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Das kalte Wasser zerrte an seinen Beinen, als er das Pferd den Fluss entlang zwang. Ein dunkler Kopf tauchte vor drei runden Felsen auf, die aus dem kochenden Schwall ringsum ragten. Ijada streckte den Arm aus, fand Halt …

»Festhalten!«, rief Ingrey. »Ich bin gleich bei Euch!«

Lady Ijada zog sich mit beiden Armen bäuchlings auf den Felsen hinauf, wand sich und kletterte weiter. Als Ingrey sein schnaubendes Pferd neben sie gebracht hatte, stand sie schon aufrecht, tropfend und keuchend. Er bekam noch mit, wie ihr Pferd ein Stück weiter vorn ans Ufer gespült wurde, wo es sich auf die Beine kämpfte, durch den Matsch stolperte und dann mit einem Satz zwischen den Bäumen verschwand. Ingrey schickte dem Tier eine stumme Verwünschung hinterher und winkte einem seiner Leute, es wieder einzufangen.

Er achtete nicht darauf, ob man ihm gehorchte, denn gerade kam er auf Armlänge an Lady Ijada heran. Er beugte sich in ihre Richtung vor, und sie neigte sich zu ihm hin …

Dunkelroter Nebel umwallte in diesem Moment seinen Verstand und trübte seinen Blick. Als er ihre Hände fasste, kippte er ins Wasser und riss sie von ihrem sicheren Platz herunter. Er musste sie hinabdrücken … und schmeckte selbst Wasser. Er spuckte, keuchte und ging wieder unter. Ohne Orientierung wirbelte er hin und her. Ein weit entfernter Teil seines Verstandes schrie innerlich: Was tust du denn, Dummkopf! Er musste sie hinabdrücken …

Die Gewalt des Wassers schmetterte seinen Schädel gegen etwas Hartes, und sternförmige grüne Funken überstrahlten den roten Nebel. Seine Gedanken erloschen.

Verzweifelt nach Atem ringend kam er wieder zu Bewusstsein. Eine eisige Brise schlug ihm ins Gesicht. Irgendwer hielt seinen Kopf über Wasser, und er konnte gerade gut genug atmen, um Luft und Wasser zugleich auszuhusten. Ingrey schlug mit allen Gliedmaßen um sich und fühlte sich dabei so kraftlos und schwer, als schwimme er in Öl.

»Hört auf, Euch zu wehren!«, fuhr Lady Ijada ihn an. Irgendetwas zog sich um seinen Hals zusammen, und nach einem Moment der Verwirrung wurde ihm klar, dass es wohl ihr Arm war. Er musste sie retten, ertränken, retten …

Sie kann schwimmen. Mit dieser verspäteten Einsicht erlahmten auch seine eigenen panischen Bewegungen, wenn auch nur durch den Schreck. Nun gut, er konnte auch schwimmen, auf gewisse Weise. Er hatte schon mal einen Schiffsuntergang überlebt, indem er sich, zugegeben, hauptsächlich an Dingen festgehalten hatte, die auf dem Wasser trieben. Das Einzige, was hier im Wasser trieb, schien Lady Ijada zu sein. Aber das Gewicht seiner Waffen und Stiefel musste sie beide hinunterziehen — seine Füße trafen auf irgendetwas. Die Strömung spuckte sie in einen Rückstrudel, das Flussufer wurde flacher, und dann zerrte sie ihn an das rettende Ufer.

Er entwand sich ihrem Griff und kroch auf Händen und Knien über die Felsen zur moosbewachsenen Böschung. Das Wasser strömte rosafarben aus seinen Haaren und wurde noch röter. Er schüttelte es aus den Augen und blickte triefnass umher.

Die Wälder standen an dieser Stelle dicht und verwoben. Ingrey wusste nicht genau, wie weit flussab sie getrieben waren, doch die Furt, der Karren und seine Leute waren nirgendwo zu sehen. Er zitterte vor plötzlicher Schwäche — eine Nachwirkung des Stoßes gegen den Kopf.

Ijada erhob sich. Wasser strömte aus ihren Kleidern. Sie wankte aus dem Fluss zu ihm hin und streckte die Hand aus, doch Ingrey schreckte zurück. Er legte die Arme um einen schlanken Baum, teils, um sich daran festzuhalten, teils auch, um …

»Fasst mich nicht an!«

»Was? Lord Ingrey, Ihr blutet …«

»Kommt nicht näher!«

»Lord Ingrey, wenn Ihr nur …«

Seine Stimme überschlug sich. »Mein Wolf will Euch umbringen. Er hat sich losgerissen! Bleibt weg!«

Sie verharrte und starrte ihn an. Ihre Frisur war an einigen Stellen gelöst, und Wasser tröpfelte glitzernd aus den Haaren, plätscherte stumm in den Moosteppich zu ihren Füßen — gleichmäßig und hypnotisch wie eine fremdartige Wasseruhr.

»Dreimal«, keuchte er heiser. »Das war jetzt das dritte Mal. Begreift Ihr denn nicht, dass ich gerade versucht habe, Euch zu ertränken? Ich hatte es davor schon zweimal probiert: Als ich Euch das erste Mal gesehen habe und mein Schwert zückte, da wollte ich Euch auf der Stelle durchbohren. Dann, als wir beieinander saßen, stand ich kurz davor, Euch zu erwürgen.«

Sie war bleich, nachdenklich und aufmerksam. Sie rannte nicht kreischend davon. Er wünschte sich, dass sie fortliefe — kreischend oder nicht. So lange sie nur schneller rannte als er.

»Lauft!«

Stattdessen trieb sie ihn fast in den Wahnsinn, indem sie sich gegen einen mächtigen Baumstamm lehnte und die gluckernden Stiefel auszog. Erst nachdem sie den zweiten ausgekippt hatte, sprach sie wieder: »Das war nicht Euer Wolf.«

Ingrey hatte immer noch ein Läuten im Kopf, vom Schlag gegen den Felsen. Das Flusswasser, das er geschluckt hatte, rumorte unangenehm in seinen Eingeweiden, und er stand kurz davor, sich zu erbrechen. Er begriff nicht, was sie meinte. »Was?«

»Es war nicht Euer Wolf.« Sie stellte den zweiten Stiefel neben den ersten und erklärte mit gleichförmiger Stimme: »Auf gewisse Weise kann ich den Wolf riechen. Ich rieche ihn nicht wirklich, aber mir fällt keine andere Möglichkeit ein, es zu beschreiben.«

»Er … Ich habe versucht, Euch umzubringen!«

»Es war nicht Euer Wolf. Und Ihr wart es auch nicht. Es war alle drei Male dieser andere Geruch.«

Nun machte er große Augen, und alle Worte erstarben ihm auf der Zunge.

»Ihr habt nie gefragt, wohin der Geist von Bolesos Leopard verschwand, Lord Ingrey.«

»Er kam zu mir.« Für einen wortlosen, eindringlichen Augenblick verschmolzen ihre braunen Augen mit den seinen.

»Ich … es … entschuldigt bitte«, stieß Ingrey dann mit belegter Stimme hervor. »Ich muss mich jetzt übergeben.«

Er zog sich hinter den Baum zurück, an den er sich bisher geklammert hatte — auch wenn der schmale Stamm ihm keine große Rückzugsmöglichkeit verschaffte. Er hätte sich gerne eingeredet, dass der Würgekrampf ihm Zeit verschaffte, seine fünf Sinne wieder zusammenzukriegen. Aber anscheinend war sein Verstand über die ganze Meile entlang des Flusses verstreut worden, und seinen klaren Kopf schien man ertränkt zu haben — und zwar nicht in Wein. So blieb ihm nur die Strafe, nicht aber der Lohn.

Er stolperte um den Baum zurück zum Ufer, wo Ijada gelassen die Jacke auswrang. Er gab auf und ließ sich schwer auf einem gestürzten, moosbewachsenen Stamm nieder. Der Stamm war feucht, aber Ingrey war noch feuchter, und seine nasse Lederkleidung rutschte und quietschte.

Sie sah für ihn nicht anders aus als vorher. Nun ja, durchweicht und ein wenig verwildert, aber immer noch spielte das Licht auf ihrer Gestalt, als wäre die Sonne ihr Liebhaber. Ingrey nahm keine Katzenform in ihrem Schatten wahr. Er roch nichts als sich selbst, eine Übelkeit erregende Mischung aus nassem Leder, Öl, Schweiß und Pferdegeruch.

»Ich weiß nicht, ob Boleso es so geplant hatte, dass ich den Leoparden bekam«, fuhr sie in dem gleichen, ausdruckslosen Tonfall fort, nicht abgeschreckt von der widerwärtigen Unterbrechung. »Das Tier kam zu mir, als ich Bolesos sterbenden Leib berührte und den Schlüssel suchte. Seine anderen Tierseelen blieben an ihn gefesselt und gingen mit ihm — vielleicht, weil er sie schon länger besaß oder weil das letzte Ritual nicht abgeschlossen war. Der Geist des Leoparden war verängstigt und außer sich. Er verkroch sich in meinem Geist, doch ich konnte ihn fühlen.