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Was auch immer ihn ausgeschaltet hatte, lag nun hinter ihm und war überwunden. Heimtücke und Wut erfüllten ihn. »Wo bin ich?«, wollte er wissen. »Was ist passiert?«

»Du bist eingeschlafen, Gul’dan«, antwortete die Kreatur, die neben dem Feldbett kniete und ihm einen Kelch anbot.

Der Orc nahm ihn, roch daran und trank den Inhalt grunzend. Dann wischte er sich mit der Hand über den Mund.

»Ein Schlaf wie ein Toter. Seit Wochen hast du dich nicht mehr bewegt, hast kaum geatmet. Wir dachten schon, dein Geist sei fort.«

»Tatsächlich?« Gul’dan grinste. »Hattest du Angst, dass ich dich verlassen würde, Cho’gall, und dich damit Blackhands Gnade ausliefere?«

Der zweiköpfige Ogermagier schaute ihn an. »Blackhand ist tot, Gul’dan!«, sagte einer der Köpfe. Der andere nickte eifrig.

»Tot?« Zuerst glaubte Gul’dan, sich verhört zu haben. Aber Cho’galls finsteres Mienenspiel überzeugte ihn vom Gegenteil, noch bevor beide Köpfe nickten. »Was? Wie?« Er richtete sich auf und setzte sich hin. Die plötzliche Bewegung ließ ihn taumeln, und kalter Schweiß brach aus. »Was ist passiert, während ich schlief?«

Cho’gall begann zu antworten, aber seine Worte erstarben, als jemand die Eingangsflappe beiseite schob und in den engen Raum trat.

Zwei kräftige Orc-Krieger schoben Cho’gall aus dem Weg, packten Gul’dan fest an den Armen und stellten ihn auf die Füße.

Der Oger begann zu protestieren. Seine beiden Köpfe liefen dunkel an vor Wut, aber zwei weitere Orcs drängten in den Raum und verstellten ihm den Weg. Ihre Kriegsäxte waren bereit zuzuschlagen. Sie standen Wache, während die ersten beiden Gul’dan aus dem Zelt schleiften.

»Wohin bringt ihr mich?«, verlangte er zu wissen. Dabei versuchte er, seine Arme frei zu bekommen. Aber er hatte keine Chance. Selbst bei völliger Gesundheit wäre er kein ernstzunehmender Gegner für einen dieser Krieger gewesen. Und jetzt konnte er sich gerade auf den Füßen halten.

Sie schubsten ihn mehr, als dass sie ihn führten. Er bemerkte, dass er zu einem großen Zelt gebracht wurde.

Blackhands Zelt.

»Doomhammer ist jetzt an der Macht, Gul’dan«, sagte Cho’gall leise. Er ging neben ihm, hielt sich aber außer Reichweite der Krieger. »Als du ohnmächtig warst, hat er den Schattenrat angegriffen und die meisten seiner Mitglieder getötet! Nur du, ich und ein paar der niederen Hexenmeister sind übrig geblieben!«

Gul’dan schüttelte den Kopf und versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen. Er fühlte sich immer noch benommen.

Nach allem, was Cho’gall erzählt hatte, war dies ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt, um das Bewusstsein zu verlieren. Doch was der Oger ihm erzählt hatte, verwirrte ihn. Blackhand getötet? Der Schattenrat zerstört?

Das war Wahnsinn!

»Wer war das?«, wollte er erneut wissen. Dabei wandte er sein Gesicht Cho’gall hinter den breiten Schultern der Krieger zu. »Wer hat das getan?«

Aber Cho’gall war zurückgefallen. Auf seinen beiden Gesichtern spiegelten sich Furcht und Bestürzung.

Gul’dan sah wieder nach vorne. Eine kräftige Gestalt trat vor. Und als er den imposanten Krieger in seiner schwarzen Plattenrüstung sah, der den gigantischen Kriegshammer mit spielerischer Leichtigkeit in Händen hielt, verstand Gul’dan endlich.

Doomhammer.

»Ah, du bist wach.« Doomhammer spie die Worte förmlich aus.

Die Krieger ließen Gul’dan sofort los. Doch der Orc-Hexenmeister konnte sich nicht auf den Beinen halten und fiel hin. Er lag auf den Knien, schaute auf und schluckte angesichts der nackten Wut und des Hasses im Gesicht seines Gegenübers.

»Ich…«, begann Gul’dan.

Doch Doomhammer unterbrach ihn. Mit der Rückhand schlug er so fest zu, dass Gul’dan einige Meter durch die Luft geschleudert wurde und in einem Müllhaufen landete.

»Ruhe!«, knurrte der neue Anführer der Horde. »Ich hatte dir noch nicht erlaubt zu sprechen!« Er kam näher und hob Gul’dans Kinn mit der Spitze seiner fürchterlichen Waffe an. »Ich weiß, was du getan hast, Gul’dan. Ich weiß, wie du Blackhand kontrolliert hast. Du und dein Schattenrat.« Er lachte heiser, erfüllt von Bitterkeit und Abscheu. »Oh ja, ich weiß davon. Aber deine Hexer werden dir jetzt nicht helfen. Die meisten sind tot. Und die wenigen, die es noch gibt, bleiben angekettet und unter Beobachtung.« Er beugte sich vor. »Ich befehlige die Horde jetzt, Gul’dan. Nicht du, nicht deine Hexenmeister – sondern ich, Orgrim Doomhammer! Es wird keine Ehrlosigkeit mehr geben! Keinen Verrat mehr! Keine Hinterlist und keine Lügen!« Doomhammer erhob sich zu seiner vollen beeindruckenden Größe und überragte Gul’dan. »Durotan ist wegen dir gestorben, aber er ist der Letzte, der deinen Intrigen zum Opfer fiel. Und er wird gerächt werden! Du wirst dein Volk nie wieder aus den Schatten heraus regieren! Du wirst unser Schicksal nie mehr lenken und uns zu deinem alleinigen Vorteil missbrauchen. Unser Volk wird frei von dir sein!«

Gul’dan zitterte und dachte nach. Er hatte gewusst, dass Doomhammer zu einem Problem werden konnte. Der selbstbewusste Orc-Krieger war zu intelligent, zu ehrenhaft und nobel, um leicht beeinflusst oder gar kontrolliert zu werden. Er war Blackhands Stellvertreter gewesen, die rechte Hand des einstmals mächtigen Anführers des Blackrock-Clans, den Gul’dan zu seiner Marionette für die Herrschaft über die Horde auserkoren hatte.

Blackhand war ein starker Krieger gewesen, hielt sich jedoch für cleverer, als er war – und konnte deshalb leicht kontrolliert werden. Gul’dan und der Schattenrat hatten die wahre Macht in Händen gehalten. Und Gul’dan seinerseits kontrollierte den Rat ebenso leicht wie den Kriegshäuptling.

Aber über Doomhammer hatte er keine Gewalt gehabt. Dieser hatte ihm die Gefolgschaft verweigert und seinen eigenen Weg beschritten, Doomhammer war nur von der Loyalität zu seinem Volk getrieben. Er wusste natürlich, was hinter den Kulissen geschah. Kannte die Korruption. Und als er schließlich genug gesehen hatte… als er es nicht mehr ertragen konnte… hatte er handeln müssen.

Doomhammer hatte den Augenblick klug gewählt. Nachdem Gul’dan nicht mehr im Weg stand, war Blackhand verwundbar. Wie er dem Schattenrat auf die Schliche gekommen war, war unklar, aber offensichtlich war er erfolgreich gewesen und die meisten Mitglieder waren eliminiert worden. Es blieben nur Gul’dan, Cho’gall und ein paar andere übrig.

Und jetzt stand er mit erhobenem Hammer vor Gul’dan, bereit, ihn ebenfalls zu vernichten.

»Warte!«, schrie Gul’dan. Er hatte beide Hände instinktiv erhoben, um sein Gesicht zu schützen. »Bitte, ich flehe dich an!«

Doomhammer wartete. »Du, der mächtige Gul’dan, bettelst? Sehr gut, Hündchen, winsle! Bettle um dein Leben!« Er hielt den Hammer immer noch erhoben.

»Ich…« Gul’dan hasste ihn, hasste ihn mit einer Leidenschaft, die er niemals für etwas anderes als die pure Macht aufgebracht hatte. Aber er wusste, was er zu tun hatte. Doomhammer hasste ihn ebenso, weil er Schuld am Tod seines alten Freundes Durotan trug. Und weil er ihr Volk von friedfertigen Jägern in rasende Monster verwandelt hatte.

Wenn er jetzt auch nur die kleinste Entschuldigung vorbrachte, würde der Hammer seinen Schädel zerschmettern und danach mit Blut, Haar und Hirn überzogen sein!

Soweit durfte er es nicht kommen lassen.

»Ich beuge mich deiner Macht, Orgrim Doomhammer«, rang er sich schließlich ab. Jedes Wort erklang klar und deutlich. Alle Umstehenden konnten es hören. »Ich erkenne dich als Kriegshäuptling der Horde an, und ich unterwerfe mich dir. Ich werde dir in allen Belangen gehorchen.«

Doomhammer grunzte. »Du hast niemals zuvor Loyalität bewiesen«, erwiderte er scharf. »Warum sollte ich dir glauben?«

»Weil du mich brauchst«, antwortete Gul’dan. Dabei hob er den Kopf und hielt dem Blick des Kriegshäuptlings stand. »Du hast meinen Schattenrat getötet und deine Macht über die Horde gestärkt. Und so soll es sein. Blackhand war nicht stark genug, um uns zu führen. Du bist es, und deshalb brauchst du den Rat nicht.« Er schürzte die Lippen. »Aber du brauchst Hexenmeister. Du brauchst unsere Magie – weil die Menschen ihre eigenen Zauberer besitzen. Ohne uns hast du keine Chance gegen sie.« Er schüttelte den Kopf »Und du hast nur noch wenige Hexenmeister übrig. Mich, Cho’gall und eine Handvoll Neophyten. Ich bin zu nützlich, um mich nur aus Rachegelüsten heraus zu töten.«