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»Mein Clan und ich bleiben eine Zeit lang hier«, antwortete Gul’dan. »Ich habe mit dem Altar der Stürme Pläne, die der Horde auf ihrem Feldzug nützen werden.«

Doomhammer runzelte die Stirn. Er traute dem kleinen, hässlichen Hexenmeister immer noch nicht. Aber er musste sich eingestehen, dass sich die zweiköpfigen Oger als extrem nützlich bei der Einnahme von Quel’Thalas erwiesen hatten. Zwar hatten diese verfluchten Zwerge auf ihren Greifen eingegriffen, was ihn mehrere der Kreaturen gekostet hatte, doch ohne die Oger hätten sie nie die Linien der Allianz durchbrochen und sich danach nicht neu gruppieren können.

Schließlich nickte er. »Mach, was du willst. Aber halte dich nicht zu lange damit auf. Wir brauchen jeden Vorteil, wenn wir Lordaeron schnell erobern wollen.«

»Ich werde mich nicht verspäten«, versicherte ihm Gul’dan. »Du hast Recht… Tempo ist alles.«

Sein Tonfall missfiel dem beunruhigten Doomhammer. Im gleichen Moment meldete sich jedoch Zuluhed, und der Hexenmeister rückte vorübergehend aus Doomhammers Aufmerksamkeit. Interessiert lauschte er den neuesten Berichten über die verbliebenen Verteidiger des Waldes.

»Wir können ihre Verteidigungsanlagen nicht durchbrechen«, meinte der Häuptling des Dragonmaw-Clans. Er wirkte eher wütend, als dass es ihm leid tat. »Selbst die Drachen können nichts ausrichten«, fuhr er fort und schüttelte den Kopf. »Ihr Feuer fegt über die Stadt, aber es kann sie nicht zerstören. Und die Klauen der Drachen scheitern an einer unsichtbaren Mauer.«

»Schuld daran ist dieser Sonnenbrunnen«, sagte Gul’dan. »Die elfische Quelle der Magie. Sie verleiht ihnen immense Macht.«

Darüber wusste der Hexenmeister natürlich Bescheid.

»Wie kann man den Brunnen zerstören, trockenlegen… oder wie können wir ihn für uns selbst nutzen?«, fragte Doomhammer.

Gul’dan schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung. Ich habe es versucht. Ich kann seine Kraft zwar spüren – doch sie ist mir fremd, und ich kann sie nicht berühren.« Er kratzte sich seinen ungepflegten Bart. »Ich vermute aber, dass die Elfen sehr wohl etwas mit seiner Macht anfangen können, weil der Sonnenbrunnen an sie und das Land gebunden ist.«

»Kannst du die Altäre dazu benutzen, die Verteidigung der Elfen zu brechen?«, fragte Doomhammers.

Gul’dan grinste erneut. »Das überprüfe ich derzeit«, antwortete er. »Ich weiß noch nicht, ob es funktioniert. Aber die Altäre wurden aus den Runensteinen der Elfen geschaffen, die ursprünglich vom Sonnenbrunnen mit Energie versorgt wurden. Vielleicht kann ich diese Verbindung in umgekehrter Richtung nutzen, um meine eigene Magie in ihre Energiequelle einfließen zu lassen und sie auf diese Weise zu zerstören… oder den Elfen zu entreißen.« Es bedurfte keiner weiteren Worte, um zu wissen, welcher Methode der Hexenmeister den Vorzug gab.

Doomhammer missfiel der Gedanke, dass Gul’dan über derart viel Macht verfügen sollte. Doch das war immer noch besser, als diese Energie den merkwürdigen Elfen zu überlassen.

»Tu, was du kannst«, sagte er zu Gul’dan. »Aber eigentlich ist es zweitrangig, die Stadt einzunehmen. Wir kommen zwar nicht hinein, dafür können die Elfen aber auch nicht hinaus.« Er wandte sich wieder an Zuluhed. »Das gilt auch für die Drachen. Doch die brauchen wir vorrangig, wenn die Allianz noch weitere Krieger in ihrer Hauptstadt hat. Wenn du die Barriere nicht in ein paar Tagen eingerissen hast, dann brich deine Bemühungen ab und entsende deine Drachen zur Horde.«

Er blickte zu Gul’dan, der sich bereits außer Hörweite befand. »Und stell’ sicher, dass der Kerl und seine Hexenmeister dann auch tatsächlich mitkommen.«

Zuluhed grinste und versprach: »Ich werde ihn mitbringen – und wenn ich einem Drachen befehlen müsste, ihn zu fressen und in seinem Bauch zu transportieren!«

Doomhammer nickte. Dann verließ er den Anführer des Dragonmaw-Clans, damit dieser seine Drachenreiter instruieren konnte. Er selbst musste sich darum kümmern, dass seine Krieger abmarschbereit waren.

Es dauerte zwei Stunden, bis die Horde schließlich loszog. Gul’dan und Cho’gall beobachteten, wie eine Welle Orcs nach der anderen aus Quel’Thalas aufbrach. Sie trampelten über die verkohlten Stümpfe der Bäume, die den Flammen der Drachen zum Opfer gefallen waren. Ein Drittel des Waldes war niedergebrannt. Überall fanden sich Ruß, Asche und Blätter, die angesengt, aber nicht vollständig verbrannt waren.

Die Krieger hatten hier gelagert. Sie fühlten sich im Freien wohler als unter den übrig gebliebenen Bäumen, auch wenn der Boden mit Resten von Rinde, Blättern und Nüssen übersät war. Rußwolken stoben durch die vielen darüber stapfenden Füße auf.

Doomhammer marschierte allen voran, und während er sich bewegte, schlug seine Waffe gegen Rücken und Beine. Er sah sich nicht um und war froh, dass sie in keinerlei Gefahr schwebten.

Gul’dan wartete, bis der letzte Orc seiner Sicht entschwunden war, dann wandte er sich an Cho’gall. »Sind wir bereit?«

Beide Köpfe des Anführers des Schattenhammer-Clans grinsten. »Bereit«, antwortete er.

Gul’dan nickte. »Gut. Sag unseren Kriegern, dass wir sofort aufbrechen. Es ist ein langer Weg bis Southshore.« Er kratzte sich am Bart. »Zuluhed ist mit der Elfenstadt beschäftigt und wird nicht merken, dass wir weg sind – bis es zu spät ist.«

»Was ist, wenn er seine Drachen hinter uns herschickt?«, fragte Cho’gall. Von seiner gewohnten Furchtlosigkeit war bei dem Gedanken, dass diese Kreaturen sie jagen würden, nur noch wenig zu spüren.

»Wird er nicht«, versicherte Gul’dan dem Oger. »Das wagt er nicht ohne Doomhammers Befehl. Dazu muss er zuerst einen Boten hinter dem Rest der Horde herschicken und dann auf die Antwort warten. Bis dahin sind wir außer der Reichweite der Drachen. Doomhammer kann es sich zudem nicht leisten, einen Teil seiner Truppen hinter uns herzuschicken, wenn er die Stadt der Menschen erobern will.«

Er lachte. Seit Wochen hatte er nach einem Weg gesucht, um Doomhammer loszuwerden und endlich seine eigenen Pläne verfolgen zu können. Und nun hatte ihm der Kriegshäuptling selbst die perfekte Lösung geliefert!

Er hatte fast erwartet, dass Doomhammer darauf bestehen würde, dass Gul’dan die Horde begleitete. Doch der Widerstand der Elfen hatte ihm die perfekte Entschuldigung geliefert, zurückzubleiben.

»Ich werde nach den Kriegern sehen«, versprach Cho’gall und entfernte sich. Bereits im Gehen bellte er die ersten Befehle.

Gul’dan nickte und kümmerte sich um seine eigene Ausrüstung. Er freute sich auf den Marsch. Jeder Schritt würde ihn weiter von Doomhammer weg und seiner Bestimmung näher bringen.

Doomhammer arbeitete sich den schmalen Pfad entlang, der in den Berggipfel geschlagen war. Er bewegte sich auf ein kleines Tal weit unter ihm zu. Es war Nacht, und der Rest der Horde schlief bereits.

Er aber musste etwas Dringendes erledigen. Er bewegte sich leise, seine Stiefel fanden guten Halt auf dem ausgetretenen Stein. Mit einer Hand hielt er seinen Hammer, damit er nicht gegen seinen Rücken schlug oder gegen die Steinwand prallte. Mit der anderen ertastete er den Weg. Der Halbmond spendete ausreichend Licht. Er konnte Insekten in der Nähe summen hören. Ansonsten war es still in den Bergen.

Er hatte beinahe das Tal erreicht, als er plötzlich noch andere Geräusche vernahm. Es klang, als würde etwas von Größe eines Orcs sie verursachen, indem es sich schwerfällig an der gegenüberliegenden Seite des Tales vom dortigen Berghang her näherte.

Doomhammer legte sich hin. Dabei benutzte er den Rand des Pfades als Deckung und zog den Hammer von seiner Schulter. Er blickte vorsichtig auf und wartete, bis das Geräusch lauter wurde. Dann sah er, wie eine vermummte Gestalt das letzte Gefälle überwand und den Talboden betrat.

Eigentlich war es weniger ein Tal als eher eine Nische im Fels, vielleicht zehn Meter breit und acht tief. Die Felsen erhoben sich allseitig. Sie boten Schutz und Versteckmöglichkeiten. Wahrscheinlich hatte man die Stelle deshalb ausgesucht.