Stattdessen aber drehte er sich weg, zog seinen Hammer und brüllte einen Schlachtruf. Das Gebrüll schien die Kreatur zu erschrecken, und sie zögerte, ihre Waffe zurückzuziehen. Doomhammer ließ ihr keine Zeit, um sich von dem Schreck zu erholen. Er sprang vor, schwang seinen Hammer… und traf eines der Beine voll am Knie. Die Kreatur humpelte, schrie vor Schmerz und umklammerte das zerschmetterte Körperteil.
Doomhammer schlug erneut zu. Ein mächtiger Überhandschlag, der den Schädel der Bestie zerschmetterte.
»Ich sage es noch einmal, ich will mit eurem Anführer sprechen!«, rief er und wandte sein Gesicht den anderen Wesen zu, die sich während des schnellen Gefechts nicht gerührt hatten. »Bringt mich zu ihm, oder ich töte den Rest von euch und suche mir andere, die hilfsbereiter sind!«
Er hob den Hammer mit Nachdruck, weil er aus Erfahrung wusste, dass der Anblick des schwarzen Steinkopfs, an dem frisches Blut, verfilztes Haar und Knochen klebten, die meisten Gegner beeindruckte.
Die Geste zeigte Wirkung. Die anderen Gestalten traten einen Schritt zurück und hoben ihre Waffen, um zu zeigen, dass sie nicht angreifen wollten. Dann ging einer um die anderen herum und kam auf Doomhammer zu. Sein Haar bestand aus Zöpfen, statt zu einer steifen Krone geformt zu sein. Er trug eine Knochenkette um seinen Hals.
»Du mit Zul’jin reden wollen?«, fragte die Kreatur. Doomhammer nickte und nahm an, dass der Anführer entweder so hieß oder es sich um seinen Titel handelte. »Ich bringen ihn her«, bot die Kreatur an. Sie drehte sich um, verschwand geräuschlos in den Schatten und ließ ihre vier Gefährten zurück. Sie tauschten Blicke, dann starrten sie auf die Orcs. Offensichtlich wussten sie nicht, wie sie sich verhalten sollten.
»Wir warten«, verkündete Doomhammer ruhig sowohl den Trollen als auch seinen eigenen Kriegern. Er stellte den Kopf seines Hammers auf den Boden und stützte sich auf den langen Schaft. Dabei blieb er wachsam, aber unbekümmert.
Als sie sahen, dass er die Kreaturen nicht angriff, entspannten sie sich ein wenig und senkten ihre Waffen ebenfalls. Eine der Gestalten setzte sich sogar auf den Boden. Seine Augen beobachteten aber weiter jede Bewegung der Orcs.
»Wie heißt du?«, fragte Doomhammer ihn nach ein paar Minuten.
»Ich bin Krul’tan«, antwortete die Kreatur.
»Orgrim Doomhammer«, stellte Doomhammer sich vor, wobei er mit dem Daumen auf sich wies. »Wie sind die Orcs vom Blackrock-Clan. Wer seid ihr?«
»Wir Waldtrolle«, kam es überrascht, als könnte Krul’tan nicht glauben, dass sie das nicht wussten. »Vom Amani-Stamm.«
Doomhammer nickte. Waldtrolle also. Und sie waren in Stämme aufgeteilt, was bedeutete, dass sie zivilisiert waren. Sehr viel mehr jedenfalls als Oger.
Zum ersten Mal zog er ernsthaft in Erwägung, dass Blackhands Idee weise sein könnte. Diese Kreaturen ähnelten mehr den Orcs als den Ogern, abgesehen von ihrer Größe und Stärke natürlich.
Was für prächtige Verbündete sie abgegeben hätten! Und sie stammten von dieser Welt, was bedeutete, dass sie ihnen vertraut war und sie die hiesigen Lebensformen und Gefahren wohl bestens kannten.
Eine Stunde verging. Plötzlich lösten sich ohne Warnung Schatten von den Bäumen und bewegten sich auf großen, lautlosen Füßen.
Es waren Trolle, derjenige, der sie verlassen hatte, und drei weitere.
»Du wollen Zul’jin treffen?«, fragte einer. Er trat so nah genug heran, dass Doomhammer die Perlen und die Metallteile sehen konnte, die an seinen langen Zöpfen baumelten. »Hier ich bin!«
Zul’jin war etwas größer als die anderen Trolle und auch etwas schlanker. Er trug schwere Stoffe, die um seine Hüfte gewickelt waren, und eine offene Weste aus schwerem Leder. Ein dicker Schal war um seinen Hals geschlungen und bedeckte das Gesicht bis zur Nase. Das verlieh ihm ein düsteres Erscheinungsbild.
Aus dieser Nähe konnte Doomhammer auch erkennen, dass die Haut des Trolls mit Pelz überzogen war. Erst nach einer Weile fiel ihm auf, dass es wie Moos aussah…
Die Trolle wirkten so grün, weil sie sich mit Moos bedeckten! Was für merkwürdige Kreaturen sie doch waren…
»Ich bin Doomhammer – und ja, ich würde gern mit dir sprechen.« Doomhammer schaute zu dem Waldtroll auf und zeigte dabei keinerlei Furcht. »Mein Anführer Blackhand herrscht über die Horde. Zweifellos habt ihr unsere Leute schon durch den Wald ziehen gesehen.«
Zul’jin nickte. »Wir euch gesehen, wie ihr durch Bäume gekracht. Ihr sein unbeholfener als Menschen«, sagte er. »Aber stärker, ja. Und für Krieg bereit. Was ihr wollt von uns?«
Selbst hinter dem Schal konnte Doomhammer das Grinsen des Trolls erahnen. Kein sehr angenehmer Gesichtsausdruck.
»Ihr wollt unsern Wald, ja? Ihr mit uns kämpfen müsst darum.« Zul’jins Hände glitten zu den beiden Äxten, die er am Gürtel baumeln hatte. »Und ihr verlieren.«
Doomhammer befürchtete, dass der Trollhäuptling damit sogar Recht haben könnte. Die Horde war zwar deutlich zahlreicher, aber wenn alle Waldtrolle so stark und leise wie diese hier waren, konnten sie aus dem Nichts heraus zuschlagen… und dorthin auch wieder verschwinden. Sie konnten jeden Orc töten, der dieses Gebiet aufsuchte, während die Horde keine große Streitmacht durch die Bäume führen konnte, um den Angriffen erfolgreich zu begegnen.
Zum Glück hatte sie das auch gar nicht vor.
»Wir wollen euren Wald nicht«, versicherte Doomhammer dem Anführer der Trolle. »Wir wollen eure Stärke. Wir wollen die Welt erobern – und euch dabei als Verbündete haben.«
Zul’jin runzelte die Stirn. »Verbündete? Warum? Was wir hätten davon?«
»Was wollt ihr denn haben?«
Einer der anderen Trolle sagte etwas in einer merkwürdigen, zischenden Sprache. Doch Zul’jin schnitt ihm mit einer knappen Geste das Wort ab. »Wir nichts brauchen«, antwortete er schließlich. »Wir Wald haben. Niemand hinein sich wagt, nur verdammte Elfen. Doch um die wir uns selbst kümmern.«
»Seid ihr sicher?«, fragte Doomhammer, der einen möglichen Ansatzpunkt witterte. »Diese Elfen – sind sie ein eigenes Volk? Ein mächtiges Volk?«
»Mächtig, ja«, stimmte der Troll ihm knurrend zu. »Aber wir sie töten seit alten Tagen, als sie kamen in unser Land. Wir Hilfe nicht brauchen.«
»Warum knöpft ihr sie euch nur nach und nach vor?«, fragte Doomhammer. »Warum geht ihr nicht in ihre Städte und vernichtet sie restlos – ein für alle Mal? Wir könnten euch dabei helfen! Mit der Horde auf eurer Seite könntet ihr die Elfen für immer vernichten, und der Wald würde künftig ganz allein euch gehören.«
Zul’jin schien darüber nachzudenken. Und einen Moment lang wagte Doomhammer zu hoffen, dass der schlanke Waldtroll zustimmen würde. Aber schließlich schüttelte er den Kopf. »Wir selber bekämpfen Elfen«, erklärte er. »Wir Hilfe nicht brauchen. Und wir nicht brauchen Rest der Welt, nicht mehr. Deshalb wir nichts davon haben, wenn ziehen aus, um bekämpfen andere.«
Doomhammer seufzte. Er erkannte, dass er den Waldtroll nicht umstimmen konnte. Und er vermutete, dass zu starkes Drängen ihn nur verärgern würde. »Ich verstehe«, sagte er schließlich. »Mein Häuptling wird sehr enttäuscht sein, so wie ich auch. Aber ich respektiere eure Entscheidung.«
Zul’jin nickte. »Geh in Frieden, Orc«, flüsterte er und trat bereits zurück in die Schatten. »Kein Troll wird euch belästigen.« Dann war er fort und die anderen Trolle mit ihm…
Blackhand war tatsächlich enttäuscht gewesen. Der Kriegshäuptling hatte Doomhammer angebrüllt und ihm und den anderen Orcs Versagen vorgeworfen. Aber nachdem er sich wieder beruhigt hatte, stimmte er Doomhammers Einschätzung zu, dass ein zu hartnäckiges Bedrängen die Trolle vielleicht zu Feinden statt zu einer neutralen Partei hätte machen können. Was sie auf gar keinen Fall riskieren durften.
Doomhammer bereute die Entscheidung des Trollhäuptlings noch immer. Deshalb hatte er seinen Kundschaftern aufgetragen, nach Trollen Ausschau zu halten, wann immer sie dem Wald nahe kamen oder ihn durchquerten.