»Den Ahnen sei Dank«, knurrte Kurdran. »Wenn sie diese Orcs beschäftigen können, sodass deren neue Taktik nicht zum Tragen kommt, können wir sie wieder von oben angreifen.« Er grinste und schulterte seinen Sturmhammer. »Gut, und wir werden uns auch um die Trolle kümmern, die uns zu nahe kommen. Sie mögen die Bäume kontrollieren, aber wir kontrollieren die Lüfte, und unsere Greifen werden sie zerreißen, sobald sie in Reichweite kommen.« Er ging durch die Tür und pfiff bereits nach Sky’ree. »Wildhammerzwerge, lasst uns starten!«, rief er.
Hinter ihm jubelten die anderen Zwerge und kamen eilends seinem Befehl nach.
»Jetzt!« Lothar trieb sein Pferd an und attackierte eine Gruppe Orcs. Die Grünhäutigen wirbelten sichtlich überrascht herum. Sie waren damit beschäftigt gewesen, den Himmel zu beobachten. Viele von ihnen hielten Speere statt der sonst üblichen Äxte und Hämmer in Händen.
Einer wollte seinen Speer gegen Lothar schleudern, doch der war schon zu nah heran. Er schlug mit seinem Schwert zu, durchtrennte den Speer samt Arm, holte dann erneut aus und enthauptete den Orc, noch bevor der fallende Arm den Boden berührte.
Turalyon war unmittelbar neben ihm. Sein Hammer erwischte einen Orc und zerschmetterte seinen Brustkasten. Seine zweiter Schlag trennte einen Orc-Arm ab, und die grünhäutige Kreatur ließ ihre Axt fallen. Daraufhin schlug er ihr einfach auf den Kopf.
Aber Turalyon hörte ein merkwürdiges Geräusch – irgendetwas zwischen Husten und Lachen – und schaute auf. Eine große Gestalt, größer als ein Orc und schmaler gebaut, sprang aus den Bäumen direkt vor ihm. In ihren großen, langfingrigen Händen hielt sie einen Speer. Ihre Augen standen eng zusammen, und die Kreatur grinste ihn an. Dann stach sie mit dem Speer zu und bleckte ihre spitzen Zähne.
Ein Troll!
Turalyon hob seinen Schild und blockte den Speerstoß ab, sodass er gegen seinen Schild krachte. Er parierte mit einem wilden Hammerschlag. Der Troll taumelte, wollte aber nicht zu Boden gehen. Die Kreatur schritt weiter vorwärts, den Speer zur Attacke bereit.
Turalyon trieb sein Pferd an und schmetterte dem Geschöpf seinen Schild ins Gesicht. Mit einer solchen Attacke hatte es nicht gerechnet und bekam deshalb den Schlag mit voller Wucht zu spüren. Es stürzte rückwärts und schüttelte den Kopf, um wieder zu sich zu kommen.
Turalyon ließ ihm jedoch keine Zeit, sich wieder zu erholen. Sein Hammer traf die Zähne und schleuderte den Troll davon.
Turalyon schaute gerade noch rechtzeitig auf, um einen zweiten Troll zu sehen, der sich von einem nahen Ast herabschwang. Seine Augen waren vor Hass zu schmalen Schlitzen zusammengekniffen, und er hielt seinen Speerwurf bereit.
Turalyon wusste, dass die Waffe auf ihn zielte und er nicht stark oder schnell genug war, um sie abzuwehren. Er bereitete sich auf das Schlimmste vor, schloss seine Augen und lauschte nach dem Geräusch des heransausenden Speers.
Stattdessen hörte er einen merkwürdig schrillen Schrei, gemischt mit einem tiefen Bellen, kurz darauf einen massiven Donnerschlag und schließlich einen Schmerzensschrei.
Er öffnete seine Augen und sah etwas Erstaunliches. Der Troll fiel von seinem Ast, seine Hände umfassten noch die Gesichtshälfte, die offensichtlich zerfetzt war. Darüber schwebte eine mächtige Kreatur, wie Turalyon sie noch nie gesehen hatte. Sie war wie ein Löwe gebaut, mit demselben braunen Fell, hatte aber den Kopf eines Raubvogels. Der Schnabel war gebogen und breit, und aus ihm drang ein Kreischen, das er schon früher einmal gehört hatte. Die Vorderfüße endeten in tödlichen Klauen, die Hinterbeine in dicken Tatzen. Seine großen Flügel waren ausgebreitet, Gefieder bedeckte den Kopf bis hinab zu den Schultern. Und ein Mann ritt das Tier wie ein Pferd.
Nein, es war kein Mann. Turalyon sah etwas anderes. Er hatte von den Wildhammerzwergen bereits gehört, allerdings noch nie einen von ihnen leibhaftig gesehen. Sie waren größer und schlanker als ihre Bronzebart-Vettern. Aber auch die Wildhammerzwerge waren kleiner und stämmiger als Menschen, mit einem mächtigen Brustkorb und dicken Armen. Sie benutzten Sturmhämmer, die der riesigen Waffe glichen, die der Zwerg gerade wieder in die Hand nahm.
Er war eindeutig für den Tod des Trolls verantwortlich.
Der Zwerg merkte, dass Turalyon ihn ansah und grinste. Er hob seinen Hammer zum Gruß. Turalyon grüßte mit seinem eigenen zurück, dann trieb er sein Pferd weiter und suchte sich den nächsten Orc.
Dank der Zwerge, die über ihnen kreisten, musste er sich nicht länger um Angriffe von oben kümmern. Er konnte sich jetzt voll auf die Horde konzentrieren. Die Orcs wiederum mussten sich jetzt um Angriffe von allen Seiten sorgen, außer von unten. Dadurch wurden sie verwirrt und nervös. Und wie Lothar gehofft hatte, zwangen die Bäume die Orcs dazu, sich in kleineren Gruppen zu bewegen, statt als eine einzige tobende Masse. Dadurch mussten sich die Soldaten der Allianz immer nur um einen Teil von ihnen zur selben Zeit kümmern. Es hätte nicht besser kommen können.
Stunden später begrüßte Kurdran die Anführer der Menschen in seinem Heim. Der Kommandeur war ein großer Mann, größer als die meisten anderen. Er trug einen Bart nach Zwergenmanier und einen langen Zopf, obwohl sein Kopf kahlköpfig war. Er bewegte sich wie der geborene Krieger, und Kurdran wusste, dass dieser Mann schon viele Kämpfe erlebt hatte. Seine blauen Augen blieben stets wachsam, und der goldene Löwenkopf auf Schild und Brustpanzer glänzte immer noch.
Der Jüngere war beklagenswerterweise bartlos und schien sich seiner selbst weniger sicher. Aber Zoradan hatte gesagt, dass er gesehen hatte, wie auch er seinen großen Hammer fast wie ein Zwerg geführt hatte. Es war noch etwas anderes Beachtliches an diesem Kerl, etwas Ruhiges, das Kurdran an einen Schamanen erinnerte. Vielleicht war er ja ein Schamane oder stand sonst wie mit den Elementen oder den Geistern in Verbindung.
Das traf auf den dritten Mann sicherlich zu. Der in eine violette Robe gekleidete Mann mit dem kurzen, ungepflegten weißen Bart, aber dem Gang eines jungen Mannes, war ein Zauberer, das schien offensichtlich.
Und dann war da dieses Elfenmädchen. Schön, stark und geschmeidig, wie sie alle waren, mit einem Bogen und lachenden Augen.
Kurdran hatte selten so interessante Leute getroffen, und unter anderen Umständen wäre er darüber glücklich gewesen. Doch auch jetzt war er froh, ihre Bekanntschaft zu machen.
»Seid gegrüßt, Kameraden und Kameradinnen!«, sagte er. Er wies auf die Stühle, Hocker und Kissen, die überall im Raum verteilt waren. »Ihr seid willkommen! Wir fürchteten, dass diese Grünhäute – die ihr Orcs nennt – unser Heim überrennen würden, es waren so viele! Aber eure Ankunft hat ihnen einen Strich durch die Rechnung gemacht, und gemeinsam werden wir sie aus dem Hinterland vertreiben! Ich stehe tief in eurer Schuld.«
Der große Krieger saß auf einem Hocker nahe Kurdrans eigenem Stuhl. Sein Schwert hatte er auf den Rücken gebunden. »Führt Ihr die Wildhammerzwerge an?«, fragte er.
»Ich bin Kurdran Wildhammer«, antwortete Kurdran. »Ich bin der Chef-Thane – und damit ihr Anführer.«
»Gut.« Der Krieger nickte. »Ich bin Anduin Lothar, ehemaliger Ritter von Stormwind und jetziger Oberkommandierender der Streitkräfte der Allianz.« Er erzählte von der Horde und über Stormwinds Schicksal. »Wollt ihr Euch uns anschließen?«
Kurdran runzelte die Stirn und zupfte an seinem Schnurrbart. »Ihr sagt, die Orcs wollen das ganze Land erobern?«
Lothar nickte.
»Und sie sind in großen schwarzen Eisenbooten gekommen?«
Noch ein Nicken.
»Dann müssen sie durch Khaz Modan gekommen sein«, sagte er und schüttelte den Kopf. »Wir haben von unseren Verwandten in Eisenschmiede schon seit vielen Wochen nichts mehr gehört. Ich hatte mich gefragt, warum. Das ist die Antwort.«
»Sie eroberten die Minen und verwendeten das erbeutete Eisenerz, um Schiffe zu bauen«, sagte der Zauberer.
»Ja.« Kurdran fletschte die Zähne. »Wir Wildhammerzwerge hatten über die Jahre viele Zwistigkeiten mit dem Bronzebart-Clan. Deshalb verließen meine Leute schließlich Khaz Modan.