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Mich rührte es irgendwie, daß er so nachdrücklich für die unterdrückte einheimische Bevölkerung eintrat, aber sonst mochte ich ihn noch immer nicht.

»Sie müßten dann aber zu schätzen wissen, was die Briten für dieses Land tun. Die Finanzen zum Beispiel ...«

»Pah! Glauben Sie, das tun wir aus Herzensgüte? Fragen Sie die Einwohner von Alexandria, wie es ihnen gefiel, als sie vor zwei Jahren von britischen Kanonenbooten beschossen wurden. Wir sind nicht ganz so unzivili-siert wie die Türken, aber wir dienen auch nur unseren eigenen Interessen. Wir lassen es zu, daß dieser idiotische Franzose die kostbaren Altertümer verschleudert. Nun ja, unsere Wissenschaftler sind auch nicht gescheiter ... Nur ein junger Kerl namens Petrie scheint wirklich etwas von

Archäologie zu verstehen, auch von Methodik, die da so bitter nötig ist. Diesen Winter arbeitet er im Delta. Leider hat er keinen Einfluß, und wir zerstören mutwillig eine ganze große Vergangenheit, weil wir wie Kinder im Sand herumbuddeln und dem Boden Dinge entreißen, von denen wir sorgfältig notieren sollten, wo und wie wir sie gefunden haben . Gefäße . Damit müßte etwas geschehen. Man müßte die verschiedenen Typen studieren, welche Ornamente zu welchen Formen gehören, man müßte Waffen und Möbelstücke .«

»Zu welchem Zweck?« warf ich ein.

»Es gibt viele Zwecke. Gefäße verändern sich im Laufe der Zeit, entwickeln sich je nach Notwendigkeit und Mode. Man müßte lernen, das Alter dieser Gefäße zu bestimmen und der Gegenstände, die in und bei ihnen gefunden werden. Und nicht nur Gefäße - jedes Stückchen kann uns etwas über die Vergangenheit lehren. Jetzt wird sehr vieles achtlos auf einen Haufen geworfen, unwissende Touristen schleppen vieles davon, was der Wissenschaft für immer verloren ist. Maspero rettet nur sehr eindrucksvolle Gegenstände, und die Hälfte davon wird ihm in seinem komischen Museum auch noch gestohlen oder zerschlagen.«

»Dann müßte man also auch Studien anatomischer Überreste fördern, nicht wahr?« fragte ich. »Man könnte bestimmen, welchen Rassen oder Rassenmischungen die alten Ägypter angehörten. Aber Wissenschaftler sammeln, soviel ich weiß, keine Knochen und Mumien, nicht wahr? Oder doch nur, wenn sie diese als Kuriositäten ausstellen können.«

Emerson vergaß vor fassungslosem Staunen den Mund zu schließen. »Guter Gott«, murmelte er, »eine Frau, die gescheite Fragen stellt? Ist denn das die Möglichkeit!«

Ich überhörte die darin liegende Beleidigung, denn mich interessierte das, was er zum Thema zu sagen wußte. Aber da wurde ich leider durch eine dramatische Störung unterbrochen.

Evelyn saß auf einem Stuhl neben dem Sofa, und Walter hatte die Hände auf die Lehne ihres Stuhles gelegt. Plötzlich sprang sie auf. Sie war weiß wie ein Leinenlaken und starrte zum Eingang der Halle.

Ich konnte nichts entdecken, was ihre Erregung gerechtfertigt hätte. Ehe ich noch etwas tun oder sagen konnte, sank Evelyn zu Boden. Walter versuchte etwas ungeschickt, sie aufzuheben, und es war gar nicht ganz einfach, sie aus ihrer Ohnmacht herauszuholen. Sie verlangte nur, in unsere Räume gebracht zu werden. Walters Hilfe wies sie jedoch voll Entsetzen zurück und bat mich, ich solle ihr helfen.

Ich konnte Walter gerade noch versprechen, ich würde ihn am Morgen von Evelyns Befinden unterrichten, wenn ihm daran liege, im Hotel nachzufragen. Dann führte ich Evelyn nach oben. Travers schickte ich zu Bett, denn sie war viel zu ungeschickt und mißmutig.

»Ich glaube, ich muß Travers nach Hause schicken«, bemerkte ich beiläufig, um Evelyn zum Reden zu bringen. »Sie mag Land und Leute nicht, das Boot .«

». und mich«, ergänzte Evelyn und lächelte matt.

»Von mir hält sie auch nichts«, erklärte ich ihr. »Wir können auch ohne sie zurechtkommen. Darum werde ich mich morgen kümmern. Evelyn, möchtest du mir nicht jetzt sagen, was .«

»Das werde ich dir später erklären, Amelia, wenn ich . Willst du nicht wieder nach unten gehen? Mr. Emerson ist sicher noch da. Du könntest ihn . sie beruhigen und ihnen sagen, daß ich nur Ruhe brauche. Ich werde sofort zu Bett gehen.«

So, wie sie sprach, klang es nicht nach Evelyn. Sie wich meinen Augen aus, als ich sie musterte. Sie wurde wieder totenbleich, als es laut an unserer Tür klopfte. Wer konnte das sein? Wer klopfte zu dieser Stunde so unverschämt stürmisch?

Es war jedenfalls viel zu spät für einen Besuch in unseren Räumen. Walter war sicher nicht so unhöflich, und überdies hatte ich den Eindruck gewonnen, Evelyn wisse genau, wer dieser Besucher sei, und fürchte sich über alle Maßen vor ihm.

Da schaute sie mich an, straffte die Schultern und biß sich auf die Lippen. »Amelia, sei bitte so gut und öffne die Tür. Ich bin ein elender Feigling, aber ich muß mich dieser Sache stellen.«

Ich war gar nicht überrascht, als ich die Tür öffnete und den Mann dort stehen sah. Ich kannte ihn nicht, und er war mir noch nie begegnet, doch das glatte schwarze Haar, die dunkle Haut, das kecke Aussehen bestätigten meinen Verdacht. »Ah«, sagte ich. »Signor Alberto, wie ich annehme.«

3. Kapitel

Er legte eine Hand auf sein Herz und verbeugte sich. Sein Aussehen und sein Benehmen grenzten an Frechheit. Ich mußte mich wirklich beherrschen, ihm nicht eine Ohrfeige zu verpassen.

»Sie bitten mich herein?« fragte er in seinem gebrochenen Englisch. »Ich denken, Sie ziehen vor, Angelegenheiten von Herz nicht vor Öffentlichkeit zu besprechen.«

Ich trat einen Schritt zurück, damit er hereinkommen konnte, und schloß leise die Tür hinter ihm, die ich ihm am liebsten vor der Nase zugeknallt hätte. Alberto lief auf Evelyn zu.

»Ah, Geliebte meines Herzens! Wie kannst du mich verlassen? Weißt du nicht, daß ich habe gelitten um dein Schicksal wie ein Hund?«

Evelyn hob abwehrend die Hand, und Alberto blieb stehen. Ich hatte schon gefürchtet, dieser Schurke werde sie in die Arme reißen. Nun legte er den Kopf schief. »Du mich zurückstoßen? Du mich total vernichten? Ah, verstehe. Du hast gefunden reiche Beschützerin. Sie dir gibt Geschenke, du verlassen also arme Liebhaber, der nichts hat als nur Liebe. Oh, oh!«

Mein Sonnenschirm stand in der Ecke; den holte ich mir. Evelyn schwieg. Ich denke, sie war von so viel Frechheit völlig verwirrt. Ich stieß Alberto mit dem Schirmknauf in den Rücken. Er tat einen Satz zur Seite.

»Das reicht jetzt«, sagte ich energisch. »Sie haben diese

Dame verlassen, nicht die Dame Sie, obwohl es nur klug gewesen wäre. Wie können Sie es wagen, hierher zu kommen, nachdem Sie einen so unverschämten Brief schrieben und ihr alles wegnahmen, was sie hatte?«

»Brief?« Alberto rollte dramatisch die Augen. »Ich nix Brief. Ich gehe aus, suche Arbeit für Essen für Herzensgeliebte. Da hat mich Pferd getreten, ich liege Wochen in schrecklichem Hospital und weine nach meine Evelyn. Ich werde gesund und schleiche in Zimmer, wo war Paradies für mich. Aber sie gegangen, fort! Mein Engel weggeflogen. Ich nix Brief geschrieben, nix, niemals! Wenn Brief, dann hat geschrieben mein Feind. Ich viele Feinde, die mir wollen stehlen meine Engel.«

Ich habe selten einen so schlechten Schauspieler gesehen, doch ich wußte nicht, wie sehr sich Evelyn von ihm beeindrucken lassen würde. Liebe richtet ja in manchen Gehirnen fürchterliche Zerstörungen an. Doch ich sah bald, daß ich keine Angst zu haben brauchte. Evelyns Wangen waren rot vor Zorn.