Am achtundzwanzigsten gingen wir in Brindisi an Bord des Schiffes nach Alexandria.
2. Kapitel
Ich will meinen verehrten Lesern die Beschreibung der Seereise und des Schmutzes von Alexandria ersparen. Jeder europäische Reisende, der seinen Namen schreiben kann, fühlt sich zur Abfassung seiner Memoiren verpflichtet, und das ist mehr als genug. Wir kamen jedenfalls ohne Zwischenfall in Kairo an und nahmen Aufenthalt in Shepheard's Hotel.
Jeder, der auf sich hält, wohnt bei Shepheard's. Früher oder später trifft man dort mit Sicherheit Bekannte, und das orientalische Leben kann man bei einer Limonade von der Terrasse aus genießen. Steife Engländer reiten auf Eselchen vorüber, die so klein sind, daß die Männer ihre Füße im Straßenstaub schleifen lassen; ihnen folgen Janit-scharen in prächtigen, goldgestickten Uniformen, und sie sind bis an die Zähne bewaffnet; denen folgen wiederum Eingeborenenfrauen in wallenden schwarzen und stolze Araber in wehenden blauen und weißen Gewändern, Derwische mit fantasievollem Kopfputz, Süßigkeitenverkäufer und Wasserhändler, also eine endlose, faszinierende Prozession.
Die Kämpfe im Sudan hatten viele englische Reisende vergrämt, denn der verrückte Mahdi belagerte noch immer den ritterlichen Gordon in Khartum. Sir Garnet Wol-seleys Entsatztruppe hatte Wadi Haifa erreicht und würde wohl bald den tapferen Gordon aus der Umklammerung der barbarischen Armee befreien. Man hielt es daher bei
Shepheard's nicht für gefährlich, nach dem Süden in Richtung Assuan zu reisen.
Ich hegte zwar da gewisse Zweifel, doch ich wollte reisen, und das tat ich auch. Die einzige bequeme Methode, Ägypten kennenzulernen, ist die Reise auf dem Strom, denn alle bemerkenswerten Altertümer sind in dessen unmittelbarer Nähe zu finden. Ich hatte schon gehört, wie vergnüglich eine Fahrt mit einer Dahabije sei, also wollte ich sie ausprobieren. Man kann diese Boote mit allem erdenklichen Luxus ausstaffieren, soweit man ihn bezahlen kann, und bedient wird man wie ein König.
Aber die Auswahl einer Dahabije sei ein sehr heikles und mühsames Geschäft, versicherte man mir, und man lachte schallend über meine Zuversicht, in ein paar Tagen segeln zu können. Die Ägypter, verriet man mir, seien eine faule Gesellschaft, die sich zu nichts drängen ließe.
Ich behielt meine Meinung für mich, da mir Evelyn einen bedeutsamen Blick zuwarf. Dieses Mädchen wirkte ungemein erstaunlich auf mich; ich fürchtete, mit der Zeit könne ich sogar noch sehr sanft und mild werden. Wir waren uns darüber einig gewesen, daß sie nur als Evelyn Forbes, nicht aber unter ihrem vollständigen Namen auftreten sollte, da er zu vielen Engländern zu gut bekannt war. Wurde jemand neugierig, schützte ich regelmäßig Müdigkeit vor.
Natürlich war Evelyn manchmal bedrückt, wenn sie an die Vergangenheit dachte, doch sie verstand es auch, die Schönheiten des Landes zu genießen. Von unseren Zimmern aus konnten wir den Hotelgarten überschauen. Die hohen Palmen waren schwarze Schattenbilder im herandämmernden Morgen, wenn sich der dunkle Himmel mit durchsichtigem Licht und blaßrosa Perlenschimmer füllte. Die Kuppeln und Minaretts der Moscheen überragten malerisch die Baumwipfel, und die Luft war von köstlicher, kühler Frische.
Es war gut, daß wir den Tag mit dem Anblick solcher Schönheit begonnen hatten, als wir nach dem Frühstück zur Werft von Boulaq gingen, um eine Dahabije zu mieten. Hunderte von Booten lagen dort vor Anker, und der Lärm war unbeschreiblich.
Die Boote unterscheiden sich eigentlich nur in der Größe. Die Kabinen liegen im Heck, und ihr Dach ist gleichzeitig ein Oberdeck, das sich mit Möbeln und Markisen ausstatten und so zu einem herrlichen Freiluftsalon machen läßt. Die Mannschaft bewohnt das untere Deck. Dort gibt es eine Küche, einen Verschlag mit einem Holzkohlenofen und eine Sammlung von Pfannen und Töpfen. Die Dahabijes sind Boote mit flachem Kiel und zwei Masten, und wenn die Segel sich im leichten Wind blähen, sind sie ein sehr malerischer Anblick.
Welches Boot sollten wir wählen? Nun, die Wahl war nicht allzu schwierig, denn die meisten Boote strotzten vor Schmutz. Natürlich durfte man keine englischen Maßstäbe anlegen, wenn auch die primitivsten hygienischen Einrichtungen vorhanden sein mußten. Selbstverständlich waren die größeren Boote in einem besseren Zustand als die kleinen. Es ging mir nicht um die höhere Ausgabe, sondern es kam mir lächerlich vor, für uns beide und eine Magd zehn Einzelkabinen und zwei Salons zu haben.
Evelyn bestand darauf, daß wir uns einen Dragoman nehmen sollten. Ich dachte, das sei nicht nötig, weil ich schon auf der Seereise ein bißchen Arabisch gelernt hatte, doch ich gab nach. Unser Mann war ein Kopte namens Michael Bedawee, ein dicklicher, kaffeebrauner Bursche mit weißem Turban und abenteuerlichem, schwarzem Bart; allerdings paßt diese Beschreibung auf die meisten
Ägypter. Was unseren Michael auszeichnete, war sein freundliches Lächeln und die Ehrlichkeit seiner weichen, braunen Augen. Wir entschieden uns sofort für ihn, und er mochte uns offensichtlich bald sehr gern.
Michael half uns bei der Auswahl des Bootes. Die Phi-lae war von mittlerer Größe und ungewöhnlich sauber. Der Reis, wie man den Kapitän nannte, war uns auch sympathisch. Er hieß Hassan und stammte aus Luxor. Mir gefiel sein ruhiger Blick und eine Andeutung von Humor, wenn ich meine paar arabischen Worte anbrachte, sooft es ging. Mein Akzent muß fürchterlich gewesen sein, doch Reis Hassan beglückwünschte mich zu meinen Sprachkenntnissen. Infolgedessen war der Handel bald abgeschlossen.
Wir waren stolz auf unser Schiff, das nun vier Monate lang unsere Wohnung sein sollte. Es hatte vier Kabinen, je zwei zu beiden Seiten eines schmalen Ganges. Sogar ein Badezimmer hatten wir. Am Ende des Ganges öffnete sich die Tür in einen halbrunden Salon, der das ganze Schiffsheck einnahm; ein langer Diwan folgte der geschwungenen Wand, und acht hohe Fenster ließen viel Licht ein. Den Boden bedeckten Brüsseler Teppiche, und die Wandvertäfelung in Weiß mit Goldrand erweckte den Eindruck großer, luftiger Weite. Die scharlachroten Vorhänge paßten herrlich zu den prunkvollen, goldgerahmten Spiegeln, und ein sehr hübscher Eßtisch mit passenden Stühlen vervollständigte die Einrichtung.
Schränke und Regale gab es genug, und wir hatten das Zeug, sie zu füllen. Ich hatte vor allem meines Vaters Bücher über Ägypten dabei und hoffte, noch mehr kaufen zu können. Ein Klavier wollten wir haben. Ich bin zwar völlig unmusikalisch, aber Evelyn spielte und sang sehr schön.
Das Boot war gerade von einer Reise zurückgekehrt, und Reis Hassan sagte, er brauche ein paar Tage zur Überholung verschiedener Geräte, ehe wir abreisen könnten; seine Leute wollten auch noch ihre Familien besuchen, und so legten wir, als ich bezahlte, den Reisetag auf eine Woche später fest.
Ein passendes Klavier zu finden erwies sich als nicht leicht. Ich wollte andere Vorhänge für den Salon, weil das Scharlachrot nicht zu meinem Abendkleid paßte. Evelyn meinte, es eile nicht so schrecklich, doch ich wußte, wie sehr sie fürchtete, im Speisesaal des Hotels Bekannte zu treffen.
Die Wartezeit nützten wir gut. Die Basare in Kairo sind faszinierend. Hier gibt es keine richtigen Läden; es sind eher große, vorne offene Schränke, vor denen die Kaufleute auf gekreuzten Beinen sitzen und ihre Kunden erwarten. Bei den Teppichhändlern wurde ich schwach und kaufte etliche Stücke für unseren Salon, wahre Schönheiten aus Persien und Syrien. Ich wollte auch für Evelyn ein paar Kleinigkeiten besorgen, doch sie nahm nur ein Paar Samtpantoffeln an.