Zisch macht das Bier, Kronkorken mit Wernesgrüneremblem, in der Sonne funkelt alles, immer im Kreis, Metall, Straßenbahnen quietschen in den Kurven, Tausende Arbeiter strömen in die Fabriken, aus den Fabriken, während der Alte trinkt mit geschlossenen Augen, neunzehnhundertvierundsechzig, Sonnenfinsternis neunzehnhundertneunundneunzig,»und weil die doch alle zu sind jetzt, dichtgemacht und …, ahhhh, mein Gott, tut das gut, stampft das nicht mehr, klingt das anders jetzt, und Güterzüge sind doch auch nur noch selten und leer, wenn überhaupt. «Was quatscht der Alte nur für einen Blödsinn, denkt die Frau, seit dreißig Jahren, wenn’s wo stampft, dann in seinem Kopp, nicht dass er mir senil wird, und sie geht nach drinnen, wo die Küchenuhr tickt. Der heißeste Sommer seit zweitausenddrei … badadadamm … kauft … zweiundneunzig Komma, ein Bulle schläft über der Bildzeitung, unten vorm Haus, Zivilbulle 1, Golf 2, Kopf auf der Brust,»Bild «aufm Lenkrad, Annoncen neben der lokalen Sportseite, FO machen jetzt die meisten, am Knochenplatz um die Ecke soll’s ’ne neue Lieferung geben, die Fixer machen sich dünn bei achtunddreißig Grad, und Kristall regiert die Stadt, der Bulle 2 trinkt Cola Zero und überfliegt die Annoncen, was die wohl mit FF meinen? ping, ein Kronkorken auf der Motorhaube, zu faul zum Aussteigen, Radio dudelt, was, verdammt nochmal, ist KB?» Heh, sag mal, du weißt doch bestimmt, was KB bedeutet, und FF, hörst du, KB!«
«Lass mich in Ruhe mit HB, F6 kann ich dir sagen. «Er wischt sich den Sabber vom Kinn, da bin ich wohl kurz weggenickt. Früher gab’s Hitzefrei bei solch einer Demmse.
«Weiß ich doch selber. Wegen der F6, also der Fernverkehrsstraße, weil dort die Tabakfabrik stand, in Dresden.«
«Ja, ja. Wer wird Millionär. Dresden hin, Dresden her, Chemnitz och nichts mehr. «Er streicht sich über die Glatze.»Ein kaltes Bier, ein kaltes Bier. «Er steigt aus und blickt an der Häuserfront nach oben. Sieht einen bunten Sonnenschirm, der im dritten Stock über die Balkonbrüstung hängt. Er fährt mit der Hand über die heiße Motorhaube, spürt den winzigen Kratzer, den der Kronkorken gemacht hat. Er blickt rüber zum Taxistand. Der kleine Flachbau mit dem Imbiss ist leer seit ein paar Tagen. Dabei müsste das doch laufen jetzt im Sommer. Bei der Hitze macht’s ihm gar nichts mehr, dass er aufgehört hat zu rauchen. Da fehlt der Appetit. Das legt sich nur aufs Herz mit dem Ozon. Er sieht, wie eine Frau über die Straße rennt, direkt zum ersten Taxi in der Schlange der sieben, acht Autos, er zählt. Sind sieben. Er blickt auf die Uhr. Clock drei. Sie steigt ein. Hinten. Große blonde Frau. Sehr groß. Hohe Schuhe. Sehr hoch. Schöne Titten. Sehr schön. Sehn aus wie gemacht. Sie fahren.
«Hol mal den Grill raus.«
«Du willst doch nicht bei dieser Hitze grillen! Das zieht wieder alles in die Wohnung.«
«Wir können doch runter auf den Hof, da gibt’s mehr Schatten.«
«Ich mach keinen Schritt mehr heute.«
Das Taxi kommt zurück. Stellt sich hinten an. Wie die Zeit vergeht. Und die Sonne wandert. Er beobachtet die beiden Bullen, die immer noch drüben vorm Haus in der Sonne stehen. Keine Bäume, kein Schatten, und die Sonne wandert schnell.
«Wo dieser Penner bleibt?«
«Steig mal wieder ein. Stehst wie ’n Bauer am Schießstand.«
«Als ob unser Kai was mitkriegt. Hab gehört, ist wieder Kleinmesse gerade. Würde gern wieder mal hin mit meiner Tochter.«
«Du bist ja ’n richtiger Insider! Fährste nicht jeden Tag dran vorbei?«
«Nee. Wenn ich fahre, nehme ich immer die 7 an der Rennbahn vorbei.«
«Die 6.«
«Kennste denn nicht den Spruch mit der 7?«
«Nee.«
«Na dann.«
«Erzähl mal.«
«Nee. «Er steigt wieder ein. Lässt die Tür offen. Er beugt sich zur Rückbank und nimmt eine Flasche Wasser.»Gib mir mal ’ne Cola«, sagt Bulle 2 zu Bulle 1.
«Bitte!«
«Bitte.«
«Cola Zero?«
«Siehste ’ne andere Cola?«
«Wie kannst’n das Zeug bloß trinken, ist das pure Gift.«
«Danke, Genosse. Gift? Wie kommst’n auf den Scheiß?«
«Ja, was denkst du, was da drinnen ist. Das ist wie bei den Light-Zigaretten.«
«Ist aber nicht light, ist Zero.«
«Noch schlimmer. Zuckeraustauschstoffe. Chemie und Gift. Ich kannte mal einen, der hat R1 geraucht, immer nur R1 …«
«Steffen vom schwarzen Block?«
«Steffen von der Abteilung Hooligan.«
«Also, ich krieg sicher kein’ Krebs von Cola Zero.«
«Wär doch mal ’n Werbespot.«
Sie sitzen und sehen, wie es fünfzehn Uhr dreißig wird im Viertel. Ein Kronkorken fällt neben dem Golf 2 auf den Asphalt. Hoher Bogen, dritter Stock. Kriegen sie aber nicht mit, weil sie den Imbiss auf der anderen Seite der Straße beobachten, der seit paar Tagen zu hat. Keiner weiß, wieso. Und auch jetzt kommen wieder Leute und rütteln an der Tür. Und die beiden Bullen haben auch den kleinen Bahnhof im Blick, ein Stück die Straße runter. Sehen Leute aus der Unterführung kommen, in die Unterführung runtergehen. Bulle 1 macht das Radio an, Bulle 2 schaltet es aus. Bulle 1 wieder an. Bulle 2 dreht es leise. Bulle 1 wieder bisschen lauter. Der Klassiksender läuft, wer hat das denn eingestellt, obwohl das manchmal ganz gut ist, um zu entspannen, um runterzukommen, wenn wieder mal so ein Arschloch wartet, von dem sie wissen, dass er die Tür nicht aufmacht. Dem sie die Bude halb eintreten müssen, damit er mitkommt. Immer langsam mit der Fahndung. Weil da kann man auch mal an den Falschen kommen. Weil da gibt’s auch den einen oder anderen Assi, der einen guten Anwalt hat. Oder Beziehungen. Obwohl man sich das schlecht vorstellen kann. Ist auch selten. Bulle 1 kurbelt weiter. Mega-Hits der Achtziger. Die meisten Assis machen nichts, wenn sie dann blöd fallen, wenn die Tür endlich mal offen ist. Live is life. Dass dieser Scheiß doch wirklich immer noch kommt. Und sie kurbeln an dem alten Radio rum und hauen sich gegenseitig auf die Hände, und die Zeppeline mit den großen Werbesprüchen on board drehen ab zur Landung irgendwo vor der Stadt, weil das Wetterleuchten näher rückt.
«Aber unser Assi, verstehen Sie, der kommt immer zu diesem Imbiss. Der hat keinen festen Wohnsitzt, wo wir ihn uns sacken können. Also obsen wir ihn hier. Der weiß auch genau, wie das Spiel geht. So blöd, wie das jetzt klingt. Denn da hinten sehen Sie die verfallene Mauer, ja, da auf der Wiese hinterm Imbiss, die zu der kleinen Ruine gehört, ehemals Reichsbahn, jetzt DB. Heim ins Reich. Unser Kai. Der Kristall-Junge. Aber kein Interesse, so oder so. Will keiner kaufen, keiner investieren. Verkommt. Der kommt also hierher, unser Jungchen, flatterig wie das HB-Männchen, wenn Sie wissen, was ich meine. F6. Und da hinten hat er sein Depot. Da holt er seine Schorre. Ein Zombie. Wenn ich’s doch sage. Je heißer das wird, umso dürrer wird der Kerl. Kai. Bald in der Kiste, wenn Sie verstehen, was ich meine. Zombie-Kai. Und der weiß viel und singt gerne seine Lieder. Sonst sacken wir ihn ein und sperren ihn weg. Und da gibt’s keine Schorre. Und kein Kristall auch nicht. Obwohl’s da alles gibt, wenn man weiß wie. Aber ist eh knapp zurzeit. Kann einer vielleicht argumentieren, dass man drinnen jetzt, also im Moment, mehr kriegt als draußen. Aber überall ist der große Ausverkauf. Aber kein Sommerschluss. Genau wie Koka und der andere Scheiß. Und wir haben Druck von oben, weil die Zombies jetzt auf die Alten und Schwachen gehen, Rentnerklatschen, weil ja die Preise steigen. Also sollen wir aufräumen. Nicht nur unten, sondern auch oben. Ist jetzt nicht unser Job. Wir sind nur Fahndung. Fahren die Assis in den Kahn. Schiff ahoi. Aber da gegen die meisten Zombies was offen ist, spricht man sich mal ab mit der D zwodrei. Droge. Dezernat. Holt sich einen und macht bisschen Druck und leitet die Info weiter. Kriegen wir dann ’ne andere Info, wenn ’n großer Hirsch irgendwo steht und auf den Blattschuss wartet. Sonst kehren wir alles weg, aber jetzt ist’s grad speziell, weil die Zombies gehen auf alles, was nach Kleingeld aussieht, steigen sogar in Bäckereien ein, mit Knarren und Messern, und da soll der Sumpf jetzt …, verstehen Sie? Trocken und heiß. Was aber auch nichts bringt, weil für die Presse und die Politik alles prima, wir haben die Schorre und den Koks und rotten die Szene aus, was natürlich auch ein absoluter Quatsch ist, aber da kommen dann immer mehr Zombies, die auf der Suche nach Stoff und Geld sind. Und die müssen wir dann auch noch wegkehren. Und auf der anderen Seite spielen die Kanacken verrückt und drängen in die Stadt und in den Markt. Nur die Fidschies in Chinatown machen ihr eigenes Ding. Bisschen kompliziert, gelle? Ja. Wie sagt man? Win-win-Situation. Oder so ähnlich. Sie verstehen? Alle für alle, wie die Musketiere.«