Turalyon kämpfte gegen zwei Orcs und hatte gerade erst einen von beiden mit seinem Hammer zu Boden geschmettert, als er einen heftigen Schlag auf seinen Schild abwehren musste.
Ein dritter Orc sprang ihn an und warf ihn fast von seinem Pferd. Weil die Kreatur zu nah war, um sie mit seiner Waffe zu erwischen, verpasste er ihr einen Kopfstoß. Sein schwerer Helm erwischte den Orc an Augenbraue und Nasenwurzel.
Der Orc war benommen. Turalyon schüttelte ihn ab und schleuderte ihn gegen seinen zweiten Feind. Dann nutzte er die Gelegenheit, beiden gut gezielte Hiebe zu verpassen.
Keiner von ihnen würde sich je wieder erheben.
Er wischte Wasser von der Vorderseite seines Helms und nahm sich einen Moment Zeit, um die dicken grauen Wolken am Himmel zu beobachten.
Der Regen schien nicht nachlassen zu wollen, und das war auch gut so. Zumindest erloschen die Brände dadurch und würden wohl auch nicht wieder ausbrechen.
Er wollte das Kämpfen in solch feuchtem, schlechtem Wetter gern ertragen, wenn es dazu beitrug, dass die Heimat der Elfen nicht völlig in Schutt und Asche gelegt wurde.
An seiner Seite konnte er Khadgar ausmachen, der mit Schwert und Stab kämpfte. Der Zauberer hatte sich bei der Beschwörung des Sturms, der sich entlang der gesamten Front zog, magisch ziemlich verausgabt. Aber er war auch im Umgang mit normalen Waffen sehr versiert, sodass Turalyon sich wohl keine ernsthaften Sorgen um ihn machen musste – zumal er gerade so viele Widersacher gegen sich hatte, dass er vollauf damit ausgelastet war, sich Sorgen um sich selbst zu machen.
Turalyon kämpfte gerade gegen zwei Orcs zu seiner Linken, als sich einer der beiden versteifte, zuckte und dann umfiel. Ein Pfeil ragte aus seinem Hals.
Turalyon erkannte die Fiederung und lächelte. Eine geschmeidige junge Frau jagte einen Moment später auf ihn zu. Ihr Reiseumhang wirbelte trotz des Regens, und die Spitzen ihrer langen Ohren stießen durch die goldene Haarmähne, die ein wunderschönes Gesicht umrahmte.
Irgendwie ignorierte der Regen Alleria und fiel um sie herum, anstatt sie zu durchnässen. Turalyon wusste nicht genau, ob Elfenmagie dahintersteckte oder ob die reine Kraft ihrer natürlichen Schönheit dafür genügte…
»Ich sehe, ich bin gerade rechtzeitig gekommen«, meinte Alleria, als sie ihn erreichte und einem weiteren Orc einen Pfeil in den Hals rammte. »Was würdet Ihr nur machen, wenn ich Euch nicht immer wieder rettete?«
»Ich komme schon zurecht«, antwortete Turalyon, der zu sehr auf den Kampf konzentriert war, um in ihrer Gegenwart nervös zu sein. Er blockte einen Angriff ab, schlug den Orc nieder und wandte sich bereits dem nächsten Feind zu. »Habt Ihr Euren König gefunden?«
»Ja«, bestätigte sie. »Er wird uns helfen. Unsere Krieger und die Waldläufer sind mobilisiert. Sie können binnen Minuten hier sein, wenn Ihr das wollt.«
Turalyon nickte, benutzte den langen Schaft seines Hammers, um eine Axt abzuwehren, und verkürzte dann den Griff, sodass der Kopf des Hammers den angreifenden Orc mit dem Rückschwung erwischte.
»Natürlich will ich! Dieser Ort ist so gut wie jeder andere«, antwortete er. »Und solange wir sie hier bekämpfen, geht die Horde auch nirgendwo sonst hin.«
Alleria pflichtete ihm bei, dann sagte sie: »Ich werde zurücklaufen und meine Leute informieren. Ihr müsst nur aushalten, bis wir eintreffen.« Ihre Stimme hatte einen merkwürdigen Klang.
Turalyon warf ihr einen Blick zu. Beim Licht! Weinte sie? Sie sah auf jeden Fall traurig aus. Aber das war auch kein Wunder, die Invasion ihrer Heimat hatte sie hart getroffen.
»Wir werden standhaft sein«, versicherte er ihr. »Wir müssen.«
Dann war Alleria auch schon wieder verschwunden. Turalyon hoffte nur, dass sie mit der versprochenen Unterstützung zurückkam, bevor der Rest der Horde seine schwachen Verteidigungslinien durchbrochen hatte. Schon jetzt strömten Wellen von Orcs von allen Seiten heran. Turalyon wusste, dass seine Truppen der Orc-Armee auf Dauer nicht gewachsen waren. Erst recht nicht hier auf dem offenen Feld, wo die Orcs sie umzingeln und überrennen konnten.
Sie brauchten dringend Hilfe, und zwar schnell. Er betete, dass die Elfen so fähig waren, wie Alleria sie ihm beschrieben hatte.
Ter’lij, einer von Zul’jins Untergebenen, grinste. Er und seine Gruppe hatten etwas Unangenehmes in der Nähe gerochen und sich von ihren Nasen zu einem herrlichen Geräusch führen lassen. Schritte! Verursacht wurden sie von jemandem auf dem Waldboden – einem einzelnen Elf.
Ter’lijs Auftrag lautete, den Weg zu bewachen, der zur Stadt der Elfen führte. Er sollte die Spitzohren daran hindern, ihn zu benutzen. Nun, dieser Elf würde nicht weit kommen.
Er kletterte leise durch das Blattwerk nach unten. Dann sah Ter’lij seine Beute. Der Elf bewegte sich sehr schnell. Den meisten anderen Kreaturen wären seine Schritte leise vorgekommen. Aber Ter’lij fand sie laut wie Donnerhall. Der Elf trug einen langen braunen Umhang, die Kapuze hatte er übergezogen, und er stützte sich auf seinen langen Stab. Einer der Älteren also. Noch besser.
Ter’lij leckte sich aus Vorfreude die Lippen und bedeutete seiner Gruppe, ihm nach unten zu folgen. Dann ließ er sich aus dem Baum fallen, den Krummdolch in der Hand, und grinste sein Opfer an.
Er war überrascht, als der Elf seinen Umhang zurückwarf und sich lachend aufrichtete. Der Stab schnellte hoch und enthüllte eine lange Klinge an einem Ende. Die Rüstung des Elfs leuchtete selbst im Schatten der Bäume.
»Hast du wirklich geglaubt, wir könnten nicht hören, wie du über uns raschelst?«, zischte der Elf. Seine Gesichtszüge verhärteten sich. »Hältst du uns für so taub, dass wir nicht mitbekommen, wie ihr unseren Wald verschandelt? Ihr seid hier nicht willkommen, Kreatur, und jetzt wirst du sterben.«
Ter’lij erholte sich schnell von der Überraschung und lachte. »Sehr schlau, kleines Bleichgesicht«, stimmte er zu. »Ein netter Trick, mit dem du Ter’lij da gekommen bist. Aber du bist allein mit deinem Stab, und wir sind viele.«
Der Rest seiner Gruppe landete hinter ihm, bereit, sich über den arroganten Elf herzumachen.
Doch der Elf grinste noch breiter, seine Gesichtszüge wirkten jetzt regelrecht gehässig. »Glaubst du das, du Dummkopf?«, spottete er. »Ihr bildet euch etwas auf eure Waldläuferfähigkeiten ein. Aber ihr seid blind im Wald verglichen mit uns. Blind und taub.«
Plötzlich erschien ein zweiter Elf hinter einem Baum. Und dann ein dritter. Und ein vierter. Ter’lij runzelte die Stirn. Es wurden immer mehr, bis er und seine Gruppe umzingelt und zahlenmäßig unterlegen waren. Alle Elfen trugen die gleichen langen Speere und hohe, längliche Schilde.
Damit hatte Ter’lij nicht gerechnet. Nichtsdestotrotz war er ein erfahrener Jäger und Krieger und ließ sich nicht so leicht einschüchtern.
»Das ist ja noch besser!«, rief er schließlich und richtete sich zu seiner vollen Größe auf. »Was für eine Herausforderung, nicht nur einen unbewaffneten Elf abstechen… Das gefällt mir!«
Mit diesen Worten sprang er dem führenden Elf entgegen. Sein Schwert war hoch erhoben, und er…
… starb mitten im Sprung, als sich der Speer des Elfenanführers durch seine Brust bohrte und das Herz durchdrang, bevor die Spitze aus dem Rücken wieder heraustrat.
Der Elf trat zur Seite und ließ Ter’lijs Körper vom Speer rutschen. Er drehte sich und wirbelte mit dem Speer, um die Hand eines angreifenden Trolls abzutrennen.
Der Kampf war schnell entschieden. Der Elfenanführer trat vor einen der Toten und nickte. Er hatte schon früher gegen Waldtrolle gekämpft. Allerdings noch nie hier in Quel’Thalas. Und obwohl die Trolle an sich gute Jäger waren, konnten sie sich mit einem Elf nicht messen.
Sylvanas hatte die Patrouille als eine von vielen mit dem Befehl ausgeschickt, jeden Troll aufzuspüren und zu töten. Dies war die zweite Gruppe, die sie erwischt hatten. Und er fragte sich, wie viele mehr wohl noch im Wald herumliefen.
Er öffnete den Mund, um seine Männer zu rufen, als eine schlanke Gestalt auf die Lichtung stürmte. Ihr goldenes Haar flatterte im Wind.