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Haidurons Ohren hatten sie erst Sekunden zuvor wahrgenommen. Und das auch nur, weil Alleria zugunsten von höherem Tempo bewusst auf Lautlosigkeit verzichtet hatte.

»Haiduron!«, rief sie, und blieb wenige Schritte von ihm entfernt stehen. »Gut, dass ich dich finde! Ich habe mit dem Oberkommandierenden der Allianz gesprochen und auch mit Sylvanas. Sie braucht uns alle an der südwestlichen Ecke des Waldes. Dort hat sich die Horde versammelt, und die Menschen können sie nicht mehr lange aufhalten.«

Haiduron Wolkenglanz nickte. »Ich werde Lor’themar informieren – seine Gruppe befindet sich ganz in der Nähe«, sagte er. »Er wird unseren Freunden zu Hilfe eilen. Ihr Kampf ist jetzt auch der unsere. Wir werden nicht zulassen, dass die Menschen diesen üblen Kreaturen zum Opfer fallen.« Er machte eine Pause und musterte sie genauer. »Geht es dir gut, Alleria? Du wirkst… verwirrt.«

Alleria schüttelte den Kopf, allerdings glitt ein Schatten über ihr Gesicht. »Mir geht es gut«, versicherte sie. »Jetzt aber los! Bring unsere Krieger zur Front! Ich kehre zu meiner Schwester und zur Allianz zurück und berichte ihnen, dass Hilfe kommt.« Sie machte auf dem Absatz kehrt und verschwand zwischen den Bäumen.

Haiduron sah ihr kurz hinterher, dann schüttelte er sich. Er kannte Alleria Windläufer schon sehr lange und konnte beurteilen, wenn sie etwas störte oder beunruhigte.

In diesen Tagen waren sie alle beunruhigt, wenn merkwürdige Kreaturen durch die heiligen Wälder strichen.

Doch das würde nicht mehr lange so bleiben. Haiduron zog den Speer aus dem Troll und säuberte ihn an dem Leichnam, bevor er sich abwandte.

Später würde noch genug Zeit sein, sich um den Kadaver zu kümmern. Jetzt waren erst einmal die noch lebenden Feinde an der Reihe.

Für Turalyon schienen nur ein paar Minuten vergangen zu sein, seit Alleria ihn verlassen hatte… als sie auch schon wieder neben ihm auftauchte. Sie trug den Bogen jetzt auf dem Rücken und stattdessen das Schwert in der Hand, das sie soeben benutzte, um einen Orc niederzuschlagen, der versucht hatte, Turalyons Pferd ins Hinterteil zu stechen.

»Sie werden bald hier sein«, versicherte sie ihm mit glänzenden Augen, und Turalyon nickte. Er spürte Erleichterung – ob angesichts der zu erwartenden Unterstützung oder aufgrund der Tatsache, dass sie noch lebte, konnte er selbst nicht genau sagen.

Er furchte die Stirn. Solche Gedanken kannte er nicht und schob sie deshalb fürs erste beiseite. Zunächst einmal musste er sich um das Überleben seiner Soldaten kümmern.

Der Regen hatte schließlich aufgehört, obwohl die Wolken blieben, und das Schlachtfeld weiter verdunkelten. Als Turalyon sah, wie ein finsterer Umriss auftauchte, dachte er zuerst, es wäre der verzerrte Schemen eines Orc-Kriegers. Aber der Umriss wurde größer und gewann an Schärfe. Er betrachtete ihn fasziniert… und wurde deshalb beinahe von einem Orc aufgespießt.

»Konzentriere dich!«, warnte ihn Khadgar, der neben ihm ritt und den Orc wegtrat, bevor er noch einmal zuschlagen konnte. »Worauf starrst du denn da?«

»Darauf«, antwortete Turalyon und wies mit dem Hammer in die entsprechende Richtung, bevor er seine Aufmerksamkeit wieder dem um ihn herum tobenden Kampf widmete.

Auch Khadgar schaute ungläubig. Der alt wirkende Zauberer fluchte ein paar Mal, als er die schwere Gestalt gewahrte, die jetzt vollständig zwischen den Bäumen am anderen Ende des Schlachtfelds hervortrat. Sie war doppelt so groß wie ein Orc, mit einer Hautfarbe wie altes Leder. Die Kreatur schwang einen riesigen Hammer, eigentlich eine Zweihandwaffe, die sie aber mit nur einer Hand hielt. Und sie trug eine merkwürdige Rüstung.

Turalyons Zähne knirschten, als er einen zweiten Blick riskierte und erkannte, dass die Panzerung ähnlich wie bei den Menschen beschaffen war. Brustplatte, Bein- und Armschienen wurden von dicken Ketten zusammengehalten, um die Kreatur zu schützen.

Ihre beiden Köpfe waren kahl, sie starrten auf die Soldaten und die Orcs hinunter. Gerade sauste der Knüppel nieder, zerschmetterte zwei Männer mit einem einzigen Schlag und glitt dann, noch in derselben Bewegung, zur Seite. Vier weitere Soldaten wurden von den Füßen gerissen und flogen meterweit.

»Was zum Teufel ist das für ein Ding?«, fragte Turalyon, schlug einem angreifenden Orc ins Gesicht und warf ihn vor einen anderen, der unter dem Aufprall schwankte.

»Ein Oger«, antwortete Khadgar. »Ein zweiköpfiger.«

Turalyon wollte seinem Freund erzählen, dass er schon bei anderer Gelegenheit Oger gesehen und dabei durchaus mitbekommen hatte, dass dieser hier zwei Köpfe hatte, da hob der merkwürdige Oger seine leere Hand in Richtung einer Gruppe von Allianzsoldaten.

Turalyon blinzelte, glaubte seinen Augen nicht zu trauen. Hatte er wirklich gerade gesehen, wie Feuer aus der Hand der Kreatur auf die Soldaten zuflog?

Er schaute noch einmal hin. Ja, Flammen umhüllten jetzt seine Krieger. Die Männer ließen ihre Waffen fallen, um die Brände zu ersticken. Das Feuer tanzte über Rüstung und Kleidung. Einige warfen ihre Umhänge ab, die sich entzündet hatten, während sich andere im Gras wälzten und versuchten, der Flammen Herr zu werden.

Wie hatte der merkwürdige, neu aufgetauchte Oger das nur gemacht?

»Verdammt!« Khadgar hatte es ebenso gesehen wie er. »Es ist ein Ogermagier!«

»Ein was

»Ein Zauberer«, schnappte Khadgar. »Ein verdammter Ogerzauberer!«

»Ah.« Turalyon erledigte einen weiteren Gegner und starrte erneut auf den riesigen Oger.

Er versuchte es zu verstehen: Die größte Kreatur, die er je gesehen hatte, konnte Magie wirken? Unglaublich. Was brauchte man, um so ein Biest zu töten? Er wollte Khadgar dazu befragen und suchte noch nach den entsprechenden Worten… als der Ogermagier plötzlich schwankte und vorneüber fiel. Die Haare an seinem Hinterkopf ragten steil auf.

Zuerst dachte Turalyon, dass er etwas mit den Leichen machen wollte, die vor ihm lagen – vielleicht sie mit seinen beiden Mäulern fressen? Aber die Kreatur stand nicht wieder auf.

Und dann erkannte er, dass die Haare am Hinterkopf in Wirklichkeit Schäfte waren.

Speerschäfte!

»Ja!«, jubelte Alleria und hob ihren Bogen zum Gruß. »Meine Leute sind eingetroffen!«

Turalyon sah, dass sie Recht hatte. Aus dem Wald drang Reihe um Reihe an Elfen. Sie trugen schwerere Rüstungen als Alleria und ihre Waldläufer und mehr als nur Schilde und Speere. Es waren eindeutig elfische Waffen, die den Oger getötet hatten.

Turalyon war nie froher gewesen, diese Verbündeten zu sehen.

»Das ist exzellentes Timing!«, wandte er sich an Alleria. Er musste brüllen, um sich über das Chaos der Schlacht verständlich zu machen. »Kannst du Botschaften übermitteln?«

Sie nickte. »Wir benutzen Gesten zum Jagen, die man auch auf die Entfernung gut erkennen kann.«

»Ausgezeichnet.« Turalyon nickte und rammte einen weiteren Orc in den Boden, während er seine Gedanken sammelte. »Wir müssen die Horde zwischen uns einkeilen. Sag deinen Leuten, sie sollen auf uns zumarschieren, aber auch an den Rändern ausschwärmen. Wir tun dasselbe. Ich will nicht, dass die Orcs an den Flanken entkommen, weil sie sich dann wieder gegen uns wenden können.«

Alleria nickte und begann, Gesten in Richtung Wald zu vollführen. Turalyon sah, wie eine der Elfen nickte und sich an ihre Gefolgsleute wandte.

Khadgar war dicht genug bei Alleria und Turalyon gewesen, um ihrer Diskussion folgen zu können. Nun wandte sich mit Befehlen an einen in der Nähe stehenden Truppführer und ordnete an, seine Anweisungen weiterzugeben.

Beide Armeen begannen, sich auseinanderzuziehen. Die Allianz wich leicht zurück, um mehr Bewegungsspielraum zu erhalten.

Die Horde wertete dies als Zeichen der Niederlage, und die Orcs jubelten. Die meisten von ihnen hatten die Elfen, die sich teilweise hinter den Bäumen versteckt hielten, noch gar nicht bemerkt.

Das war gut so. Turalyon wollte das Überraschungsmoment so lange wie möglich auf seiner Seite haben, um die Chance der Orcs auf Flucht zu verringern. Er zog seine Männer zurück und stellte einige Truppenteile ab, um die Orcs auf Abstand zu halten. Dann sandte er ein Drittel seiner Leute zu jeder Seite und befahl, dass sie von dort aus langsam zurückkehren sollten. Den Rest behielt er bei sich.