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Lady Ijada schob für sich selbst einen Stuhl auf der anderen Seite des Tisches zurecht, und Ingrey zog sich auf einen Platz am Fenster zurück, das in dem kleinen Raum nicht weit vom Tisch entfernt war und von wo er beide Frauen gut im Blick hatte. Ijadas zeitweilige Zofe und Wärterin hielt sich vorsichtig und respektvoll im Hintergrund.

»Eure zweifache Berufung ist eine sehr ungewöhnliche Verknüpfung, Hochwürden«, warf Ingrey ein und nickte in Richtung ihrer Schultertressen. Die Nadeln, mit denen sie befestigt waren, lösten sich bereits, und die Bänder waren schon wieder bedenklich weit herabgerutscht.

»Oh, allerdings. Ich bin ganz zufällig dazu gekommen, wenn es denn ein Zufall war.« Sie zuckte die Achseln und sandte die Tressen damit endgültig zu Boden. Die Dienstmagd seufzte, hob sie wortlos wieder auf und steckte sie erneut fest. »Ich habe als Heilkundige angefangen, wie schon meine Mutter und meine Großmutter vor mir. Meine Lehrzeit war fast abgeschlossen, und ich praktizierte bereits im Siechenhaus der Mutter in Remshaven. Dort wurde ich eines Tages zu einem sterbenden Zauberer gerufen.« Sie hielt inne und warf Ingrey einen prüfenden Blick zu. »Ihr wisst, wie Tempelzauberer geschaffen werden? Oder auch abtrünnige Zauberer? Was die Entstehung betrifft, gibt es da keinen großen Unterschied.«

Er runzelte die Stirn. »Eine Person gelangt in den Besitz eines Dämons des Chaos, der es irgendwo geschafft hat, sich dem Zugriff des Bastards zu entziehen und in die Welt der Materie zu fliehen. Der Zauberer nimmt den Dämon in seine Seele auf — oder in ihre Seele, was die Zauberinnen betrifft«, ergänzte er hastig, »und nährt ihn dort. Im Gegenzug gibt der Dämon von seiner Macht ab. Ein Dämon macht einen Menschen zum Zauberer, genau wie ein Pferd einen Menschen zum Reiter macht. So jedenfalls hat man es mir beigebracht.«

»So ist es auch.« Hallana nickte bestätigend. »Und natürlich macht es einen Menschen nicht notwendigerweise zu einem guten Reiter. Man muss erst lernen, damit umzugehen. Weniger bekannt ist, dass Tempelzauberer ihren Dämon oft der Kirche vermachen, wo er dann mitsamt all seinem erworbenen Wissen an die nächste Generation weitergereicht wird. Wenn nämlich ein Zauberer bei seinem Tod den Dämon nicht mit zurück zu seinem Gott trägt, springt er in das nächste lebende Geschöpf im Umkreis über. Er braucht einen lebenden Wirt, um in der stofflichen Welt bestehen zu können, und es ist nicht sehr klug, wenn man einen mächtigen Dämon in einen streunenden Hund fahren lässt. Lächelt nicht, solche Dinge sind schon geschehen. Aber wenn man alles richtig macht, lässt sich ein ausgebildeter Dämon dazu bewegen, auf einen auserwählten Nachfolger überzugehen, ohne dabei die Seele, die er verlässt, in Stücke zu reißen.«

Ijada beugte sich vor, um kein Wort dieser Erklärungen zu versäumen. »Ich habe nie daran gedacht, dich zu fragen, wie du zu dem geworden bist, was du bist. Ich hatte es immer für selbstverständlich gehalten.«

»Du warst zehn Jahre alt. In diesem Alter ist die ganze Welt ein einziges Rätsel.« Mühsam rutschte sie im Stuhl umher und suchte offenbar nach einer etwas bequemeren Haltung. »Die Kirche des Bastards in Remshaven hatte mit größter Sorgfalt diesen Geistlichen vorbereitet, einen überaus gelehrsamen jungen Burschen, damit er die Kräfte seines Mentors in sich aufnimmt. Alles schien ganz nach Plan zu verlaufen. Der alte Zauberer — was war das zu diesem Zeitpunkt schon für eine gebrechliche Gestalt! — tat ganz friedlich seinen letzten Atemzug, und alle Vorbereitungen waren getroffen. Sein Nachfolger hielt den Sterbenden bei der Hand und betete. Und dieser dumme Dämon sprang einfach über ihn hinweg und auf mich über!

Das hatte niemand erwartet, am allerwenigsten dieser hochmütige junge Geistliche. Er war außer sich vor Wut. Ich war verzweifelt. Wie sollte ich weiter als Heilkundige tätig sein, wenn ich von einem Dämon des Chaos befallen war? Eine ganze Zeit lang habe ich versucht, den Dämon loszuwerden. Ich habe sogar eine Pilgerfahrt zu einem Heiligen unternommen, dem angeblich der Bastard selbst Macht über Seine umherstreunenden Elementargeister verliehen hat.«

»In Darthaca?«, fragte Ingrey.

Sie blickte auf. »Woher wisst Ihr das?«

»Gut geraten.«

Mit einem Schnauben machte sie deutlich, was sie von dieser Erklärung hielt. »Nun, wie auch immer. Wir vollzogen gemeinsam die notwendige Zeremonie, aber der Gott wollte Seinen Dämon nicht zurücknehmen.«

»Darthaca«, bestätigte Ingrey verdrießlich. »Ich denke, ich bin mal mit demselben Burschen zusammengetroffen. Zu nichts zu gebrauchen.«

»Ach?« Wieder musterte sie ihn prüfend. »Nun ja, da ich dieses Geschöpf nun mal am Hals hatte, musste ich lernen, darauf zu reiten — wenn ich nicht selbst zum Reittier werden wollte. Ich habe also eine weitere Lehrzeit angetreten, beim fünften der Götter. Zu jener Zeit, da ich in die Grenzlande gezogen bin, war ich zutiefst unglücklich und hatte eine Zeit lang versucht, ein einfacheres Leben zu führen. Ich hatte meine Berufung verloren und hoffte, sie so wiederzufinden. Ach, Ijada, ich war so traurig, als ich später vom Tod deines Vaters erfuhr. Er war ein so edler Mann, in jeder Hinsicht.«

Lady Ijada nickte kurz, und ihr Antlitz verdüsterte sich. »Die Mauern unserer Burg waren aus gutem Grund so stark befestigt. Dumme und wütende Menschen, und ein unbesonnener Ritt, um es mit Vernunft zu versuchen, während die Gefühle allzu hoch brodelten … Ich hatte bis dahin nur die schöne Seite der Feuchtmarschen kennen gelernt, und die Sanftmut der Sumpfleute. Aber letztendlich waren auch sie nur Menschen.«

»Was ist mit dir und deiner Frau Mutter geschehen, nachdem er getötet worden war?«

»Sie kehrte wieder zu ihrer eigenen Familie zurück — zu meiner eigenen Familie, im nördlichen Weald. Ein Jahr später heiratete sie erneut, wieder einen Mann der Kirche, wenn auch diesmal keinen Krieger. Ihr Bruder machte darüber schon ein paar Scherze. Sie liebte meinen Stiefvater nicht auf dieselbe Weise wie meinen Vater, aber er war zärtlich, und sie suchte Trost. Stattdessen fand sie den Tod, als … äh.« Ijada verstummte, blickte auf Hallanas Leib und biss sich auf die Lippe.

»Ich bin selbst auch eine Heilkundige«, erinnerte Hallana sie. »Sie starb im Kindbett.«

»Nach vier Tagen. Sie wurde von einem Fieber befallen.«

Die Zofe, die ein wenig zu neugierig lauschte, schlug mitfühlend das heilige Zeichen, bemerkte, wie Ingrey auf sie aufmerksam wurde, und verhielt sich wieder still.

»Hm«, sagte Hallana. »Ich frage mich, ob … egal. Es ist zu spät. Und dein …?«

»Mein kleiner Bruder. Er hat überlebt. Mein Stiefvater ist ganz vernarrt in ihn. Aber er war auch der Grund, aus dem mein Stiefvater so schnell wieder geheiratet hat.«

Ingrey hörte zum ersten Mal, dass Lady Ijada noch lebende Geschwister hatte. Aber ich habe auch nicht daran gedacht, danach zu fragen.

»Und plötzlich lebtest du mit Menschen zusammen, die du dir nicht ausgesucht hattest«, sinnierte Hallana. »Und umgekehrt. Konntest du dich in der Familie deines Stiefvaters wohlfühlen?«

Ijada zuckte die Achseln. »Sie waren nicht unfreundlich zu mir. Und meine Stiefmutter ist gut zu meinem Bruder.«

»Und sie ist, hm, wie viele Jahre älter als du?«

Ein Lächeln spielte um Ijadas Mundwinkel. »Drei.«

Hallana schnaubte. »Und als für dich dann die Gelegenheit zum Auszug kam, ließ sie dich mit größtem Wohlwollen ziehen.«

»Nun, es war wohlwollend. Genau genommen war es die Frau meines Dachswall-Onkels, die mir die Stellung bei Prinzessin Fara verschaffte. In ihren Augen war die Familie meines Stiefvaters furchtbar gewöhnlich, und sie war der Ansicht, dass ich von dort fortkommen sollte, ehe ich mich an das bäuerische Leben gewöhnt hätte.«