Die Grünhäute wussten nicht, wie sie damit umgehen sollten. Aber es gefiel ihnen ganz und gar nicht. Schließlich reagierten sie mit der einfachsten Lösung. Wenn der Baumbereich nicht sicher war, ließ man ihn besser hinter sich zurück, entfloh dem bedrohlichen Blätterdach und eilte der nächsten Lichtung entgegen.
Das war genau der Moment, auf den die Wildhammerzwerge gewartet hatten.
Mit einem lauten Kriegsschrei führte Kurdran den Angriff an, seinen Hammer hielt er bereit. Die erste Grünhaut hatte noch Zeit aufzuschauen und die große Kriegsaxt halb zu ziehen, bevor ihr Kurdran seinen blitzgestählten Sturmhammer entgegenschleuderte.
Er erwischte den Gegner am Kiefer, zerschmetterte ihn mit einem Donnerschlag und drosch die Kreatur durch die Luft. »Du bist zu hässlich für meinen Wald, du Bastard!«, brüllte er ihr hinterher.
Der Hammer landete in seiner Hand, und er warf ihn erneut. Der Schlag zermalmte eine zweite Grünhaut. Dann spreizte Sky’ree ihre Flügel, um sie außer Reichweite der Gegner zu bringen, bevor sie einen Bogen flog und sich erneut näherte.
Der Rest von Kurdrans Gefährten schlug sich ebenfalls wacker, und der Wald war erfüllt von Heulen, Schreien, Flüchen und Beleidigungen, als die Greifen abdrehten.
Was auch immer das für Kreaturen waren, sie ließen sich jedenfalls nicht leicht ängstigen. Als er zu einem neuen Anflug ansetzte, bemerkte Kurdran, dass die übrig gebliebenen Grünhäute ihre Waffen gezogen hatten. Gleichzeitig formierten sie sich zu engeren Gruppen, weshalb die Zwerge sie nicht mehr so leicht treffen konnten.
Doch sie hatten sich nicht auf die Luftüberlegenheit verlassen. Kurdran schwang seinen Hammer über dem Kopf und ließ ihn fliegen. Der schwere Stein traf eine Grünhaut direkt an der Schläfe. Sie kippte mit einem Geräusch um, das wie eine kleine Explosion klang. Als die Kreatur fiel, stolperte sie gegen zwei andere, die vorwärts taumelten, um nicht mitgerissen zu werden.
»Ha! Das hat euch umgeworfen, wie!«, rief Kurdran den gefallenen Kreaturen zu. Er war über ihnen, noch bevor sie ihren Fehler erkannten. Doch obwohl er seinen Sturmhammer längst wieder in Händen hielt, ließ er die daliegenden Kreaturen von Sky’ree erledigen. Mit ihren machtvollen Klauen packte sie den einen, erwischte den zweiten mit ihrem scharfen Schnabel und schlug einen dritten mit dem Flügel bewusstlos.
Der Kampf war rasch vorbei. Woher auch immer diese Grünhäute kamen, sie waren langsam und nicht an Angreifer aus der Luft gewöhnt. Kurdran und seine Leute hingegen waren Meister in Sachen Luft-Bodenangriffe.
Den Kreaturen waren ein paar Treffer gelungen, und einige seiner Leute hatten Wunden abbekommen. Aber sie hatten niemanden verloren und auch niemanden zurückgelassen. Nur ein paar der Grünhäute in dieser Gruppe hatten überlebt, und das auch nur, weil sie unter die Bäume geflohen waren.
»Das sollte sie gelehrt haben, nach oben zu schauen«, lästerte Kurdran, und die Zwerge lachten. »Zurück zum Gipfel, Kameraden. Wir schicken eine weitere Mannschaft aus, die eine andere ihrer kleinen Gruppen ausschaltet. Vielleicht machen sie dann ja einen Bogen um den Nistgipfel…«
»Macht euch bereit«, flüsterte Lothar. Er hatte sein Pferd auf Schritttempo verlangsamt, weil ein schnelleres Laufen das Risiko erhöht hätte, dass sie gegen Bäume ritten oder jemand an den Ästen und Zweigen hängen blieb. Er zog sein Schwert und hielt es vor sich, sein Schild hing an seinem Arm. »Sie sollten ganz nah sein.«
Turalyon nickte und befestigte seinen Kriegshammer. Er ritt wie stets unmittelbar hinter seinem Kommandeur. Khadgar befand sich neben ihm, die drei bildeten das klassische Kavalleriedreieck. Und auch wenn die Hände des Magiers waffenlos waren, so hatte Turalyon doch die Magie zu schätzen gelernt, die sein Freund in der Schlacht beschwören konnte. Mit angespanntem Blick versuchte Turalyon, das Dickicht der Bäume zu durchdringen und ihre Beute zu erspähen. Irgendwo hier in der Nähe…
»Dort!« Er zeigte nach rechts, hinter Khadgar. Seine beiden Begleiter folgten seiner Geste. Einen Moment später nickte Lothar. Der Zauberer brauchte eine Minute länger, bevor auch er Bewegungen vor dem Hintergrund der Bäume ausmachte. Bewegung, die zu niedrig erfolgte für einen Vogel und zu gleichmäßig für eine Schlange oder ein Insekt. Nein, die Bewegung konnte nur von etwas stammen, das so groß wie ein Mensch war und auf zwei Beinen durch den Wald ging. Und dass sie sich wiederholte, bedeutete, dass sich dieselbe Gestalt vor- und zurückbewegte oder es sich um eine größere Gruppe handelte.
Da die Bewegung kaum zu erkennen war, mussten die Gestalten dieselbe Farbe wie ihre Umgebung haben.
Das alles führte zu einem Schluss: Es waren Orcs.
»Wir haben sie«, stimmte Lothar leise zu. Er schaute sich zu Khadgar um. »Informiert die anderen«, befahl er.
Der junge, aber alt aussehende Magier nickte.
»In der Zwischenzeit passen wir auf«, sagte Lothar zu Turalyon, der ihm mit einer Geste seine Zustimmung signalisierte. »Und wenn es so aussieht, als würden sie davonkommen, stellen wir beide sicher, dass das nicht passiert.«
»Ja, Sire!«, grinste Turalyon und griff nach dem Stiel seines Kriegshammers. Er war bereit, wenn auch immer noch nervös. Immerhin sorgte er sich nicht mehr, dass er starr vor Angst werden oder gar weglaufen könnte. Er war den Orcs schon einmal gegenübergetreten, und er wusste, dass er es wieder schaffen würde.
»Wir haben Tearlach verloren«, berichtete Iomhar. Kurdran sah ihn überrascht an. »Oengus auch«, fuhr der Kämpfer der Wildhammerzwerge fort. »Und zwei weitere sind zu erschöpft, um weiterzukämpfen.«
»Was ist passiert?«, wollte Kurdran wissen. Der andere Zwerg wirkte zunächst verlegen, dann wurde er streitlustig.
»Die Grünhäute, das ist passiert!«, antwortete er. »Sie waren auf uns vorbereitet! Als wir auf sie hinabstießen, warfen sie Speere! Dann verteilten sie sich, weshalb wir sie unter den Bäumen nicht mehr so gut anvisieren konnten.« Er schüttelte den Kopf. »Euer Angriff stand unter einem glücklichen Stern und hat sie überrascht. Aber jetzt haben sie dazugelernt, diese hässlichen Bastarde, und zwar verdammt schnell.«
Kurdran nickte. »Nicht dumm, diese Grünhäute«, stimmte er zu. »Und es waren mehr, als wir dachten.«
Er blickte auf die vor ihm aufgeschlagene Karte des Zwergenkönigreichs. Markierungen zeigten an, wo die Grünhäute sich befanden. Die Karte war fast vollständig damit übersät.
»Nun gut, wir müssen sie treffen, bevor sie reagieren können. Sagt euren Streitern, dass sie schnell und hart angreifen und sich außerhalb der Wurfweite der Grünhäute halten müssen. Sie arbeiten gegen die Schwerkraft – und wir mit ihr. Also haben wir einen Vorteil.«
Iomhar nickte, aber bevor er etwas sagen konnte, stürmte Beathan herein. »Trolle!«, rief er und sank auf einem Hocker zusammen. Sein linker Arm hing nutzlos an seiner Seite und blutete aus einem tiefen Schnitt an seiner Schulter. »Wir stießen auf eine Kampfgruppe dieser Grünhäute hinab, als eine Gruppe Waldtrolle uns angriff! Sie haben Moray und Seaghdh mit den ersten Schlägen erwischt und Alpin und Lachtin von ihren Greifen geschlagen.« Er zeigte seine Wunden. »Das kam von einem hinterhältigen Schlag mit einer Axt. Aber ich habe den zweiten Schlag abgewehrt, sonst wäre mein Kopf futsch gewesen.«
»Verdammt!«, knurrte Kurdran. »Sie haben sich also mit den Trollen verbündet. Grünhaut und Grünhaut! Und diese Trolle hindern uns daran, die Bäume zu nutzen!« Er zupfte frustriert an seinem Schnurrbart. »Wir brauchen etwas, das die Chancen ausgleicht. Und zwar schnell, Kameraden. Oder sie überrennen uns wie Ameisen einen Käfer.«
Wie auf Stichwort erschien ein dritter Zwerg und berichtete. Aber dieser, ein Kundschafter namens Dermid, war nicht verwundet. Und er sah auch eher zufrieden als besorgt aus.
»Menschen!«, verkündete er glücklich. »Sehr viele! Sie sagen, dass sie uns gegen die Orcs helfen wollen – so nennen sie die Grünhäute.«