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Diesmal schnaubte Hallana noch abfälliger. Ingrey wurde sich bewusst, dass die überaus gelehrte Geistliche bei ihrer Vorstellung kein »von« in ihrem Namen genannt hatte.

»Aber Hallana«, fuhr Ijada fort, »ob Heilkundige oder nicht, ich verstehe nicht, wie du gleichzeitig ein Kind und einen Dämon in dir tragen kannst, ohne dass dabei Schaden entsteht. Ich dachte immer, Dämonen wären für Schwangere furchtbar gefährlich.«

»Das sind sie.« Die Gelehrte Hallana verzog das Gesicht. »Dämonen verbreiten Chaos, und zwar ständig. Es ist der Quell ihrer Macht in der grobmateriellen Welt. Die Entstehung eines Kindes, wobei die Welt der Materie eine gänzlich neue Seele entstehen lässt, ist der bedeutsamste und aufwendigste Prozess der Ordnung überhaupt, abgesehen vielleicht von der Existenz der Götter selbst. Wenn man bedenkt, was dabei schon ohne einen Dämon alles schief gehen kann, vermag man sich vorzustellen, wie wichtig es ist, das werdende Kind und den Dämon voneinander getrennt zu halten. Wie wichtig — und wie schwierig!

Eben diese Schwierigkeit ist der Grund, weshalb manche Geistliche weiblichen Zauberern grundsätzlich davon abraten, ein Kind zu bekommen, oder Frauen allgemein, sich mit einer solchen Macht einzulassen, ehe sie nicht ohnehin zu alt für eine Schwangerschaft geworden sind. Nun, andere Geistliche, die solche Ratschläge erteilen, tun das nur deshalb, weil sie selbstgefällige Dummköpfe sind, aber das ist ein ganz anderes Thema.

Aber weißt du, das ist ja alles schön und gut — ich war allerdings nicht bereit, mein ganzes Leben aufzugeben, nur weil irgendwelche Leute sich irgendwelche Theorien ausgedacht haben. Die Gefahren einer Schwangerschaft sind für mich nicht größer als für jede andere Frau, wenn meine Fähigkeiten nur den Herausforderungen gewachsen sind. Hm, abgesehen natürlich von der Möglichkeit, dass der Dämon in das Kind überwechseln könnte, wenn ich während der Geburt abgelenkt bin. Und kleine Kinder sind auch so schon dämonisch genug …

Wie sich herausstellte, lag das Geheimnis meiner Sicherheit in, hm … wie soll ich es ausdrücken? Darin, ein Übermaß an Chaos zu verbreiten. Indem ich ständig kleine Mengen von Chaos um mich verstreue, halte ich meinen Dämon beschäftigt und das Kind geschützt.« Ein mütterliches Lächeln ließ ihre Augen aufleuchten. »Ach, leider ist das wohl ein wenig mühevoll für jeden, der sich während der entsprechenden Monate in meiner Nähe aufhält. Ich habe mir eine kleine Einsiedelei eingerichtet, ganz am Rand der Ländereien des Seminars, wohin ich mich dann zurückziehe.«

»Oh. Ist das nicht sehr einsam für dich?«, warf Lady Ijada ein.

»Keineswegs. Mein lieber Ehemann besucht mich jeden Tag mit den beiden älteren Kindern. Und manchmal des Abends auch noch ohne die Kinder. Außerdem finde ich Zeit, zu lesen und meine Studien auf den neuesten Stand zu bringen — es ist die beste Klausur, die man sich vorstellen kann. Ich wäre nur allzu gern bereit, es noch häufiger zu wiederholen. Aber ich fürchte, ein Dutzend Kinder wären nicht ratsam, und außerdem glaube ich, dass mein Ehemann ohnehin schon sehr viel früher eine Grenze ziehen würde.«

Hergi, die Dienstmagd, die zu Füßen ihrer Herrin still zugehört hatte, kicherte auf bemerkenswert wenig unterwürfige Weise.

»Weißt du, im Grunde ist es nicht viel anders als die meditative Selbstbeherrschung, die jeder Tempelzauberer ohnehin praktizieren muss. Stets nur das Chaos zu nutzen, niemals versuchen, diese Macht gegen ihre Natur zu beugen, und dabei doch Gutes zu wirken … Ruhe, Sorgfalt und niemals der Versuchung einfacher Abkürzungen zu erliegen. Das rettete schließlich meine Berufung — nachdem ein gewisser scharfsinniger Denker mich darauf hinwies, dass auch die Chirurgie etwas beschädigt, um zu heilen. Da erkannte ich, wie ich die mir verliehene Macht in angemessener Weise nutzen und doch damit erreichen konnte, was mir am Herzen lag. Ich war so überglücklich, dass ich ihn gleich geheiratet habe.«

Ijada lachte. »Das freut mich für dich! Du verdienst alles Gute!«

»Was wir verdienen, weiß nur der Vater allein.« Die Zauberin blickte plötzlich wieder ernst. »Aber nun, Liebes, erzähl mir doch, was auf dieser von den Göttern verlassenen Burg tatsächlich geschehen ist.«

Kapitel Fünf

Ijadas Lachen verstummte abrupt. Ingrey erhob sich unauffällig und schickte die Zofe hinaus, um das Abendessen zu holen — auch für die zusätzlichen Gäste —, bei dessen Bestellung er selbst abgelenkt worden war. Auf diese Weise sorgte er auch dafür, dass ein neugieriger Lauscher von den nachfolgenden Enthüllungen fern gehalten wurde. Die Frau wirkte enttäuscht, wagte aber nicht zu widersprechen.

Anschließend nahm Ingrey ebenso still wieder Platz, um Ijada bei ihrem zögernden Geständnis gegenüber ihrer Freundin nicht zu stören. Wobei Letztere, zumindest nach Ingreys Einschätzung, nicht aus Freundschaft hier war, sondern aus deutlich schwerer durchschaubaren Gründen.

Er achtete genau auf jeden Widerspruch, aber die Geschichte, die Ijada der Gelehrten Hallana erzählte, war so ziemlich dieselbe, die sie letztendlich auch Ingrey anvertraut hatte. Diesmal allerdings wurde alles in der richtigen Reihenfolge berichtet und nichts ausgelassen. Hallana gegenüber brachte Ijada auch die eigenen, drückenden Ängste deutlicher zum Ausdruck. Als sie von ihren Träumen nach der Heimsuchung durch den Leoparden berichtete, wurde Hallanas Gesichtsausdruck so aufmerksam, dass ihre Züge wie erstarrt wirkten. Ijada setzte ihren Bericht fort bis zu dem beinahe fatalen Sturz an der Furt; dann zögerte sie und blickte zu Ingrey hinüber. »Ich glaube, von hier an sollte Lord Ingrey weitererzählen, wenn es ihm beliebt.«

Ingrey zuckte zusammen und errötete. Einen Augenblick lang fürchtete er, der rote Nebel könne wieder die Oberhand gewinnen. Seine Hände verkrampften sich zitternd um die Kante der Fensterbank, auf der er saß. Voller Unbehagen erkannte er, dass er wieder sorglos geworden war, offenbar im Vertrauen darauf, die Zauberin könne sich selbst und Ijada schon beschützen. Aber auch Zauberer waren nicht gegen kalten Stahl gefeit — nicht, wenn er nahe genug an sie herankam. Er hatte es so weit kommen lassen, dass er mit den Frauen allein und bewaffnet war. Und nun rührten sie auch noch an seinen tiefsten Geheimnissen …

»Ich habe versucht, sie zu ertränken«, platzte es aus ihm heraus. »Ich habe noch drei weitere Male versucht, sie zu töten — zumindest sind das die Vorfälle, von denen ich weiß. Ich schwöre, dass ich das gar nicht will. Sie hält es für eine Art Zauber oder Bann.«

Die Zauberin schürzte die Lippen und atmete langsam und nachdenklich aus. Dann lehnte sie sich zurück und schloss die Augen. Reglos saß sie da. Als sie die Augen wieder öffnete, war ihre Miene undurchschaubar.

»Kein Zauberer hat einen Spruch auf Euch gelegt. Es geht keine entsprechende Verbindung von Euch aus, die einen Zauber unterhalten könnte — keine Kraftlinien, die sich von Euch fortschlängeln oder zu Euch hin. Und es ruht auch kein Geschöpf des fünften Gottes in Eurer Seele. Aber etwas anderes. Es sieht sehr finster aus.«

Er blickte zur Seite. »Ich weiß. Das ist mein Wolf.«

»Wenn das der Geist eines Wolfes ist, dann bin ich die Königin von Darthaca.«

»Es war schon immer ein sehr seltsamer Wolf. Aber er ist gebunden.«

»So? Darf ich Euch berühren.«

»Ich weiß nicht, ob ich … sicher bin.«

Ihre Brauen zuckten empor. Sie musterte ihn von oben bis unten, und er wurde sich schmerzlich bewusst, wie er aussehen musste, bedeckt vom Straßendreck und bartstoppelig wie ein Streuner. »Dann sollte ich mich vielleicht auf Eure Einschätzung verlassen. Ijada, was siehst du in ihm?«

»Ich sehe überhaupt nichts«, erwiderte sie unglücklich. »Es ist vielmehr so, als würde der Leopard ihn riechen, und ich würde ihn dabei belauschen … beschnuppern? Wie auch immer, ich bekomme all diese unvertrauten Eindrücke. Da ist dieses finstere Wolfsding, das auch du wahrgenommen hast … zumindest riecht es finster, wie Humus aus altem Laub und die Asche toter Lagerfeuer und die Schatten des Waldes. Und da ist noch etwas. Es raunt um ihn wie ein Gerücht. Es hat einen sehr eigentümlichen Geruch. Stechend.«