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»Sammelt die Truppen!«, brüllte Lothar. »Lasst alles zurück, was ihr nicht braucht. Wir kümmern uns später darum – falls wir überleben! Im Moment ist Schnelligkeit unser größter Verbündeter. Los! Los!« Er wandte sich an Khadgar, während seine anderen Offiziere vom Kommandozelt aus zusammen mit den Königen zu ihren jeweils eigenen Truppen liefen. »Und so fängt es an«, sagte er zu dem jungen, jedoch alt wirkenden Zauberer.

Khadgar nickte. »Ich hätte gedacht, uns bliebe etwas mehr Zeit«, sagte er.

»Das dachte ich auch«, stimmte Lothar zu. »Aber diese Orcs sind ungeduldig und brennen darauf, alles zu erobern. Das mag ihr Untergang sein.« Er seufzte. »Zumindest hoffe ich das.«

Er blickte auf die Karte des Hügellandes und versuchte sich die bevorstehende Schlacht vorzustellen. Dann schüttelte er den Kopf. Es gab noch so viel zu erledigen. Und das Gemetzel würde noch früh genug beginnen.

8

»Sind wir soweit?«

Turalyon schluckte und nickte. »Fertig, Sire«

Lothar nickte und wandte sich ab. Er runzelte die Stirn, und eine Sekunde lang glaubte Turalyon, dass dieser Ausdruck ihm galt. Hatte er die falsche Antwort gegeben? Wollte Fürst Lothar mehr Details hören? Hätte er irgendetwas anderes sagen sollen?

Hör auf, rief er sich zur Räson. Du wirst schon wieder panisch. Beruhige dich. Du machst das prima. Er runzelt die Stirn, weil wir in die Schlacht ziehen, nicht, weil du ihn enttäuscht hast.

Er zwang sich, nicht mehr darüber nachzudenken, und inspizierte erneut seine Ausrüstung. Die Gurte seiner Rüstung waren in Ordnung und saßen fest. Sein Schild hing sicher an seinem Arm, sein Kriegshammer war am Sattelhorn befestigt.

Er war bereit. So bereit, wie man nur sein konnte.

Er sah sich um und beobachtete die anderen. Lothar redete mit Uther. Turalyon beneidete die beiden Männer um ihre Haltung. Sie wirkten leicht ungeduldig, doch ansonsten völlig gelassen. War das etwas, was man mit mehr Erfahrung lernte?

Khadgar schaute über die Ebene und musste Turalyons Blick gespürt haben, weil er sich umdrehte und ihn anlächelte. »Nervös?«, fragte der Zauberer.

Turalyon lachte über sich selbst. »Sehr«, gab er zu.

Er war mit dem üblichen Respekt vor Magiern aufgewachsen – und mit Vorsicht ihnen gegenüber. Doch Khadgar war anders. Vielleicht weil sie ungefähr gleich alt waren – auch wenn der Magier um Jahrzehnte älter wirkte. Oder es lag einfach daran, dass Khadgar nicht so arrogant war wie manch anderer Zauberer.

Turalyon hatte sich an dem Tag, an dem Erzbischof Faol sie alle vorgestellt hatte, ein wenig mit Khadgar unterhalten. Dabei hatte er festgestellt, dass er ihn mochte. Lothar mochte er natürlich auch, dabei bewunderte er jedoch überwiegend die Erfahrung und das Können des Helden von Stormwind.

Khadgar war wahrscheinlich mächtiger, aber zugleich auch zugänglicher, und er und Turalyon waren schnell Freunde geworden. Er war der Einzige, dem Turalyon von seinen Ängsten erzählte.

»Mach dir nichts draus«, empfahl ihm Khadgar. »Jeder hat Furcht. Der Trick besteht darin, sie zu überwinden.«

»Bist du denn auch… nervös?«

Der Magier grinste. »Zu Tode erschreckt würde es besser treffen«, eröffnete er ihm. »So geht es mir jedes Mal, wenn wir in den Kampf ziehen. Lothar hat mir einst nach einer Schlacht gesagt, dass man Angst haben soll. Weil derjenige, der keine hat, sorglos wird. Und dann wird es heikel.«

Turalyon nickte. »Meine Ausbilder haben so ziemlich dasselbe gesagt.« Er schüttelte den Kopf. »Aber es ist eine Sache, so etwas zu sagen, und eine ganz andere, es auch zu glauben.«

Sein Freund schlug ihm wohlwollend auf die Schulter. »Du machst das schon«, versicherte er ihm. »Wenn es erst losgeht, bist du viel zu beschäftigt, um noch drüber nachzudenken.«

Sie drehten sich beide um und schauten nach vorne. Die Hügellande waren nach ihren sanften Erhebungen benannt. Die Armee der Allianz war über die gesamte Breite der Hügelketten aufgestellt. Ihre Soldaten blickten in Richtung Southshore und die Große See.

Die Schiffe der Horde trafen in diesem Moment ein. Schwerfällig wirkende Gefährte aus dunklem Metall und geschwärztem Holz. Segel gab es nicht, dafür mehrere Ruderreihen.

Lothar wollte die Horde kalt erwischen, wenn sie an Land kam – noch bevor die Orcs die Chance bekamen, Stellung zu beziehen. Proudmoores Marine hatte die Schiffe bereits bei der Fahrt durch die Passage angegriffen und einige von ihnen – und sicherlich Tausende Orcs – auf den Grund des Ozeans geschickt. Aber die Horde war immer noch sehr zahlreich.

Man hatte lediglich die äußersten Schiffe versenkt, der Rest fuhr unbeeindruckt weiter. Es würde immer noch genügend Kämpfe geben, sobald sie landeten.

»Sie sind fast an der Küste«, berichtete Alleria. Ihre scharfen Elfenaugen sahen weiter als die der Menschen. Sie wandte sich an Turalyon. »Bereitet Eure Männer auf den Einsatz vor.«

Turalyon nickte. Er wagte nicht zu sprechen. Er hatte die Frau natürlich schon früher einmal gesehen. Sein Orden verbot auch keine Beziehungen oder Hochzeiten. Aber die elfische Waldläuferin ließ jede andere Frau, die er jemals kennengelernt hatte, schwach und plump erscheinen. Sie war so zuversichtlich, so anmutig… und so schön, dass sein Mund jedes Mal trocken wurde, wenn er sie nur ansah.

Er merkte, dass er zitterte und wie ein Pferd, das gerade ein Rennen gelaufen war, zu schwitzen begonnen hatte. Und wenn man das Glitzern in ihren Augen bedachte oder ihr angedeutetes Grinsen, sobald sie etwas zu ihm sagte, vermutete Turalyon, dass sie das auch wusste – und sich über sein Unbehagen amüsierte.

Immerhin hatte er jetzt etwas, das ihn ablenkte. Turalyon signalisierte seinen Truppführern, anzugreifen. Sie gaben den Befehl an ihre Herolde weiter, die die Angriffshörner bliesen. Binnen Minuten befand sich die gesamte Streitmacht der Allianz in Bewegung. Marschierend oder langsam reitend bewegte sie sich die Hügel hinab auf den Strand zu.

Als sie sich näherten, konnte Turalyon Details erkennen. Er sah, wie das erste Schiff an der Küste anlegte. Dunkle Gestalten sprangen heraus und liefen über den steinigen Strand auf die Hügel zu. Selbst von hier aus konnte er sehen, wie breit sie gebaut waren. Große Brustkörbe, lange kräftige Arme, krumme Beine. Sie schwangen ihre Äxte, Hämmer, Schwerter und Speere. Jede Menge davon.

»Sie sind an Land gegangen«, brüllte Lothar, zog sein großes Schwert mit einer geschmeidigen Bewegung und hielt es hoch. Die goldenen Runen auf der Klinge reflektierten das Licht.

»Attacke! Für Lordaeron!« Er trieb sein Pferd an, und es galoppierte vorwärts, an den Reihen der Allianz vorbei, und dazu fing der goldene Löwe auf seinem Schild das Sonnenlicht ein.

»Verdammt!« Turalyon trieb sein eigenes Ross an und ritt hinter seinem Kommandeur her. Dabei hob er seinen Hammer und senkte das Visier seines Helms. Soldaten sprangen aus dem Weg, andere beeilten sich, mitzuhalten.

Dann war er an ihnen vorbei und in dem schmalen Korridor zwischen beiden Armeen. Diese Fläche hatte er rasch durchquert und kam wilder Entschlossenheit über die Orcs… gerade als Lothars erster Schlag mehrere Gegner fällte. Doch sofort eilten andere zu dessen Pferd und versuchten, den Helden herunterziehen, um ihn zu zerreißen.

»Nein!« Turalyon schwang seinen Hammer, sobald er in Reichweite war, und traf einen Orc vor den Kopf. Die Kreatur fiel um, ohne auch nur einen Laut von sich zu geben. Turalyon schleuderte einen zweiten Angreifer mit seinem Schild beiseite. Dadurch hatte er genug Zeit, den Hammer wieder zu heben und auch noch den dritten Gegner zu zerschmettern.

Beim Licht, waren diese Kreaturen hässlich!

Lothar und Khadgar hatten sie ihnen beschrieben. Aber es war etwas völlig anderes, sie selbst zu betrachten. Ihre hellgrüne Haut und diese glühenden roten Augen… und dann diese Hauer!