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Turalyon befahl den Bogenschützen, die Orcs der Mauer so weit wie möglich fernzuhalten und jede Kreatur zu attackieren, die sich dem Wall näherte.

Die Orcs mussten einen hohen Blutzoll entrichten, doch die Horde landete immer noch weitere Schiffe, wodurch mit jeder Minute mehr Krieger in das Schlachtengetümmel eingriffen.

»Wir können sie nicht mehr lange aufhalten!«, brüllte Turalyon Khadgar zu, der gerade einen merkwürdig aussehenden Orc in der Nähe der Boote hatte zusammenbrechen lassen. Der Orc trug eine Robe, statt einer Rüstung und einen Stab anstelle eines Schwertes. Deshalb glaubte Turalyon, dass es sich um einen Hexenmeister handeln musste, vergleichbar mit ihren eigenen Magiern. »Wir müssen sie daran hindern, die Hügel zu erreichen! Wenn sie uns umgehen, können sie direkt nach Norden auf die Hauptstadt zumarschieren!«

Khadgar nickte. »Ich tue, was ich kann«, versprach er. Der junge, alt wirkende Zauberer konzentrierte sich, dann verfinsterte sich der Himmel. Binnen Minuten zogen dunkle Wolken auf. Im Zentrum des plötzlichen Sturms stand Khadgar, sein weißes Haar umtanzte ihn. Blitze zuckten über den Himmel, und Funken sprangen aus Khadgars gespreizten Fingern.

Dann gab es einen ohrenbetäubenden Knall, und ein Blitz bahnte sich einen Weg, der jedoch nicht vom Himmel, sondern aus Khadgars Händen kam. Sein Licht durchbrach die Finsternis, schlug aus dem Schildwall in eine Gruppe Orcs, die sofort zurückgeschmettert und dabei verbrannt wurden. Ein zweiter Energiepfeil bohrte sich in die Reihen der Feinde, dann ein dritter.

Turalyon nutzte die magische Attacke zu seinem Vorteil. Er formierte seine Männer neu, verstärkte den Schildwall und schickte gleichzeitig Soldaten aus, die mit Reisig und Zunder ausgerüstet waren. Sie verstellten den Orcs mit Bränden den Weg und entfachten eine Feuersbrunst, die verhinderte, dass die Horde nach Westen ausbrach. Das reduzierte das Risiko, dass sie die Streitkräfte der Allianz einfach umgingen.

Doch die Orcs begriffen schnell. Einige Kreaturen traten vor und versuchten, die Feuer auszutreten. Doch die elfischen Bogenschützen erschossen sie, bevor sie die Flammen erreicht hatten. Einer fiel in das Feuer und brüllte entsetzlich, als er davon verzehrt wurde. Das ließ die anderen zurückschrecken.

Die Oger waren aber immer noch ein Problem. Einer trampelte durch die Flammen, verbrannte sich dabei seine Beine, wurde aber trotzdem nicht langsamer. Turalyon schickte ihm eine komplette Einheit entgegen. Gleichzeitig zielten Katapulte auf die Kreatur. Aber der Oger erschlug etliche Krieger, bevor er schließlich selbst fiel. Und die nächsten rückten schon hinter ihm nach.

»Visiert sie an!«, wandte sich Turalyon an Khadgar. »Schießt die Oger ab!«

Khadgar sah ihn an. Turalyon bemerkte, dass sein Freund erschöpft wirkte. »Ich versuche es«, antwortete der Magier. »Doch das Licht zu benutzen ist… ermüdend.«

Eine Sekunde später zischte ein Blitz aus seinen Fingern und traf den anführenden Oger. Er war sofort tot.

Aber als sein massiger, geschwärzter Leichnam fiel, schüttelte Khadgar den Kopf. »Mehr kann ich nicht tun«, erklärte er.

Turalyon hoffte, dass es reichen würde. Die anderen Oger zögerten. Selbst ihre verkümmerten Gehirne konnten die Gefahr erkennen. Dadurch bekamen seine Männer Zeit, die Ziele mit Pfeilen und Katapulten anzuvisieren.

Der Schildwall hielt den Angriffen immer noch stand, doch die Horde rottete sich schon wieder zusammen. Über kurz oder lang würde sie die Verteidiger einfach überrennen. Die erlittenen Verluste reduzierten die Gesamtzahl kaum spürbar.

Uther und die anderen Paladine waren nicht zurückgekommen. Turalyon nahm an, dass sie immer noch diese vermummten Gestalten bekämpften.

Er fragte sich immer noch, wie er reagieren sollte, als Lothar an seiner Seite erschien. »Haltet die Kavallerie bereit!«, rief der Held. »Und blast zum Angriff!«

Angriff? Dort hinein? Turalyon sah seinen Kommandanten an, dann zuckte er die Achseln. Gut, warum nicht? Ihre Verteidigung würde nicht ewig halten.

Er gab dem Herold einen Wink, der kräftig in sein Horn blies. Dann formierten sich die berittenen Soldaten, denen sich Turalyon anschloss. Er befand sich direkt hinter Lothar, der die Spitze übernommen hatte.

Der Schildwall teilte sich für sie, und sie preschten gegen die vorderen Reihen der Horde. Dadurch entstand hinter ihnen ein offener Keil, der mitten durch die Orcs getrieben war.

Nach einer Minute gab Lothar das vereinbarte Zeichen. Sie rissen ihre Tiere herum. Die Bogenschützen gaben ihnen Deckung, während sie sich von ihren Gegnern zurückzogen.

Dann schlugen sie wieder zu.

Sie bereiteten sich gerade auf den dritten Angriff vor, als ein Trommelschlag von irgendwo aus Richtung Horde erklang und die Orcs plötzlich den Rückzug antraten!

»Wir haben es geschafft!«, rief Turalyon. »Sie ziehen sich zurück!«

Lothar nickte, wandte sich aber nicht ab, sondern beobachtete, wie die Orcs ein kurzes Stück zurückliefen, um sich dann neu zu gruppieren. Anschließend machten die Kreaturen kehrt und bewegten sich wieder mit schnellem Schritt auf die rechte Flanke der Allianz zu.

»Sie wollen nach Osten«, sagte Lothar ruhig. Er unternahm keinen Versuch, ihnen nachzusetzen. »Ins Hinterland, ins Zwergenkönigreich.«

»Sollen wir sie verfolgen?«, fragte Turalyon. Sein Blut war noch aufgewühlt vom Kampf. Er wollte den Orcs nachsetzen und sie alle töten. »Sie sind auf der Flucht!«

Aber der Held schüttelte den Kopf. »Nein«, antwortete er. »Wir haben sie aufgehalten. Doch sie flüchten nicht vor uns. Sie umgehen uns.« Jetzt wandte er sich an Turalyon und lächelte – ein grimmiges, müdes Lächeln. »Immerhin«, sagte er, »ist das auch schon etwas.«

»Wenn wir sie nicht verfolgen, können sie sich anderswo neu sammeln«, drängte Turalyon. »Oder etwa nicht?«

»Doch, natürlich«, stimmte Lothar zu. »Aber schaut Euch nur um…«

Turalyon tat, wie ihm geheißen, und verstand, was der alte Krieger meinte. Ihre Leute waren, nun, da der Kampf vorüber war, völlig erschöpft. Er sah, wie Männer auf der Stelle zusammenbrachen. Entweder aufgrund ihrer Wunden oder aus reiner Müdigkeit.

Die Schlacht hatte zwei Stunden gedauert, obwohl es sich nicht so lange angefühlt hatte. Turalyon stellte fest, dass auch er sich schmerzhafte Blessuren eingehandelt hatte. Außerdem waren viele der Waffen zerstört, die Katapulte leergeschossen und das meiste Brennholz samt Zunder aufgebraucht.

»Wir müssen uns neu ausrüsten«, erkannte Turalyon. »Wir sind nicht in der Verfassung, ihnen nachzujagen.«

»Richtig.« Lothar wendete sein Pferd in Richtung ihrer eigenen Linien. »Aber wir haben ihre Stärke ausgetestet, und unsere Männer haben gesehen, dass sie gegen die Horde bestehen können. Das ist gut. Und wir haben sie von der Hauptstadt ferngehalten – auch gut.« Er blickte Turalyon an und nickte schließlich. »Ihr habt Euch tapfer geschlagen«, sagte er leise, bevor er sein Pferd zurück zu den Truppen und zum Kommandozelt dahinter lenkte.

Turalyon sah zu, wie er sich entfernte. Das einfache Lob erfüllte ihn mit Stolz. Als er sich anschickte, seinem Kommandeur zu folgen, wurde ihm bewusst, dass Khadgar Recht behalten hatte. Er hatte gar keine Zeit gehabt, sich groß zu fürchten.

9

»Nekros!« Zuluhed, Häuptling und Schamane des Dragonmaw-Clans schritt durch den langen Korridor. Er musterte jeden Orc, der ihm über den Weg lief. »Nekros!«, brüllte er erneut.

»Hier bin ich!« Nekros Schädelspalter humpelte aus der nahe gelegenen Höhle. Sein Holzbein klopfte auf dem Steinboden. Er duckte sich, um mit seinem Kopf nicht gegen die niedrige Tür zu stoßen. »Was ist?«

Zuluhed blieb neben seinem Stellvertreter stehen und blickte ihn an. »Wie geht es der Waffe?«, wollte er wissen und beugte sich vor. »Ist sie bereit?«

Nekros grinste ihn an, wobei seine gelben Hauer sichtbar wurden. »Komm und sieh selbst.« Er drehte sich um und humpelte den Weg zurück, den er gekommen war.