Er hatte so etwas vorher nur bei Ebern gesehen. Aber niemals bei etwas, das auf zwei Beinen ging und eine Waffe trug.
Sie waren stark. Er merkte es daran, dass der Kriegshammer eines Orcs mit seinem eigenen zusammenprallte und die gegnerische Waffe dabei fast in seinen Helm eindrang.
Glücklicherweise schienen sie sich eher auf ihre Stärke und Aggressivität als auf ihr Können zu verlassen. Er bekam seine Waffe rechtzeitig wieder frei und hob sie an. Mit dem Stiel verpasste er dem Orc einen Schlag über die Wange und konnte ihn dadurch lange genug außer Gefecht setzen, dass er ihn mit dem anschließenden Hieb richtig erwischte.
Lothar hatte währenddessen die bei ihm befindlichen Orcs mit tödlichen Schwertstreichen erledigt.
Turalyon brachte sein Pferd neben seinen Kommandeur, sodass sie Seite an Seite reiten konnten. Hammer und Schwert waren unablässig in Aktion.
Uther befand sich direkt hinter ihnen, sein mächtiger Hammer zerschmetterte Orcs links und rechts. Ein sichtbarer Glanz umgab ihn und seine Waffe, so blendend, dass die Orcs wegschauen mussten und ihre Augen bedeckten.
Jubel stieg bei den Streitkräften der Allianz auf, als sie des Könnens des Paladins ansichtig wurden. Turalyon war nicht überrascht. Er hatte zusammen mit Uther geübt und wusste, dass der Glauben des älteren Paladins unglaublich stark war. Stark genug, um ihn sichtbar werden zu lassen.
Er wünschte, sein eigener Glaube wäre ebenso fest.
Aber jetzt war nicht die Zeit, darüber nachzudenken. Weitere Kriegsschiffe der Horde landeten, und die Orcs strömten zu Tausenden daraus hervor.
Turalyon erkannte sofort, dass sie überrannt werden würden, wenn sie hier blieben. »Sire!«, rief er Lothar zu. »Wir müssen weg zum Rest der Armee!«
Zuerst dachte er, der Held hätte ihn nicht gehört. Aber Lothar spießte einen weiteren Orc auf und nickte dann. »Uther!«, rief er und der Paladin wandte sich ihm zu. »Zurück zu den anderen!«
Uther hob seinen Hammer zur Bestätigung, riss sein Pferd herum und drosch eine Schneise in die Horde. Lothar war direkt hinter ihm, und Turalyon bildete die Nachhut. Er kämpfte mit Hammer und Schild, um die Orcs von ihnen fernzuhalten.
Ein Orc griff nach ihm, in seiner anderen Hand führte er eine riesige Axt. Doch dann starb er mit einem Pfeil in seiner Kehle. Turalyon riskierte einen Blick zur Seite und sah eine schlanke Gestalt auf dem Hügel, die ihren Langbogen zum Gruß erhoben hielt. Er konnte gerade noch das Leuchten ihrer Haare erkennen.
Mehrere Male glaubte er fast, sie würden niedergemacht. Aber Uther, Lothar und er schafften es sicher zurück zur Front.
Die Horde war ihnen dicht auf den Fersen.
»Bildet Formation!«, rief Uther. »Hebt die Speere. Verbindet die Schilde! Werft sie zurück!«
Die Soldaten gehorchten eilig. Sie waren bereit gewesen, hatten aber nicht zusammengearbeitet. Einzelkämpfer, keine wirklich vereinte Streitmacht. Das konnte gegen die Überzahl der Horde nicht funktionieren.
Jetzt arbeiteten sie zusammen, bildeten eine solide Schildmauer, die vor Speeren nur so strotzte. Und die Horde krachte mitten hinein.
An einigen Stellen fiel die Mauer, wenn ein Verteidiger vom Angriff eines Orcs ausgeschaltet wurde. Aber der größte Teil trotzte der Wucht, mit der die Orcs vordrangen. Einige fielen und standen nicht wieder auf, allerdings liefen die ihnen Nachfolgenden schnell an ihnen vorbei.
Eine zweite Welle traf den Schildwall, und mehrere Sektionen brachen ein. Doch wieder erlitten die Orcs herbe Verluste.
Turalyon gab dem nächststehenden Truppführer ein Zeichen und registrierte zufrieden, dass er schnell reagierte. Ein zweiter Schildwall entstand bereits hinter dem ersten. Sie konnten Wall auf Wall bauen, und jeder kostete die Orcs enormen Blutzoll. So konnten sie die Horde nach und nach ausdünnen, bis die Gegner irgendwann so viele Verluste erlitten hatten, dass sie sich ihnen direkt entgegenwerfen konnten.
Nur waren die Orcs natürlich keine kompletten Narren. Nach dem dritten Zusammenstoß hielten sie sich spürbar zurück, als würden sie auf etwas warten. Und Turalyon erfuhr auch schnell, worum es sich dabei handelte: Eine Handvoll vermummter Gestalten erschien. Jede trug eine Kapuze über dem Kopf, sodass nur die Augen tief darunter zu erkennen waren. Und jede Gestalt trug einen merkwürdigen glühenden Stab.
Diese Neuankömmlinge ritten auf Pferden mit glühenden Augen und bewegten sich schnurstracks auf den Schildwall zu. Dann hoben sie ihre Stäbe an.
Turalyon vernahm ein merkwürdiges Brummen, und dann fielen die Soldaten unmittelbar vor den Vermummten einfach um. Sie hielten ihre Häupter umklammert, und Blut quoll ihnen aus Mündern, Nasen und Ohren.
»Beim Licht!« Uther stand dicht bei Turalyon und schauderte bei dem Anblick. »Diese Teufel! Sie bringen finstere Magie gegen uns zum Einsatz!« Er hob seinen Hammer, dessen Kopf silbern wie der Mond leuchtete. »Gebt nicht auf, Soldaten!«, rief er. »Das Heilige Licht wird euch beschützen!«
Das Leuchten verteilte sich vom Hammer ausgehend, fiel auf die Krieger und tauchte sie in den hellen Schein.
Als die vermummten Gestalten ihre Hände hoben, zuckten die Soldaten zwar, gingen aber nicht wieder zu Boden.
Dann kam Uther über die Magier. Der Schildwall öffnete sich lange genug für ihn und die anderen Paladine, einschließlich Gavinrad, den Faol nur zu gern in den Orden aufgenommen hatte. Wieder jubelten die Soldaten der Allianz, ermutigt vom überraschenden Können und der Macht der Paladine.
Turalyon fühlte sich hin- und hergerissen. Als Paladin war sein Platz an ihrer Seite. Aber als Lothars Leutnant gehörte er hierher, um die Männer zu befehligen.
Die Paladine und die vermummten Gestalten kämpften gegeneinander, doch keiner schien die Überhand gewinnen zu können. Turalyon sah, wie einer der merkwürdigen Invasoren eine seiner gewaltigen Hände um Gavinrads Arm krallte und Dunkelheit von der Pranke ausströmte.
Doch Gavinrads heilige Aura leuchtete auf einmal heller und trieb die Finsternis zurück. Der Angreifer musste loslassen und zudem einem Hammerschlag des Paladins ausweichen.
Währenddessen droschen die Orcs weiter auf den Schildwall ein. Sie hieben Löcher hinein, die sich aber sofort wieder durch nachrückende Soldaten schlossen.
Dann sah Turalyon Bewegung. Mehrere neue Gestalten trafen ein, größer als die Orcs.
Oger!
Die tumben Kreaturen näherten sich und schlugen mit groben Knüppeln zu, die nichts anderes als entwurzelte und ihres Geästs beraubte Bäume waren.
Ganze Sektionen des Schildwalls fielen in sich zusammen. Die Soldaten wurden von den mörderischen Hieben durcheinandergewirbelt. Die Horde drängte durch die Lücken und warf sich den Soldaten der Allianz entgegen.
»Taktikwechsel!«, brüllte Turalyon dem nächststehenden Herold zu. Er wusste, dass der Mann die Befehle mit seinem Horn weitergeben würde. »Kleine Schildtrupps! Zieht euch auf die Hügel zurück und gruppiert euch neu!«
Der Soldat nickte und hob sein Horn. Er blies einmal kurz – und dann noch mal. Beim Klang des Horns begannen die Truppführer ihrerseits Befehle zu brüllen, sammelten ihre Soldaten und zogen sich zurück, während sie die Orcs auf Distanz hielten.
Die Horde versuchte, sie zu überrennen. Aber die Soldaten der Allianz waren zu dicht gruppiert und hielten ihre Waffen bereit. Sie stachen nach jedem Orc, der ihnen zu nahe kam. Jede Einheit hatte ihre Schilde miteinander verbunden. Sie bildeten einen kleinen Schildwall um sich herum.
Die Orcs überwältigten mehrere Einheiten durch ihre bloße zahlenmäßige Überlegenheit, indem sie wieder und wieder gegen die Krieger krachten, bis deren Schutz nachgab. Doch die meisten Allianzsoldaten wehrten den Gegner erfolgreich ab.
Turalyon ritt die eigenen Reihen am Fuße des Hügels ab und organisierte sie neu, stellte auch hier eine Schildmauer auf. Als alle anderen Trupps sich zurückzogen, öffnete diese sich, um sie einzulassen. Die Ankömmlinge verstärkten dann ihrerseits die Mauer und halfen dabei, wiederum neu eintreffende Trupps sicher aufzunehmen.