von seinen sarkastischen Kommentaren, und fand auch endlich den richtigen Winkel, so daß ich einen Moment lang den Atem anhielt.

Die Reliefs waren ziemlich flach und etwas verwittert, doch sie waren von einem Leben erfüllt, das mich tief beeindruckte. Sie schienen eine Parade oder Prozession darzustellen. Zahlreiche kleine rennende Gestalten folgten der großen des Pharaos, die zehnmal so groß war wie die der Untertanen. Er lenkte graziös einen mit feurigen Pferden bespannten leichten Wagen. Neben ihm im Wagen saß eine etwas kleinere, ebenfalls gekrönte Person. Sie wandten einander die Köpfe zu, als wollten ihre Lippen einander berühren.

»Er muß sie sehr geliebt haben, wenn er sie so an seine Seite setzte«, überlegte ich laut. »Emerson, ich glaube, nur ein richtiger Mann kann seiner schönen Frau so viel ergebene Zuneigung zeigen. Sogar ihr Name Nefertiti -die schöne Frau ist gekommen ...«

»Ah, Sie haben die Hieroglyphen gelesen?«

»Ein wenig.« Ich deutete auf das ovale Medaillon, in dem der Name der Königin stand, dann auf die leeren Ovale, die einst den Namen des Khuenaten enthalten hatten. »Ich habe gelesen, wie die triumphierenden Priester des Amon den Namen des königlichen Ketzers nach seinem Tod überall tilgten. Wie müssen sie ihn gehaßt haben!«

»Sie hofften, damit auch seine Seele auslöschen zu können«, antwortete Emerson. »Ohne Identität konnte der Geist des Toten nicht weiterleben.«

Erst als Evelyn erschien, kam mir zu Bewußtsein, wie grotesk meine Unterhaltung mit einem Gentleman in rosa Unterwäsche eigentlich war. Sie zog sich sofort wieder zurück und fragte von außen her schüchtern an, ob sie hereinkommen dürfe.

»Ah, verdammt noch mal«, fluchte Emerson, zog das Laken zum Kopf hinauf und forderte Evelyn zum Eintreten auf. Sie war korrekt in ein blaßgrünes Baumwollkleid gehüllt und sah aus, als hätte sie alle Bequemlichkeiten des Dahabije zur Verfügung gehabt, statt lediglich einer Schüssel lauwarmen Wassers. Sie schien sich über etwas zu amüsieren. Emersons Augen funkelten sie über dem Lakenrand böse an. Sie beachtete ihn jedoch nicht.

»Evelyn, komm doch rein, und schau dir diese Reliefs an!« rief ich und drehte meinen Spiegel geschickt. »Hier ist

der König in seinem Wagen, neben ihm die Königin .«

»Das ist sicher sehr faszinierend, aber wäre es nicht klüger, Amelia, eine geeignetere Zeit für diese Dinge abzuwarten? Mr. Emerson braucht Ruhe, und du bist für einen Besuch nicht passend gekleidet.« Ihre Stimme kam mir recht verdächtig vor, als müsse sie ein Lachen unterdrücken. »Mir scheint, Walter hat einige Schwierigkeiten mit dem Huhn, das du bestellt hast.«

Ich warf einen letzten Blick auf die rennenden Gestalten und legte den Spiegel weg. »Dann muß ich mich eben selbst darum kümmern«, meinte ich seufzend.

»Wenn schon, dann könnten Sie gleich nach meinem Pflaster schauen«, brummte Emerson. »Sie stehen hier herum und schwatzen wie ein Papagei, und inzwischen blättert die ganze kostbare .«

»Sie haben sie doch aufgedeckt«, erinnerte ich ihn. »Wie wollen Sie die Malereien jetzt schützen?«

»Ich habe ein Holzgerüst aufgestellt, aber das ist nicht ausreichend. Die Farbe zerkrümelt zu Staub. Mit einem Pinsel verschmiert man nur die Oberfläche. Firnis verpfuscht die klaren Farben und wird rissig .«

»Aber Sie haben doch sicher eine Lösung gefunden.«

»Genau. Eine Lösung. Eine Mischung aus dünnem Ta-pioka und Wasser, und diese Mischung muß mit der Fingerspitze aufgetragen werden.«

Ich starrte ihn voll Bewunderung an. »Das muß ich zugeben, Sie wissen, was Sie wollen.«

»Es geht sehr langsam, und die Arbeit muß ich selbst tun. Ich habe erst einen kleinen Teil davon fertig.« Er stöhnte vor Verzweiflung. »Frau, ich muß aufstehen und mich um mein Pflaster kümmern.«

»Das werde ich tun. Sie bleiben im Bett, sonst ist ein Rückfall zu befürchten, der Sie dann für Wochen ans Bett fesselt. Selbst Sie müssen einsehen, daß dies recht unprak-tisch wäre.« Auf eine Antwort wartete ich nicht, denn sie wäre doch nur grob ausgefallen.

Draußen hielt mich Evelyn fest. »Amelia, wohin gehst du?« fragte sie.

»Zu Mr. Emersons Pflaster natürlich. Hast du je erlebt, daß ich mein Wort nicht gehalten hätte?«

»Nein, natürlich nicht. Aber könntest du dich nicht vielleicht doch passender dazu bekleiden?«

Da hatte sie recht. Ich hatte ja noch meinen Morgenrock an.

Wie der verehrte Leser inzwischen wohl festgestellt hat, lag mir nie besonders viel an weiblichem Modefirlefanz. Ich hatte, als ich einmal in London war, jedoch von der Liga für vernünftige Kleidung gehört und mir in diesem Stil ein Kleid nähen lassen. Es bestand aus schieferfarbener indischer Seide von einfachstem, fast männlichem Schnitt. Der einzige Schmuck war ein Spitzenrüschchen am Handgelenk. Sein großer Vorteil und sein Charakteristikum war der geteilte Rock. Die beiden Beine waren sehr voll geschnitten, so daß sie wie ein gewöhnlicher Rock wirkten. Er gewährte zwar nicht ganz soviel Bewegungsfreiheit, wie ich mir gewünscht hätte, doch war er viel praktischer als die damals modernen Humpelröcke. In Kairo hatte ich das Kleid nicht zu tragen gewagt und deshalb ganz unten in den Koffer gepackt. Jetzt nahm ich es heraus, schüttelte die Falten aus und zog es an. Noch lieber wären mir jedoch richtige Hosen gewesen.